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LATEINAMERIKA/2185: Kein Befreiungsschlag Obamas in der Kubapolitik (SB)


Blockade lediglich für Exilkubaner geringfügig gelockert


Die US-Regierung hat wie erhofft das Embargo gegen Kuba gelockert, doch wie befürchtet die Blockade in ihren wesentlichen Teilen bestätigt. Präsident Obama gibt damit im Vorfeld des Amerikagipfels der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), der am kommenden Wochenende in Trinidad und Tobago stattfindet, ein enttäuschendes Signal und erweist sich als wortgewandter Verkäufer alten Weins in neuen Schläuchen. Hatte Amtsvorgänger George W. Bush die Länder Lateinamerikas größtenteils vor den Kopf gestoßen, so verkörpert der Nachfolger im Weißen Haus die Scharade des US-amerikanischen Messias, der die verstreute Herde der Abtrünnigen wieder zusammentreiben und in den Pferch hegemonialer Unterwerfung zurückführen soll.

Kuba, das vom Treffen der 34 Staats- und Regierungschefs ausgeschlossen bleibt, wird zweifellos im inoffiziellen Mittelpunkt der Beratungen auf dem Gipfel stehen. Dort dürfte die Debatte um die Frage kreisen, ob man der neuen US-Regierung einen ersten Schritt in die richtige Richtung in der Erwartung zugute halten kann, daß ihm weitere folgen werden, oder im Gegenteil zur Last legen muß, die Chance eines bahnbrechenden und überzeugenden Befreiungsschlags in der Lateinamerikapolitik nicht genutzt zu haben.

Von der geringfügigen Lockerung der Blockade profitieren in erster Linie US-Bürger kubanischer Abstammung, die künftig unbegrenzt nach Kuba reisen und beliebige Geldsummen dorthin überweisen dürfen, sofern die Empfänger nicht hochrangige Regierungsmitglieder oder Parteifunktionäre sind. Auch können Geschenkpakete verschickt werden, wobei die Liste zulässiger Artikel erweitert wurde. Nicht zuletzt wird es US-amerikanischen Telekommunikationsunternehmen erlaubt, Lizenzen für Geschäfte auf der Karibikinsel zu beantragen. Sollte die kubanische Regierung es gestatten, möchte die Obama-Administration Fernsehen, Radio, Mobilfunk und Internetservice auf Kuba wesentlich verbessern, um die Bevölkerung stärker als bislang möglich mit ausländischen Einflüssen zu verbinden. Hingegen hat der US-Präsident Regierungsangaben zufolge nicht vor, das Handelsembargo zu lockern oder US-Bürgern nicht-kubanischer Abstammung Reisen auf die Insel zu gestatten.

Schon in seinem Wahlkampf hatte der Präsidentschaftskandidat Obama eine Lockerung der Bestimmungen ins Auge gefaßt, sie jedoch zugleich mit dem Ziel eines Regierungswechsels in Havanna verknüpft. Wie er im Mai 2008 vor Tausenden Exilkubanern in Miami verkündete, gebe es keine besseren Botschafter der Freiheit als Amerikaner kubanischer Abstammung. Deren Geldüberweisungen machten die Angehörigen in der alten Heimat weniger abhängig von der Castro-Regierung. Wer dies als taktische Konzession an die politische Klientel der reaktionären exilkubanischen Fraktion mißdeutet haben mochte, sieht sich heute mit derselben strategischen Linie konfrontiert.

Wie der Pressesprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, nun erklärte, wünsche sich der Präsident mehr Freiheiten für das kubanische Volk, wozu die nunmehr genehmigten Maßnahmen beitragen sollten. Um wirkliche Freiheit für alle Kubaner zu erreichen, müsse die Regierung des Inselstaats jedoch noch einige Veränderungen einleiten. Dem fügte der Lateinamerika-Direktor des Nationalen Sicherheitsrats, Dan Restrepo, hinzu, man reiche dem kubanischen Volk die Hand, um seinen Wunsch nach einer selbstbestimmten Zukunft zu unterstützen. Es komme vor allem darauf an, Raum zu schaffen, in dem die Kubaner eine Art Graswurzeldemokratie entwickeln können, wie sie notwendig sei, um Kuba in eine bessere Zukunft zu führen. Wenngleich vergleichsweise zurückhaltend in der Wortwahl, stellt die neue US-Regierung damit doch klar, daß eine Politik gegenseitigen Respekts, der Nichteinmischung und der Annäherung auf gleicher Augenhöhe auch mit ihr nicht zu haben ist. Sie betreibt den Sturz der Regierung in Havanna und die Umwälzung des kubanischen Gesellschaftssystems, worunter alle sogenannten humanitären Maßnahmen subsumiert werden.

Zudem bricht sich Obama keinen Zacken aus der Krone, wenn er den rund 1,5 Millionen US-Amerikanern entgegenkommt, die Familienangehörige auf der Karibikinsel haben. Die Stimmung in diesen Kreisen geht eindeutig in Richtung vermehrter Kontakte mit den Verwandten, die unter dem repressiven Kurs der Bush-Regierung erheblich eingeschränkt wurden, was bei der Mehrzahl der Exilkubaner auf wenig Gegenliebe stieß. Selbst die Cuban American National Foundation als einflußreichste exilkubanische Organisation hat vor wenigen Tagen unumwunden eingeräumt, daß die jahrzehntelange Blockadepolitik nicht geeignet war, die Regierung in Havanna zu Fall zu bringen. Wie Stiftungspräsident Francisco J. Hernandez erklärte, werde die neue US-Politik das kubanische Volk dabei unterstützen, Veränderungen im Land herbeizuführen. Unter dem Gesichtspunkt des Stimmenfangs und der Werbung für seine Politik geht Obama also kein Risiko ein, sondern verschafft sich im Gegenteil sogar Vorteile. Von einer mutigen Initiative des neuen Präsidenten zu sprechen, geht auch in dieser Hinsicht an der Sache vorbei.

Die nicht einmal halbherzige, sondern taktischem Kalkül geschuldete Kampagne wird von etlichen Mitgliedern des US-Kongresses wie auch hochrangigen lateinamerikanischen Politikern kritisiert, die zu einem umfassenden Dialog zwischen Washington und Havanna aufrufen. So sprach Chiles früherer Präsident Ricardo Lagos von "zweierlei Maß" in der aktuellen US-Politik. Wenn die neue Administration sogar zu Gesprächen mit Staaten bereit sei, die bislang der "Achse des Bösen" zugeschlagen wurden, sei kaum nachvollziehbar, warum die US-Regierung nicht mit Kuba sprechen wolle.

14. April 2009