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LATEINAMERIKA/2256: Zehntausende demonstrieren für Rückkehr Zelayas (SB)


Auseinandersetzungen zwischen Widerstand und Sicherheitskräften


In Honduras haben die Auseinandersetzungen zwischen der Bewegung des Nationalen Widerstands und den Sicherheitskräften der Putschisten einen neuen Höhepunkt erreicht. Aus allen Teilen des Landes hatten sich Zehntausende Menschen auf den Weg gemacht, um in Tegucigalpa und San Pedro Sula zu Demonstrationen und Großkundgebungen zusammenzutreffen. Die Anhänger des am 28. Juni gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya mußten teilweise mehr als hundert Kilometer in tagelangen Fußmärschen zurücklegen, auf denen sie vielerorts von der Bevölkerung mit Speisen und Getränken versorgt wurden. Am Ziel angekommen, wurden die Menschen untergebracht und verpflegt, wofür die Widerstandsbewegung zahlreiche Spenden und tatkräftige Hilfe erhielt. In der Wirtschaftsmetropole San Pedro Sula traf ein erster Demonstrationszug ein, der von Zelayas Ehefrau Xiomara Castro angeführt wurde. Beider Tochter Hortensia begrüßte auf einer Kundgebung in Tegucigalpa mehr als 10.000 Teilnehmer. Gewerkschaften riefen die Beschäftigten im Gesundheitswesen, der Elektrizitätswerke und des Telefonunternehmens dazu auf, sich dem Streik anzuschließen, der bereits seit geraumer Zeit vor allem von Lehrern und anderen Staatsbediensteten getragen wird. [1]

Um ein Zusammentreffen der Demonstranten mit einer Delegation der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zu verhindern, die in dieser Woche nach Honduras reisen wollte, hatte das Regime den sechs Außenministern den Besuch untersagt. Wie es seitens der Putschregierung hieß, könne man die Delegation nicht empfangen, solange ihr OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza angehört. Später machte der sogenannte Übergangspräsident Roberto Micheletti einen Rückzieher und erklärte, man akzeptierte die Teilnahme Insulzas, wenn dieser nur als Beobachter teilnehme. Nach Angaben des Generalsekretärs wird die Delegation nun frühestens Ende der kommenden Woche in der honduranischen Hauptstadt eintreffen.

Nachdem es bei einer Großkundgebung für die Rückkehr Zelayas in der Hauptstadt Tegucigalpa zu schweren Ausschreitungen gekommen war, verhängte die Putschregierung eine nächtliche Ausgangssperre und mobilisierte zusätzliche Polizisten, um die Versammlung aufzulösen. Als ein Verkehrspolizist auf einen demonstrierenden Motorradfahrer scharfe Schüsse abgab, griffen wütende Kundgebungsteilnehmer amerikanische Fast-Food-Restaurants mit Steinen an. Dabei gingen Fensterscheiben und Eingangstüren zu Bruch. Ein Restaurant im Zentrum wurde in Brand gesetzt und zerstört. Wie sich zeigte, richtet sich der Zorn zunehmend gegen die USA, deren Beteiligung am Putsch und an der Verhinderung einer Rückkehr Zelayas vielen Menschen klar ist. [2]

Am folgenden Tag kam es erneut zu Zusammenstößen zwischen Anhängern des gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya und den Sicherheitskräften. Die Polizei ging in der Hauptstadt Tegucigalpa mit Tränengas und Schlagstöcken gegen Tausende Demonstranten vor, die sich auf den Weg zum Parlamentsgebäude gemacht hatten. Gegner der Putschisten warfen Steine auf Polizisten und zertrümmerten Schaufenster. Einige griffen den Vizepräsidenten des Parlaments, Ramon Velazquez, an, der den Sturz Zelayas am 28. Juni unterstützt hatte. Der Abgeordnete blieb eigenen Angaben zufolge unverletzt. Bei den Auseinandersetzungen wurden nach Polizeiangaben 55 Demonstranten verhaftet. Weitere 40 Anhänger Zelayas wurden in einem Hochschulgebäude festgenommen, das den aus dem ganzen Land angereisten Demonstranten als Schlafsaal dient. Die Polizei begründete dies mit Hinweisen auf die Herstellung von Brandsätzen. Auch im Wirtschaftszentrum San Pedro Sula kam es zu Zusammenstößen. [3]

Präsident Zelaya, der am Gipfel der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) in Quito teilgenommen hatte und nach Brasilien weitergereist war, appellierte erneut an die USA, sich stärker für die Beilegung der Krise in seinem Land einzusetzen. Diese "Anschläge auf die Demokratie" dürften sich nicht wiederholen. Unterdessen haben in Washington Vertreter der Demokratischen Partei Präsidenten Barack Obama aufgefordert, scharfe Maßnahmen gegen die Verantwortlichen des Putsches zu ergreifen. Die fünfzehn Kongreßabgeordneten schlugen in ihrem Schreiben vor, Vertreter der Interimsführung an der Einreise in die USA zu hindern sowie ihre Konten bei US-Banken einzufrieren. Es habe sich inzwischen zweifelsfrei herausgestellt, daß die Übergangsregierung nur durch entschlossene Aktionen dazu veranlaßt werden könne, die Demokratie wiederherzustellen.

Von Anfang an hatten die Regierungen der lateinamerikanischen Länder schärfer auf den Staatsstreich in Honduras reagiert und sich für Maßnahmen ausgesprochen, welche die Putschisten nicht nur isolieren, sondern auch spürbar unter Druck setzen. So teilten nun die argentinischen Organisatoren eines bevorstehenden regionalen Militärtreffens mit, Vertreter der honduranischen Streitkräfte seien angesichts ihrer Beteiligung am Sturz Zelayas bei der Zusammenkunft nicht willkommen.

Hingegen hält sich die US-Regierung, der die weitaus wirksamsten Mittel zu Gebote stehen, dem Spuk ein rasches Ende zu setzen, mit ernsthaften Sanktionen nach wie vor zurück. Wie schon der gescheiterte Putsch gegen Hugo Chávez in Venezuela und die gelungene Vertreibung Jean-Bertrand Aristides in Haiti fällt auch der Umsturz in Honduras unter die Kategorie der verdeckten Intervention, bei der einheimische Oppositionelle unterstützt und angespornt werden, gewählte Präsidenten und Regierungen zu vertreiben, deren Kurs Washington und den heimischen Eliten ein Dorn im Auge ist. Auf diese Weise kann die US-Administration ihre Hände in Unschuld waschen und behaupten, das Volk der betreffenden Länder sei eines Regimes müde geworden und habe die Demokratie wiederhergestellt.

Schon auf Grund der engen Kontakte zu den honduranischen Streitkräften und der US-Wirtschaftsinteressen in dem mittelamerikanischen Land konnte ein Putsch unmöglich ohne Wissen und Billigung US-amerikanischer Geheimdienste, Militärs und Diplomaten durchgeführt werden. Daß die Obama-Regierung einerseits Manuel Zelaya zum rechtmäßigen Präsidenten erklärt, aber andererseits die Verzögerungstaktik der Putschisten mitträgt, offenbart eine perfide Doppelstrategie, die Konsequenzen aus früheren taktischen Fehlern gezogen hat.

Anmerkungen:

[1] Sternmarsch nach Tegucigalpa (12.08.09)

junge Welt

[2] Nächtliche Ausgangssperre in Honduras. Reaktion auf gewalttätige Demonstrationen von Zelaya-Anhängern (12.08.09)
NZZ Online

[3] Reibereien zwischen Polizei und Zelaya-Anhängern in Honduras (13.08.09)
http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5iy_l4kgL41GBIwfL23eiR1pYYYkQ

13. August 2009