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LATEINAMERIKA/2240: Kolumbien gewährt US-Truppen Zugang zu drei Stützpunkten (SB)


Erweiterte militärische Zusammenarbeit bereits beschlossene Sache


Kolumbien bleibt auch unter der Präsidentschaft Barack Obamas der engste Verbündete der Vereinigten Staaten in Lateinamerika. Das unterstreicht das geplante Militärabkommen zwischen Washington und Bogotá, das US-Truppen Zugang zu drei kolumbianischen Stützpunkten gewähren soll. Die erweiterte militärische Zusammenarbeit betrifft Nutzungsrechte der Basen Malambo im Norden, Apiay im Süden und Palanquero in der Landesmitte, wodurch die weiträumige Überwachung einer riesigen Region möglich wird. Nachdem es der ecuadorianische Präsident Rafael Correa mit Unterstützung des Parlaments abgelehnt hatte, den 1999 mit der US-Luftwaffe geschlossenen Vertrag über die Nutzung des am Pazifik gelegenen Stützpunkts Manta zu verlängern, sah sich das US-Südkommando gezwungen, andernorts die Kontroll- und Zugriffsoptionen zu wahren. Frühzeitig war eine verstärkte Präsenz in Kolumbien im Gespräch, da dort bereits US-Truppen stationiert sind und ohnehin kaum ein anderes Land in Südamerika zu einem derartigen Schritt bereitgewesen wäre.

Die Stützpunkte auf kolumbianischem Boden dienen mehreren strategischen Zielen, als deren erstes der Krieg gegen die Guerilla und die Wahrung US-amerikanischer Interessen im Lande selbst zu nennen sind. Hinzu kommt die Überwachung des nördlichen Südamerika und der Karibik, wobei einerseits Venezuela und dessen Verbündete ins Visier genommen werden und andererseits der Griff nach dem Amazonasgebiet mit seinen immensen Ressourcen forciert wird. Wenngleich die Details des Abkommens, das offenbar im August unterzeichnet werden soll, größtenteils geheimgehalten werden, verlautete doch aus Regierungskreisen in Bogotá, daß Kolumbien zur wichtigsten Basis des Pentagons in der Region ausgebaut werden soll.

Wie weit die Vorbereitungen bereits gediehen sind, macht die Zusage Barack Obamas deutlich, der für die Modernisierung des Stützpunkts Palanquero 46 Millionen Dollar bewilligt hat. Zugleich versucht man in Washington den irreführenden Eindruck zu erwecken, bei dem Abkommen handle es sich lediglich um eine Erneuerung der seit zehn Jahren bestehenden militärischen Zusammenarbeit im Rahmen des "Plan Colombia". Wohl trifft es zu, daß die aktuelle Entwicklung ganz auf der Linie des Vorhabens liegt, die kolumbianischen Rebellen aus dem Feld zu schlagen und insbesondere die seit 1964 kämpfenden Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) zu bezwingen. Dennoch reichen die nun publik gewordenen Pläne weit über die bestehende militärische Zusammenarbeit hinaus, da mit der verstärkten Stationierung US-amerikanischer Truppen zwangsläufig Interventionsgefahr aller Art droht.

Offiziellen Angaben zufolge dürfen derzeit unter dem Kolumbienplan 800 US-Militärberater und 600 andere Vertragspartner in Kolumbien stationiert werden, die vom Stützpunkt Tres Esquinas im Süden des Landes aus operieren. Die Obergrenzen wurden vom US-Kongreß festgelegt, in dem zumindest dann und wann Stimmen laut werden, die vor einem weiteren Vietnam warnen. Gelegentlich erfährt man dank einer undichten Stelle oder irgend eines ominösen Vorfalls, daß wesentlich mehr US-Amerikaner auf die eine oder andere Weise militärisch und geheimdienstlich in dem südamerikanischen Land tätig sind und nicht zuletzt private Sicherheitsdienstleister die tatsächlichen Aufgaben ihrer Mitarbeiter zu verschleiern pflegen, um sie der Statistik und natürlich jedweder parlamentarischen Kontrolle zu entziehen.

Wenn sowohl US-amerikanische als auch kolumbianische Regierungskreise beteuern, das neue Abkommen vereinfache lediglich die Zusammenarbeit, ohne das Militärpersonal zu erhöhen, kann man getrost vom Gegenteil ausgehen, nämlich einer Legalisierung der Eskalation. Die Führung in Bogotá versucht offensichtlich, die Opposition zu übertölpeln und den erwarteten Einwänden auf dem Vorweg das Wasser abzugraben, indem sie nahezu vollendete Tatsachen schafft. Mit Ländern wie den USA Abkommen zu erzielen, die Hilfe im Kampf gegen den "Terrorismus und Drogenhandel" gewähren, liege im größten Interesse Kolumbiens, verteidigte Präsident Alvaro Uribe die weit gediehene Initiative, während ihm Verteidigungsminister Freddy Padilla mit der unglaubwürdigen Versicherung zur Seite sprang, kolumbianische Generäle führten weiterhin das Kommando über die Stützpunkte, zu denen die USA Zugang erhalten sollen.

Da die kolumbianische Verfassung vorschreibt, daß Entscheidungen über ausländische Truppenbewegungen auf nationalem Territorium mit dem Staatsrat besprochen und vom Senat gebilligt werden müssen, kann man im Grunde von einem Verfassungsbruch sprechen, da die Bereitstellung der Stützpunkte schon vor dem Treffen mit dem Staatsrat bekanntgegeben wurde. Abschließend geklärt ist offenbar noch gar nichts, wobei die Debatte in Parlament und Gremien lediglich der Form halber nachvollziehen und absegnen soll, was die Regierung längst im Alleingang auf den Weg gebracht hat. [1]

Neben der ohnehin kaum noch bestehenden Souveränität Kolumbiens, auf deren Verletzung man in südamerikanischen Ländern auf Grund leidvoller Erfahrung besonders empfindlich reagiert, ist es die Sicherheit der Nachbarländer, welche die neuen US-Stützpunkte unmittelbar bedrohen. Am stärksten belastet sind zwangsläufig die Beziehungen zu Venezuela, dessen Präsident Hugo Chávez eine Überprüfung der diplomatischen Beziehungen ankündigte. Er wies die fadenscheinige Behauptung zurück, es handle sich weiterhin um kolumbianische Stützpunkte, und kritisierte die Entscheidung im Nachbarland, denjenigen die Tür zu öffnen, die ständige und immer neue Aggressionen gegen Venezuela wie auch andere Länder vorbereiteten. [2]

Auch in Ecuador, wo man die US-Streitkräfte nicht nur hinausgeworfen, sondern in der neuen Verfassung jegliche ausländische Militärpräsenz untersagt hat, muß man die Nutzung kolumbianischer Stützpunkte durch US-Truppen als potentielle Bedrohung einstufen. Im vergangenen Jahr hatten kolumbianische Einheiten unter US-Beteiligung ein Lager der FARC auf ecuadorianischem Staatsgebiet überfallen und alle Insassen, darunter Comandante Raúl Reyes, ermordet. Die Brachialgewalt dieser Grenzverletzung, die einen Regionalkrieg auszulösen drohte, verdankte sich einem weitreichenden strategischen Manöver, die FARC international zu isolieren, die Vermittlung des venezolanischen Präsidenten zu sabotieren und mit der Trickkiste angeblich erbeuteter Datenträger belastendes Material für alle erdenkliche Zwecke zu fabrizieren.

Kritik an dem angekündigten Militärabkommen wurde auch aus Nicaragua laut, dessen Regierung unter Präsident Daniel Ortega zu den Bündnispartnern Venezuelas zählt. Wie es in Managua hieß, lehne man die Ausweitung militärischer Präsenz der US-Streitkräfte in den Anden und der Karibik entschieden ab, zumal man im Gegenteil vielerorts in diesen Regionen darum ringe, den hegemonialen Einfluß Washingtons zurückzuweisen.

Der kolumbianische Außenminister verteidigte das geplante Abkommen und verbat sich jegliche Einmischung anderer Regierungen in die inneren Angelegenheiten seines Landes, dessen Führung niemals ein Urteil darüber abgebe, was die Nachbarn zu tun und lassen pflegten. Rückendeckung bei dieser dreisten Behauptung erhielt er von US-Botschafter William Brownfield, der treuherzig versicherte, die Vereinigten Staaten hätten derzeit nur etwa 250 Soldaten in Kolumbien stationiert, die größtenteils als Berater der einheimischen Streitkräfte tätig seien. Die Beschwichtigungskampagne unter dem Motto, alles bleibe beim alten, wenn man künftig nicht mehr von Ecuador, sondern Kolumbien aus Jagd auf Drogenschmuggler mache, strapaziert die Gutgläubigkeit - um nicht zu sagen Naivität - ihrer Adressaten aufs Äußerste. [3]

Kolumbien hat bislang mehr als fünf Milliarden Dollar Militärhilfe aus Washington erhalten, weshalb die Führung in Bogotá darauf setzen kann, daß diese finanzielle Quelle ihrer Macht auch künftig sprudeln wird und ein Inseldasein in einem nicht eben freundlich gesonnenen Umfeld rechtfertigt und honoriert, das sich in den zurückliegenden Jahren in einem historisch beispiellosen Maße von der Dominanz der Vereinigten Staaten emanzipiert hat. Um so bedeutsamer wird die strategische Funktion Kolumbiens als Brückenkopf US-amerikanischen Einflusses in Südamerika, was Assoziationen mit Israel und Ägypten durchaus zuläßt, deren Kriegskasse noch stärker als die kolumbianische von Washington gefüllt wird.

Anmerkungen:

[1] junge Welt 22.07.09

[2] ebenda

[3] New York Times 23.07.09

23. Juli 2009