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ASIEN/895: Koreakonflikt - guter Wille in Gefahr ... (SB)


Koreakonflikt - guter Wille in Gefahr ...


Von permanentem Störfeuer seitens der Kriegsfalken in Washington begleitet, laufen die Vorbereitungen für das historische Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem nordkoreanischen Regierungschef Kim Jong-un am 12. Juni in Singapur auf Hochtouren. Verärgert über aggressive Töne aus Pjöngjang hatte Trump am 24. Mai seine Teilnahme an der geplanten Begegnung plötzlich abgesagt. Gerettet hat die Situation der südkoreanische Präsident Moon Jae-in, der sich am 26. Mai zur Grenze begab, sich hinter verschlossenen Türen mit Kim traf und anschließend erneut Nordkoreas feste Bereitschaft zur Trennung von seinem Atomwaffenarsenal verkündete. Trump begrüßte die positiven Signale von der Demilitarisierten Zone (DMZ) am 38. Breitengrad und ließ die Vorbereitung für das Gipfeltreffen in Singapur wieder anlaufen. Auch wenn nicht alles in trockenen Tüchern ist, scheint die erste große Krise auf dem Weg der Annäherung gemeistert worden zu sein - vor allem von Moon.

Angefangen haben die Probleme, als Anfang Mai Trumps neuer Nationaler Sicherheitsberater John Bolton in mehreren Interviews das "Modell Libyen" als die von Washington erwünschte Art der "Denuklearisierung" auf der koreanischen Halbinsel pries. Dies war eine gezielte Provokation. Bekanntlich haben die Nordkoreaner in den letzten Jahren immer wieder das Schicksal Muammar Gaddhafis, der 2003 seine Atomzentrifugen aushändigte, um sich mit dem Westen gutzustellen, um nur acht Jahre später mit Hilfe der NATO-Mächte Frankreich, Großbritannien und USA gestürzt und ermordet zu werden, als mahnendes Beispiel und Fehler hochgehalten, den sie niemals machen würden. Erst die erfolgreichen Tests der eigenen Wasserstoffbombe und der eigenen Interkontinentalrakete im vergangenen Jahr haben es Pjöngjang erlaubt, sich zumindest militärisch aus einer Position der relativen Stärke auf Verhandlungen mit der Supermacht USA einzulassen.

Die Äußerungen Boltons und das Festhalten der amerikanischen und südkoreanischen Streitkräfte an ihrem diesjährigen Frühjahrsmanöver haben in Pjöngjang eine heftige Reaktion ausgelöst. Die Regierung dort hat ein geplantes Treffen an der DMZ mit Staatsbeamten aus Seoul am 16. Mai platzen lassen und eine Erklärung herausgegeben, in der man sich aufs Schärfste gegen die ungebetene Einmischung Boltons in den diplomatischen Annäherungsprozeß verwahrte (Wegen seiner ununterbrochenen und letztlich erfolgreichen Bemühungen als Staatssekretär im US-Außenministerium um eine Torpedierung früherer Verhandlungen Pjöngjangs mit der Regierung George W. Bushs haben die Nordkoreaner den neokonservativen Ideologen einst als "menschlichen Abschaum" beschimpft). In Washington kam die Botschaft an. Auf Anraten der Südkoreaner wurde die Teilnahme amerikanischer Kampfjets vom Typ B-52 und F-22, die für den Einsatz von Atomwaffen geeignet sind, am Kriegsspiel "Max Thunder" gestrichen, was die Wogen einigermaßen glättete.

Hatte Bolton die Erwähnung des "Libysche Modells" mit der Maximalforderung verbunden, die Nordkoreaner würden ihre gesamte Atomtechnologie auf einmal vernichten bzw. aushändigen müssen, so hat Trump am 22. Mai unmittelbar vor einem Treffen mit Moon im Weißen Haus die Möglichkeit einer schrittweisen Abrüstung bei gleichzeitigem Abbau der amerikanischen Drohkulisse in Ostasien in Aussicht gestellt. Trump brachte Sicherheitsgarantien für Kim Jong-un und seine Familie ins Spiel und prognostizierte für Nordkoreas Wirtschaft im Fall einer Aussöhnung mit den USA eine blendende Zukunft. Doch leider entfaltete zu diesem Zeitpunkt die nächste rhetorische Bombe ihre zerstörerische Wirkung.

Bei einem Auftritt beim Nachrichtensender CNN am 21. Mai hatte US-Vizepräsident Mike Pence der nordkoreanischen Führung damit gedroht, wie das Gaddhafi-"Regime" zu enden, sollte sie sich nicht schleunigst den Abrüstungsforderungen Amerikas beugen. Zwei Tage später verurteilte die Stellvertretende Außenministerin Nordkoreas, Choe Son-hui, die Äußerungen Pences als "dumm und ignorant" sowie "ungezügelt und unverschämt". Die Diplomatin erklärte, angesichts der anhaltenden Provokationen aus Washington könnte sich die Führung in Pjöngjang ihre Zusage zur Teilnahme am geplanten Gipfel Kim-Trump anders überlegen. "Ob sich die USA mit uns in einem Sitzungssaal treffen oder wir uns bei einem nuklearen Showdown begegnen, hängt einzig und allein von der Entscheidung und dem Verhalten der Vereinigten Staaten ab", so die drastische Formulierung Choes.

Auf die martialischen Worte aus Nordkorea hat Trump mit der eigenen Aufkündigung des Gipfeltreffens geantwortet. Der ehemalige Baumagnat erklärte, angesichts der "offenen Feindseligkeiten" Pjöngjangs sei ein Treffen mit Kim zum geplanten Termin "unangemessen". Trump sparte nicht mit der eigenen Drohung: "Sie sprechen von ihren nuklearen Fähigkeiten, doch unsere sind derart massiv, daß ich zu Gott bete, daß sie niemals zum Einsatz kommen." Interessanterweise hat Trump eine Hintertür für Verhandlungen offengelassen, indem er Kim für die Freilassung dreier US-Bürger eine Woche zuvor lobte und seine Hoffnung zum Ausdruck brachte, daß sich die beiden Männer irgendwann doch noch treffen und ihren "wunderbaren Dialog" fortsetzen könnten.

In Seoul schlug die Nachricht von der Absage Trumps wie die sprichwörtliche Bombe ein. Eilends telefonierte Moon mit dem neuen US-Außenminister Mike Pompeo, der noch im April als CIA-Chef heimlich nach Pjöngjang gereist war und sich dort mit Kim getroffen hatte. Am 26. Mai kam es zu dem ungeplanten Treffen Moons mit Kim in Panmunjom, dem "Waffenstillstandsdorf" in der DMZ, und zum erneuten Bekenntnis beider Staatschefs zur friedlichen Beendigung des Koreakonflikts einschließlich der nuklearen Abrüstung Nordkoreas. Für die Ehrlichkeit des nordkoreanischen Willens zur Abrüstung spricht die Tatsache, daß trotz allen diplomatischen Geplänkels Pjöngjang am 25. Mai unter internationaler Aufsicht sowie der Anwesenheit ausländischer Journalisten mit der Zerstörung seines unterirdischen Testgeländes Punggye-ri begonnen hatte.

Folglich dauerte es nur wenige Stunden, bis Trump öffentlich von der Wiederaufnahme der Vorbereitungen für das Gipfeltreffen sprach (Tatsächlich soll eine amerikanische Delegation, geleitet vom US-Botschafter in den Philippinen, Sung Kim, der während der Präsidentschaft von Bush jun. die atomaren Abrüstungsgespräche mit Nordkorea führte, bereits Verhandlungen in Pjöngjang mit der Stellvertretenden Außenministerin Choe führen; parallel dazu haben Nordkorea und die USA Teams nach Singapur entsandt, um dort die ganze Logistik für das Gipfeltreffen zu arrangieren). Auf den Einwand irgendwelcher Journalisten, Kim betreibe ein Spiel mit den USA und meine es mit der "Denuklearisierung" nicht ernst, erwiderte Trump, der selbsternannte "Meister des Deals", belehrend, "jeder spielt".

Dennoch muß sich Amerikas Staatsoberhaupt weiterhin in Acht nehmen vor den Hardlinern in den eigenen Reihen. In der sonntäglichen Politrunde "This Week" des Fernsehsenders ABC behauptete am 27. Mai der republikanische Scharfmacher und Senator aus Florida, Marc Rubio, die Nordkoreaner verkauften Trump für dumm, "alles", was sie machten, wäre "nur Show". Am selben Tag warnte in der Sendung "Face the Nation" von CBS James Clapper, der unter Barack Obama Nationaler Geheimdienstkoordinator war, davor, daß Pjöngjang im Gegenzug für den Verzicht auf die eigenen Atomwaffen von den USA verlangen könnten, ihre strategischen Bomberflugzeuge aus Ostasien abzuziehen. Offenbar befürchten die vermeintlich großen Geostrategen in den USA, daß Trump auf der koreanischen Halbinsel Frieden bringen könnte. Gegen ein solches Szenario sträuben sie sich schon deshalb, weil dadurch der Verlust des eigenen strategischen Brückenkopfs auf dem asiatischen Kontinent, den die 28.500 US-Soldaten in Südkorea bilden, droht.

28. Mai 2018


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