Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

MEDIEN/426: Helen Thomas entlarvt Barack Obama als Heuchler (SB)


Helen Thomas entlarvt Barack Obama als Heuchler

Grand Dame des Pressekorps am Weißen Haus verschont niemanden


Seit den Tagen John F. Kennedys gehört Helen Thomas dem Pressekorps im Weißen Haus an. Am Anfang war sie die erste Frau in diesem erlauchten Klub, seit einigen Jahren ist sie sein ältestes Mitglied. Aus nämlichen Grund sitzt Thomas bei Pressekonferenzen traditionell in der ersten Reihe und darf die Eröffnungsfrage an den Präsidenten oder seine Vertreter stellen. Nur George W. Bush hielt sich nicht an dieser Tradition, vermutlich weil Thomas tagaus, tagein seinen Sprechern Ari Fleischer, Scott McLellan, Tony Snow and Dana Perino mit kritischen Fragen zum 11. September, zu den nicht-existenten Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins, zum Stand der Kriege im Irak und Afghanistan und zur kollabierenden US-Volkswirtschaft das Leben schwer machte.

Am 9. Februar fand im Weißen Haus die erste offizielle Pressekonferenz des neuen US-Präsidenten Barack Obama statt. Der 47jährige Ex-Senator aus Illinois und erster schwarzer Präsident Amerikas hatte im Wahlkampf vollmündig "Wandel" versprochen, woraufhin ihn eine Welle der Hoffnung und der Verärgerung über die Ära von Bush jun. ins Weiße Haus spülte. Ob Helen Thomas bei dieser Begegnung Amerikas neuen Hoffnungsträger mit Samthandschuhen anfassen oder ihn genau in die Mangel nehmen würde, wie sie es mit seinen letzten acht Vorgängern getan hatte? Tatsächlich hat die inzwischen 88jährige Journalistin ihren jüngeren, nicht halb so mutigen Kollegen gezeigt, was die alte Schule noch aufzubieten hat, und hat Obama vor deren Augen als Heuchler demaskiert.

Bei der ersten Pressekonferenz nach der Präsidentschaftswahl hatte Obama am 7. November vergangenen Jahres unter anderem Irans "Entwicklung einer Atomwaffe" für inakzeptabel und erklärt, er würde alles in seiner Macht tun, um sie zu unterbinden - und das obwohl weder die US-Geheimdienste noch die internationale Atomenergieorganisation (IAEO) über Beweise für die Existenz einer iranischen Kernwaffenprogramm verfügen. Ähnlich hatte Obamas Vizepräsident Joseph Biden im Rahmen der ersten großen außenpolitischen Erklärung der neuen US-Regierung auf der Sicherheitskonferenz in München, zwei Tage vor besagter Pressekonferenz im Weißen Haus, die Iraner offen bezichtigt, ein "illegales Atomprogramm" zu betreiben, und dessen Einstellung gefordert. Diese konfrontative Haltung der Obama-Administration gegenüber Teheran, die sich, von einigen Erklärungen der prinzipiellen Dialogbereitschaft einmal abgesehen, von der der Bush-Regierung nicht wesentlich unterscheidet, lieferte Thomas die Vorlage für jene erste Frage an Obama, mit der sie den freundlich lächelnden, begabten Rhetoriker sichtlich aus dem Tritt brachte:

Kennen Sie irgendein Land im Nahen Osten, das Nuklearwaffen besitzt?

Mit dieser harmlos klingenden, aber in Wirklichkeit hochexplosiven Frage sprach Thomas demonstrativ das größte Tabu in der Nahost-Politik der USA - nämlich das Atomwaffenarsenal Israels - an. Das Thema ist extrem heikel, nicht allein weil Israel auf seine Position als einzige Atommacht des Nahen Ostens pocht und sie unter Einsatz aller militärischen Mitteln zu verteidigen droht. Nach einem Gesetz aus dem Jahr 1976, dem Singleton Amendment, ist es den USA verboten, irgendein Land militärisch oder finanziell zu unterstützen, das Kernwaffen entwickelt und sich dem Atomwaffensperrvertrag nicht beitritt. Würde Amerika offiziell zugeben, über die Existenz des auf rund 200 Atomsprengköpfen geschätzten Nuklearwaffenarsenals Israels bescheid zu wissen, könnten US-Politiker Länder wie dem Iran nicht so einseitig bezichtigen und müßten vielleicht zugeben, daß die Forderung nach einer atomaffenfreien Zone im Nahen Osten nicht so ganz abwegig ist, während Washington seine jährliche Milliardenhilfe für Tel Aviv einstellen müßte. Und weil niemand in Washington das will, wird das Thema der israelischen Atomwaffen schlichtweg ignoriert und beiseite geschoben, wie es Barack Obama in Antwort auf Helen Thomas' Frage am 9. Februar getan hat:

Was Atomwaffen betrifft, möchte ich nicht spekulieren. Was ich jedoch weiß, ist dies, daß jeder in Gefahr ist, sollte es in einer so instabilen Region wie dem Nahen Osten zu einem nuklearen Wettrennen kommen. Und eines meiner Ziele besteht darin, die Verbreitung von Atomwaffen im allgemeinen zu verhindern. Ich denke, daß es für die Vereinigten Staaten wichtig ist, zusammen mit Rußland hier mit guten Beispiel voranzugehen. Und in Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Herr Medwedew habe ihn wissen lassen, daß es wichtig ist, daß wir Gespräche darüber wieder aufnehmen, wie wir unsere Nukleararsenale effektiv reduzieren können, damit wir dann das notwendige Ansehen haben, um an andere Länder heranzutreten und damit zu beginnen, den Nicht-Verbreitungsverträgen, die in den letzten Jahren geschwächt worden sind, wieder Geltung zu beschaffen.

Mit einer solch ausschweifigen, nebulösen Antwort auf ihrer provozierenden Frage hat Thomas sicherlich gerechnet. Dennoch hat sie nicht darauf verzichtet, das Thema der israelischen Atomwaffen, das in Medien und Politik der USA permanent und geflissentlich übergangen wird, obwohl man ohne es die komplizierten Verhältnisse im Nahen Osten nicht verstehen kann, anzusprechen. Mit dieser simplen Frage hat Thomas Obama gleich zu Beginn seiner Amtszeit als Heuchler und die Kollegen im Pressekorps als Hofberichterstatter demaskiert. Für soviel Unerschrockenheit gebührt ihr Respekt.

14. Februar 2009