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ASIEN/946: Manila - im Vorfeld der Verteilungskämpfe ... (SB)


Manila - im Vorfeld der Verteilungskämpfe ...


In den Beziehungen zwischen Manila und Washington herrscht eine schwere Krise, seit am 11. Februar die Philippinen das Visiting Forces Agreement (VFA) mit den USA aufgekündigt haben. Der formelle Austritt tritt in sechs Monaten in Kraft, sofern nicht bis dahin die US-Regierung die philippinischen Verbündeten zur Rücknahme der drastischen Maßnahme bewegen kann. Ohne das VFA, in dessen Rahmen die USA seit 1998 Soldaten auf die Philippinen zu Ausbildungs- und Manöverzwecken entsenden und dadurch mittels Rotation mehrere tausend Mann dort ständig stationiert haben, werden die Amerikaner ihre Militärpräsenz in der Inselrepublik erheblich abbauen müssen.

Hintergrund der drastischen Abkühlung des amerikanisch-philippinischen Verhältnisses ist die zunehmend aggressivere Haltung der USA gegenüber der Volksrepublik China. Die meisten Philippiner stehen der Aussicht, ihr Land könnte zum Austragungsort eines heißen Krieges zwischen den beiden Supermächten werden, absolut ablehnend gegenüber. Doch seit Donald Trump im Weißen Haus residiert, steigt die Gefahr eines amerikanisch-chinesischen Militärkonflikts unaufhaltsam an. Während der New Yorker Baulöwe seit 2017 einen schweren Handelskrieg mit der Volksrepublik vom Zaun gebrochen hat und die chinesische IT-Branche zu schwächen versucht, führen US-Marine und -Luftwaffe im Südchinesischen Meer regelmäßig provokante Manöver durch, um den Ansprüchen Pekings in der Region entgegenzutreten. Stets behaupten US-Diplomaten, Washington gehe es mit jener Aktionen um die Durchsetzung der "Navigationsfreiheit" im Südchinesischen Meer. Tatsächlich aber sind es die USA, die im Rahmen der Eindämmungsstrategie gegenüber China, an der Südkorea, Japan, Taiwan, Indien und Singapur beteiligt sind, die für den Kriegsfall eine Seeblockade der Volksrepublik vorbereiten.

Als US-Außenminister Mike Pompeo in einer betont martialischen Rede anläßlich eines Besuchs in Manila im vergangenen März den Ausbau chinesischer Inseln und Riffe im Südchinesischen Meer durch die Volksarmee aufs heftigste verurteilte und dabei versprach, die USA würden gemäß ihrer militärischen Beistandsverpflichtungen aus dem Jahr 1951 die Philippinen vor einem Überfall des nördlichen Nachbarstaats schützen, löste dies bei den Gastgebern blankes Entsetzen aus. Um die eigene Bevölkerung zu beruhigen, hat daraufhin der philippinische Verteidigungsminister Delfin Lorenzana eine sofortige Überprüfung des Mutual Defense Treaty (MDT) auf seine möglichen Risiken angeordnet.

Im Januar nahmen die Beziehungen eine dramatische Wende zum Schlechteren. Auslöser war die Weigerung des State Department in Washington, dem philippinischen Senator Ronald dela Rosa ein Einreisevisum zu erteilen. Dela Rosa ist ein enger politischer Verbündeter von Präsident Rodrigo Duterte. Der ehemalige Polizeichef der Stadt Davoa, wo Duterte selbst früher Bürgermeister war, hat von 2016 bis 2018 die extrem drakonische Antidrogenpolitik des Präsidenten umgesetzt. Kritiker machen dela Rosa deshalb für schwere Menschenrechtsverletzungen und polizeiliche Vergehen - darunter die außergerichtliche Hinrichtungen unzähliger mutmaßlicher Drogenkrimineller - verantwortlich.

In Reaktion auf das Einreiseverbot Washingtons für dela Rosa hat Duterte am 29. Januar allen seiner Kabinettsmitgliedern und höheren philippinischen Beamten Besuche in den USA offiziell untersagt und dies unter ausdrücklichem Hinweis auf das letztes Jahr vom Kongreß in Washington verabschiedete Global Magnitzky Act mit der möglichen Verhaftung durch übereifrige FBI-Beamte begründet. Vor der Presse erklärte Duterte, er selbst habe die Einladung des Weißen Hauses, am US-Association of Southeast Asian Leaders Summit teilzunehmen, der für den 4. März geplant ist, aus "strategischen, geopolitischen Erwägungen" ausgeschlagen. Kein Vertreter Manilas werde an dem nicht explizit, aber unterschwellig gegen China gerichteten Gipfeltreffen in der Zockerhöhle von Nevada teilnehmen, gab Duterte bekannt und drohte im selben Atemzug mit dem Ausstieg der Philippinen aus dem VFA. Am 12. Februar hat letztlich Außenminister Teodoro Locsin jun. die Umsetzung der Drohung in Form einer entsprechenden Depesche an die US-Botschaft in Manila bekanntgegeben.

In Washington fielen die Reaktionen auf den Entschluß der Duterte-Regierung unterschiedlich aus. Präsident Trump, der häufig das militärische Engagement der USA in Übersee als überzogen und zu kostspielig kritisiert, zeigte sich unbeeindruckt. Die Entscheidung der Philippinen spare den USA Geld und sei von daher prinzipiell zu begrüßen; die Menschen dort wüßten selbst am besten, wie die Sicherheit ihres Landes zu gewähren sei, so Trump. Dagegen machte sich bei der außenpolitischen Elite Konsternierung breit. Duterte begebe sich in die wirtschaftliche und politische Abhängigkeit Pekings; Washington dürften nicht zulassen, daß ein so strategisch wichtiges Land wie die Philippinen, um die die USA seit 1898 mehrere blutige Kriege geführt hätten, zum Vasallenstaat Pekings werde. So in etwa klang die Kritik in den US-Medien seitens befragter Politiker und Asienkenner.

Mark Esper dagegen gab sich entspannt. Gegenüber Reportern meinte der US-Verteidigungsminister, im Pentagon habe man nun 180 Tage, um mit den philippinischen Kollegen zu diskutieren, die wahren Gründe für den Entschluß zu erfahren und eine mögliche Kompromißlösung zu finden. Er lasse sich "nicht aus der Ruhe" bringen, in den kommenden Monaten stünden zwischen Washington und Manila "intensive Gespräche" bevor, sagte der ehemalige Raytheon-Lobbyist zuversichtlich. In den USA meint man aus der Kritik Dutertes, die Amerikaner würden nach dem Militärmanöver ihr teures Kriegsgerät wieder nach Hause nehmen und nichts davon in den Philippinen zurücklassen, einen Ansatz herausgehört zu haben, den man als Angelpunkt verwenden kann. Man hofft, durch die Aussicht auf qualitativ hochwertige Rüstungsgeschenke den heißköpfigen Präsidenten der Philippinen doch noch umstimmen zu können. Nebenbei aktiviert Washington die pro-amerikanischen Freunde im Parlament und beim Militär der Philippinen, um die bisher enge verteidigungspolitische Zusammenarbeit fortsetzen zu können. Für den Fall, daß sich eine rasche Einigung mit Manila nicht erzielen läßt, sorgen die USA rund um das Südchinesische Meer bereits vor - unter anderem durch den Ausbau Singapurs zu einer regelrechten Militärfestung an der Malakka-Straße sowie durch die Wiederinbetriebnahme der sich seit 1945 im Dornröschenschlaf befindlichen Hafenanlage auf Manus Island im Norden Papua-Neuguineas.

21. Februar 2020


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