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LATEINAMERIKA/2241: Zelaya will auf dem Landweg nach Honduras zurückkehren (SB)


Verbündete begleiten den Präsidenten auf dem Weg zur Grenze


"Wir kommen mit einer weißen Flagge und wollen Versöhnung für die Menschen in Honduras verkünden." Nach diesen Worten, die Präsident Manuel Zelaya seinen Freunden und Anhängern auf einer Pressekonferenz in Managua zugerufen hatte, brach er an der Spitze eines Konvois von etwa 50 Fahrzeugen nach Norden auf, wo er nahe der Stadt D'Esteli die Grenze überqueren und unbewaffnet in seine Heimat zurückkehren will. In seiner Begleitung sollen sich auch seine Familie, Mitarbeiter aus Honduras, Verbündete aus Nicaragua wie der früheren Guerillaführer Eden Pastora, der venezolanische Außenminister Nicolas Maduro und Dutzende Korrespondenten internationaler Medien befinden. [1]

Die Putschistenregierung bekräftigte erneut ihre Absicht, Zelaya wegen "Hochverrats" und "Machtmißbrauchs" unverzüglich festzunehmen, sobald er honduranischen Boden betritt. Sie verhängte eine nächtliche Ausgangssperre für die Grenzregionen und postierte Sicherheitskräfte an den Übergängen. Der sogenannte Außenminister Carlos López Contreras sagte im spanischsprachigen Nachrichtensender CNN, Zelayas Rückkehr als Präsident sei "unmöglich". Über alles andere könne verhandelt werden. Das Verteidigungsministerium lehnte jede Verantwortung für die Sicherheit von Personen ab, die in gewaltsame Auseinandersetzungen verwickelt würden. [2]

Ungeachtet dieser Drohungen seitens der Putschisten bereiten sich auch die Anhänger des gestürzten Staatschefs auf dessen Ankunft vor. Sie versuchen zu Tausenden, an die Grenze zu gelangen, um ihn dort in Empfang zu nehmen und mit ihm in die Hauptstadt zu marschieren. Zuvor hatten sie einen Generalstreik ausgerufen und wichtige Verkehrswege, Häfen und zentrale Gebäude besetzt, um dem Präsidenten den Weg nach Tegucigalpa zu ebnen.

Der erste Versuch einer Rückkehr Zelayas war eine Woche nach seiner Entmachtung gescheitert. Am 5. Juli hatten sich Tausende seiner Anhänger auf dem Flughafen von Tegucigalpa versammelt, um den Präsidenten zu empfangen und zu schützen, der in einem venezolanischen Flugzeug eintraf. Soldaten blockierten jedoch die Rollbahn und verhinderten so die Landung der Maschine. Bei Auseinandersetzungen mit der Menschenmenge erschossen die Sicherheitskräfte mindestens einen Demonstranten und verletzten zahlreiche weitere, als sie die Anhänger Zelayas gewaltsam in die Flucht trieben. [3]

Costa Ricas Präsident Oscar Arias hatte als offizieller Vermittler einen Plan vorgelegt, der zwar die Wiedereinsetzung Zelayas als Präsident vorsieht, jedoch seine Handlungsmöglichkeiten drastisch beschneidet, ihm einen Verzicht auf die Abstimmung über die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung abverlangt und eine Generalamnestie beinhaltet. Obgleich dieser vorgebliche Kompromißvorschlag zu Lasten Zelaya ging, stimmte dieser dem Plan zu, der jedoch von den Putschisten zurückgewiesen wurde. Die Möglichkeit einer Annäherung der Konfliktparteien wurde endgültig zunichte gemacht, als die sogenannte Übergangsregierung den Vermittlungsvorschlag zwar an den Kongreß und den Obersten Gerichtshof weiterleitete, jedoch ankündigte, daß die beiden Instanzen aller Voraussicht nach bei ihrem Nein gegenüber einer Rückkehr Zelayas bleiben würden. Unter diesen Umständen ließ sich Zelaya auf keine weiteren Verzögerungsmanöver ein und erklärte die Vermittlung durch Oscar Arias für "vollkommen gescheitert".

Menschenrechtsgruppen haben unterdessen die "gravierenden und systematischen Verletzungen" der Bürgerrechte seit Übernahme der Macht durch die Putschregierung unter dem sogenannten Interimspräsidenten Roberto Micheletti am 28. Juni scharf kritisiert. Da die Medien einer systematischen Zensur unterworfen sind und Korrespondenten ausländischer Sender des Landes verwiesen wurden, wird der Bevölkerung ein Zerrbild der herrschenden Verhältnisse vorgegaukelt und insbesondere der Widerstand gegen das Regime verschwiegen. In mehreren Landesteilen finden täglich Protestaktionen statt, denen die Sicherheitskräfte mit Drohungen und Verhaftungen begegnen. An solchen Brennpunkten der Auseinandersetzung marschieren Truppen auf, um die Menschen einzuschüchtern und Unruhen im Keim zu ersticken.

Bislang wurden auf seiten des Widerstands vier Tote gezählt, darunter der 19jährige Isid Obed Murillo, den am 5. Juli auf dem Flughafen von Tegigalpa Soldaten durch einen Schuß in den Hinterkopf umgebracht haben. Wenig später wurde der Vater des Opfers, David Murrillo, von der Polizei festgenommen. Der bekannte Umweltschützer sitzt ohne stichhaltige Anklage im Gefängnis und kann nach Angaben der zuständigen Richter nicht mit einer Freilassung rechnen. Von einer unabhängigen Justiz und einer Verfolgung der Schuldigen für Übergriffe auf die Bevölkerung kann derzeit in Honduras keine Rede sein. [4]

Die noch in der Hauptstadt verbliebenen Diplomaten und Angestellten der venezolanischen Botschaft wurden von der Putschregierung zum Verlassen des Landes aufgefordert, wollen dieser Zwangsmaßnahme aber nicht Folge leisten. Wie der Geschäftsträger Venezuelas in Honduras, Uriel Vargas, gegenüber Pressevertretern erklärte, erkenne Caracas die Regierung Roberto Michelettis nicht an, da es sich um eine "De-facto-Regierung von Putschisten" handle, "die sich auf die Bajonette stützt". [5]

Würden sich sämtliche Regierungen der Hemisphäre so entschieden für die Rückkehr Zelayas einsetzen wie die Venezuelas, wäre dem Treiben des Regimes bald ein Ende gesetzt. Wie der honduranische Präsident nach dem Scheitern der Verhandlungen in San José sagte, hätten die Putschisten die internationale Gemeinschaft hinters Licht geführt. Das Regime Roberto Michelettis sei international vollständig isoliert. Nun müßten die USA und andere führende Staaten ihren Druck erhöhen: Wenn das geschehe, werde der Putsch binnen weniger Stunden beendet sein. Washington sieht jedoch nach wie vor von allen einschneidenden Sanktionen ab und signalisiert den Putschisten damit, daß ihre Verzögerungstaktik allen Lippenbekenntnissen der US-Regierung zum Trotz durchaus favorisiert wird.

Manuel Zelaya ist in seinen Forderungen von der honduranischen Widerstandsbewegung überholt worden, deren entschiedenste Vertreter nicht bereit sind, eines fadenscheinigen Kompromisses wegen preiszugeben, wofür sie seit Wochen kämpfen. Die Nationale Widerstandsfront gegen den Staatsstreich lehnte außer der sofortigen Wiedereinsetzung des rechtmäßigen Präsidenten alle weiteren Punkte des Vermittlungsvorschlags ab. Die Putschisten dürften weder in die von Arias vorgeschlagene "Regierung der nationalen Versöhnung" einbezogen werden, noch von Straflosigkeit profitieren. Auch beharre man auf einem politischen Prozeß, der eine demokratische Partizipation durch die Einrichtung einer Nationalen Verfassunggebenden Versammlung möglich macht. Will Zelaya das in Angriff genommene Werk gesellschaftlicher Umgestaltung über das nahe Ende seiner Amtszeit hinaus am Leben erhalten und stärken, sollte er vor allem auf jenen Teil seiner Landsleute vertrauen, die längst nicht mehr nur hinter ihm stehen, sondern in vorderster Front voranschreiten.

Anmerkungen:

[1] Zelaya zieht mit weißer Fahne gen Honduras.
(Zeit online vom 24.07.09)

[2] Zelaya fährt mit Autokonvoi Richtung Honduras.
(spiegel.de vom 24.07.09)

[3] Honduras' gestürzter Präsident auf dem Weg in die Heimat. (google.com/hostednews/afp vom 24.07.09)

[4] Repression in Honduras ist deutlich spürbar.
(Neues Deutschland vom 23.07.09)

[5] Über die Grenze. Zelaya will heute nach Honduras zurückkehren. Gewerkschaften unterstützen rechtmäßigen Präsidenten mit Generalstreik (junge Welt vom 23.07.09)

24. Juli 2009