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LATEINAMERIKA/2268: Widerstandsfront gegen den Staatsstreich läßt nicht locker (SB)


Putschisten wollen ihr Regime bis zur Novemberwahl durchtragen


Bei einer Pressekonferenz in Managua hat Manuel Zelaya erneut auf seine Rückkehr ins honduranische Präsidentenamt bestanden und allen gegenteiligen Vorschlägen eine Absage erteilt. Dies sei eine unverzichtbare Bedingung für einen transparenten und demokratischen Wahlgang am 29. November, der andernfalls mit einem Versuch der Putschregierung gleichzusetzen wäre, den Staatsstreich zu legitimieren. Dieser Auffassung schloß sich der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten, José Miguel Insulza, an, der in einem Interview mit der chilenischen Tageszeitung "La Tercera" ein Abkommen zur Beendigung der Krise von der Rückkehr Zelayas abhängig machte. Die Interimsregierung lasse in dieser zentralen Frage keine Kompromißbereitschaft erkennen, so daß es unter diesen Voraussetzungen keine Annäherung geben könne. Um den Ausgang der Novemberwahl anzuerkennen, müßten mindestens 22 Mitgliedsländer der OAS die Suspendierung von Honduras aufheben, was nach aktueller Lage der Dinge sehr unwahrscheinlich sei. [1]

Der Unterhändler der Putschregierung, Arturo Corrales, wies auf einen Vorschlag des Interimspräsidenten Roberto Micheletti hin, den dieser der Delegation von Außenministern der OAS bei deren Besuch in Tegucigalpa vorgelegt hatte. Micheletti erklärte sich darin bereit zurückzutreten, sofern Zelaya auf den Rest seiner regulären Amtszeit verzichtet, die im Januar endet. Auch könne dieser im Falle einer Zustimmung mit einer begrenzten Amnestie rechnen. Wenig später widersprach Micheletti dem letzten Punkt jedoch im Fernsehsender Kanal 10 mit der Aussage, Zelaya müsse sich bei einer Rückkehr der Justiz stellen.

Würden Micheletti und Zelaya von der Präsidentschaft Abstand nehmen, käme gemäß der Verfassung der Präsident des Obersten Gerichtshofs, Jorge Rivera, an die Reihe, der den Putsch unterstützt hatte. Denselben fragwürdigen Vorschlag hatte Micheletti bereits im Juli eingebracht, was natürlich im Sande verlaufen war. Um seinen alten Wein in neuen Schläuchen als ernsthaftes Angebot zu verkaufen, hat der Interimspräsident nun hinzugefügt, internationale Beobachter seien bei der Wahl im November willkommen. Mit dieser durchsichtigen Hinhaltetaktik strapazieren die Putschisten offenbar selbst die Geduld der US-Regierung, die nicht umhin kann, Konsequenzen anzukündigen, will sie mit ihrer Verurteilung der Entmachtung Zelayas nicht vollends unglaubwürdig werden. [2]

Diese fortgesetzte Farce macht deutlich, daß die Putschisten die Rückkehr Zelayas unbedingt verhindern wollen und weiter auf Zeit spielen. Nachdem die Gespräche mit den Delegierten der OAS gescheitert waren, brachte Micheletti den neuen Vorschlag ins Spiel, bei dem er im wesentlichen alte Forderungen wiederholt. Auch die Ankündigung, man habe dem Präsidenten Costa Ricas, Oscar Arias, der als Vermittler fungiert hatte, eine Reihe diesbezüglicher Vorschläge zugesandt, dürfte auf derselben Linie der Verschleppung liegen.

Unterdessen setzt auch die US-Regierung ihren Eiertanz fort, der den Putschisten signalisiert, daß man sie in Washington zwar offiziell verurteilt, jedoch von schärferen Sanktionen nach wie vor absieht. Der Sprecher des Außenministeriums, Ian Kelly, erneuerte die Unterstützung für das von Arias eingebrachte Abkommen von San José, das eine Rückkehr Zelayas unter eingeschränkten Handlungsspielräumen sowie seinen Verzicht auf ein Referendum zur Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung vorsieht. Es sei jedoch vorerst noch unklar, wann Außenministerin Hillary Clinton die Entscheidung trifft, daß die Entmachtung Zelayas die rechtlichen Voraussetzungen eines Putsches erfüllt. Warum das bislang nicht geschehen ist, liegt auf der Hand: Würde die US-Regierung offiziell von einem Staatsstreich in Honduras sprechen, müßten 215 Millionen Dollar Hilfsgelder suspendiert werden, die im Rahmen eines Programms zur Armutsbekämpfung unter der Regie der Millennium Challenge Corp. an das mittelamerikanische Land gezahlt werden. Wenn Micheletti wiederholt erklärt hat, er fürchte keine Sanktionen, so konnte er dies vor allem deshalb tun, weil er die halbherzige Haltung der Obama-Administration als Rückendeckung interpretieren darf.

Gegenwärtig bereitet die Nationale Widerstandsfront gegen den Staatsstreich in Honduras eine Klage gegen Roberto Micheletti und Armeechef Romeo Vázquez Velázquez vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag vor. Human Rights Watch und die Interamerikanische Menschenrechtsorganisation haben bestätigt, daß es seit dem Putsch zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen gekommen ist. Ein Team von Juristen sammelt Einzelberichte über Repressionsfälle, um daraus eine umfassende Klageschrift zu erstellen. [3]

Der Gewerkschafter Juan Barahona weist als Generalkoordinator der Widerstandsfront als unmittelbare Ziele die Rückkehr der verfassungsmäßigen Ordnung und die Wiedereinsetzung des gewählten Präsidenten Manuel Zelaya aus. Daß sich die Widerstandsbewegung damit nicht zufriedengeben will, unterstreicht er mit dem Aufruf zum Kampf der sozialen Bewegungen für eine Verfassunggebende Versammlung. Diese soll die Voraussetzungen für eine partizipative Demokratie schaffen und eine Umgestaltung des sozialen Systems herbeiführen. Wie Barahona erläutert, leben in seinem Land 75 Prozent der Bevölkerung in Armut, während vierzehn Familien der Oberschicht gemeinsam mit ausländischen Konzernen 80 Prozent des Reichtums besitzen. Der Versuch Präsident Zelayas, diese Verhältnisse zu ändern, habe zum Putsch der Militärs, Unternehmer und ihrer politischen Verbündeten geführt. [4]

Da am 1. September offiziell die Kampagne für die Wahlen vom 29. November beginnt, hoffen die Putschisten offenbar, daß sie die schwierigsten Etappen ihres Staatsstreichs bewältigt haben und fortan auf eine vorgebliche Normalisierung der von ihnen gewaltsam herbeigeführten Verhältnisse hinarbeiten können. Wenngleich zahlreiche Staaten und internationale Organisationen bereits angekündigt haben, daß sie einen Urnengang unter diesen Umständen nicht anerkennen werden, ist das Regime vor allem auf Grund ausbleibender ernsthafter Sanktionen seitens der US-Regierung entschlossen, die Einwände gegen die Entmachtung Zelayas auszusitzen.

Berichte aus Kreisen des honduranischen Widerstands lassen darauf schließen, daß sich die Lage im Land weiter zuspitzt. In den staatlichen Krankenhäusern herrscht demnach ein zunehmender Mangel an lebenswichtigen Medikamenten und im August hat die Regierung die Gehälter der Angestellten im öffentlichen Dienst nicht bezahlt. Mit 60.000 Mitgliedern ist die Lehrergewerkschaft die stärkste Kraft der Widerstandsbewegung. Ihr Vorsitzender Bertín Alfaro hat im Gespräch mit der argentinischen Tageszeitung "Página 12" angekündigt, daß sich bei einer weiteren Verschärfung der Situation Guerillagruppen bilden sollen, wofür bereits 2.000 Menschen in Nicaragua ausgebildet würden. [5] Die entscheidende Auseinandersetzung um die gesellschaftlichen Verhältnisse in Honduras wird zwischen den Putschisten und dem Widerstand geführt, zu dem sich Regimegegner aus verschiedenen sozialen Sphären zusammengeschlossen haben. Das Kalkül der honduranischen Eliten und ihrer Unterstützer in den Mittelschichten, die Entfernung Manuel Zelayas aus dem Präsidentenamt werde ohne größere Gegenwehr über die Bühne gehen, hat sich als fundamentale Fehleinschätzung erwiesen.

Anmerkungen:

[1] OAS: Any Honduran deal must restore ousted leader (28.08.09)
Antiwar Newswire

[2] New Plan to End Honduran Standoff Resembles Failed Ones of Past (28.08.09)
New York Times

[3] "Gewalt bestimmt das Handeln der Putschisten" (28.08.09)
Neues Deutschland

[4] Die Bevölkerung kämpft für "Mel" (28.08.09)

Neues Deutschland

[5] Honduras: Lage verschärft sich (27.08.09)

junge Welt

31. August 2009