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ASIEN/902: Koreakonflikt - Kriegsgründe gegen China ... (SB)


Koreakonflikt - Kriegsgründe gegen China ...


Überraschend hat am Freitag, den 24. August US-Präsident Donald Trump per Twitter die am Tag zuvor angekündigte vierte Reise seines Außenministers Mike Pompeo für die darauffolgende Woche nach Nordkorea gestrichen. Trump machte "mangelnden Fortschritt" bei der "Denuklearisierung" auf der koreanischen Halbinsel für seine plötzliche Entscheidung verantwortlich, gab jedoch nicht Pjöngjang hierfür die Schuld, sondern der Volksrepublik China. Wegen des aktuellen Handelsstreits zwischen den USA und China helfe Peking in Sachen Nordkorea nicht, beschwerte sich der New Yorker Immobilienmagnat. Die eigenwillige Kommunikation beendete Trump mit einem Grußwort an den nordkoreanischen Staatsratsvorsitzenden Kim Jong-un: "Wärmste Grüße und Respekt an die Adresse des Vorsitzenden Kim. Ich freue mich, ihn bald wiederzusehen."

Bis auf die freundliche Botschaft an Kim scheint bei der Trump-Administration wenig von der guten Stimmung übriggeblieben zu sein, welche die historisch erste Begegnung eines amerikanischen Präsidenten mit einem nordkoreanischen Staatsoberhaupt am 12. Juni in Singapur umflort hatte. Dafür haben die Amerikaner mit ihren überzogenen Forderungen und Erwartungen selbst gesorgt.

Seit dem Gipfeltreffen Kim-Trump hat Nordkorea eine ganze Reihe von Entspannungsmaßnahmen unternommen. Bei sämtlichen Atom- und Raketentests wurde ein Stopp verhängt. Man hat die Eingänge zum nuklearem Testgelände in Punggye-ri versiegelt, das Raketentestgelände in Sohai außer Dienst gestellt sowie den Betrieb in einem Montagewerk für Interkontinentalraketen nahe Pjöngjang vorerst ausgesetzt. Anfang August hat das nordkoreanische Militär den Amerikanern 55 Kisten mit Überresten einer unbekannten Anzahl vom im Koreakrieg gefallenen US-Soldaten übergeben. Die einstige Dauerkritik bezüglich der USA ist in den nordkoreanischen Staatsmedien nicht mehr zu vernehmen. Im Gegenteil wird dort Trump in der "Russiagate"-Affäre gegen seine "vielen innenpolitischen Feinde" sogar verteidigt. Im Gegenzug haben die USA ihrerseits lediglich ein gemeinsames Militärmanöver mit den südkoreanischen Streitkräften ausgesetzt.

Bereits beim letzten, dritten Besuch Pompeos in Pjöngjang im Juli scheint es zwischen beiden Delegationen ordentlich gekracht zu haben. Darauf deutete die Erklärung des nordkoreanischen Außenministeriums unmittelbar nach der Abreise des US-Chefdiplomaten hin. Ihm wurde vorgeworfen, die "einseitige, gangster-ähnliche Forderung nach Denuklearisierung" gestellt zu haben. Aus Pjöngjang kam die Warnung, das Vertrauen darauf, die Amerikaner verhandelten in guten Absicht, schwinde allmählich, und die Gespräche hätten eine "gefährliche" Phase erreicht. Mitte August enthüllte die Website Vox unter Verweis auf gut informierte Quellen, die Trump-Regierung verlange von den Nordkoreanern, daß sie 60 bis 70 Prozent ihrer Atomsprengköpfe innerhalb von sechs bis acht Monaten aushändigen - entweder an die USA oder ein Drittland. Was Washington im Gegenzug dafür geboten hat, ist nicht bekannt. Fest steht, daß die nordirischen Unterhändler die Forderung in den letzten zwei Monaten mehrmals als inakzeptabel zurückgewiesen haben.

Womit sich die USA vielleicht zunächst zufrieden geben könnten und wonach sie auch gefragt haben, ist eine komplette Aufstellung des nordkoreanischen Bestands an waffenfähigen Spaltmaterial und Atomsprengköpfen. Ihrerseits verlangen die Nordkoreaner eine formelle Beendigung des Koreakriegs, der seit 1953 bis heute lediglich durch einen Waffenstillstand unterbrochen wurde. Gegen die Idee einer Friedenserklärung - eine Vorstufe zum eigentlichen Friedensabkommen, wofür sich Kim Jong-un und der südkoreanischen Präsident Moon Jae-in seit Monaten erwärmen - wehren sich die USA mit Händen und Füßen. Als Grund hierfür wurde am 14. August in der New York Times die chinesische "Herausforderung" genannt:

Obwohl eine Friedenserklärung nicht dasselbe wie ein verbindlicher Friedensvertrag ist, würde sie den Prozeß in diese Richtung lostreten. Daraus folgte eine Diskussion über die Anzahl der notwendigen US-Soldaten in Südkorea.

(...)

Aus der Sicht einiger US-Regierungsvertreter stellt die US-Truppenpräsenz in Südkorea nicht nur eine Abschreckung gegenüber Nordkorea dar. Sie hilft auch den Vereinigten Staaten, einen militärischen Fußabdruck in Asien sowie eine globale Strategie amerikanischer Hegemonie aufrechtzuerhalten.

Dessen ungeachtet ist beiderseits der De-Militarisierten Zone (DMZ) am 38. Breitengrad die Diskussion "Erklärung gegen Erklärung" - nordkoreanische Rüstungsaufstellung gegen öffentliche Friedensvereinbarung - voll im Gange. Angeblich wollten Kim und Moon der Weltöffentlichkeit eine entsprechende Bekanntmachung anläßlich der Generalversammlung der Vereinten Nationen in der zweiten September-Hälfte in New York präsentieren. Inwieweit die geplatzte Pompeo-Reise diesen Plänen einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, ist unklar. Immerhin lassen Trumps "wärmste Grüße" an Kim die Hoffnung am Leben, daß beide Staatschefs demnächst am Rande des großen alljährlichen Diplomatentreffens in Manhattan zusammenkommen könnten.

Am 9. September finden in Pjöngjang die Feierlichkeiten zum 70. Gründungstag der Demokratischen Volksrepublik Korea, so der offizielle Titel Nordkoreas, statt. Zum großen Staatsfest werden sowohl Moon als auch der chinesische Präsident Xi Jinping erwartet. Ob beide Männer neben Kim auch die große Militärparade durch Pjöngjang abnehmen, hängt unter anderem davon ab, ob die Nordkoreaner in diesem Jahr darauf verzichten, ihre angeblich atomsprengkopffähigen Raketen zur Schau zu stellen. So oder so macht die neueste Wende im ostasiatischen Atompoker deutlich, daß die USA mit Nordkorea lediglich einen Stellvertreterkonflikt führen. Der eigentliche Gegner heißt für die Geostrategen in Washington nach wie vor China.

27. August 2018


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