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MEDIEN/468: Al-Jazeera-Prozeß in Ägypten gerät zur Farce (SB)


Al-Jazeera-Prozeß in Ägypten gerät zur Farce

Ägyptens Militär demonstriert eindrucksvoll seine Macht



Als sich im vergangenen Juli am Nil die Generäle an die Macht putschten und Mohammad Mursi, den seit 2012 im Amt befindlichen, ersten gewählten Präsidenten Ägyptens, absetzten, taten sie dies mit der Begründung, er und seine Moslembruderschaft hätten das Land ins Chaos gestürzt; das Militär sei die einzige Institution, die wieder für Ordnung, gesellschaftlichen Frieden und eine Wiederbelebung der Wirtschaft sorgen könne. Damals haben viele liberale Säkularisten, die 2011 wesentlichen Anteil an den Protesten hatten, die zum Ende der langjährigen Diktatur Hosni Mubaraks führten, das Vorgehen des Militärs gegen die Moslembruderschaft als Notmaßnahme zur "Rettung der Demokratie" begrüßt. Inzwischen dürften sie die Dinge mit anderen Augen sehen. Denn die Lage in Ägypten hat sich seitdem nicht gebessert, sondern weiter verschlimmert. Nichts zeigt dies besser als der aktuelle Prozeß gegen drei Journalisten des arabischen Nachrichtensenders Al Jazeera.

Zweifelsohne haben Mursi und die Moslembruderschaft viele Fehler während ihres rund einen Jahres an der Macht produziert. Aufgrund ihrer Position als mit Abstand stärkste politische Kraft Ägyptens haben sie ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten der koptischen Christen und liberalen Säkularisten durchzuregieren versucht. Bei der Ausarbeitung einer neuen Verfassung haben sie die anderen gesellschaftlichen Gruppen verdrängt und die eigenen, religiös begründeten Vorstellungen festgeschrieben. Im Juni 2013 brachte Mursi das Faß zum Überlaufen, als er der seit dem Rücktritt Mubaraks am Boden liegenden Tourismusindustrie den Todestoß versetzte, indem er Adel Al Khayat, ein führendes Mitglied der Gamaa Islamija, zum Gouverneur der Provinz Luxor ernannte. Schließlich waren es Anhänger dieser extremistischen Gruppe, die im November 1997 den Tempel von Hatschepsut in der Stadt Luxor überfielen und 58 ausländische Touristen sowie vier einheimische Reiseführer mit Messern und Schußwaffen bestialisch ermordeten.

Der Machtwechsel am Nil vor einem Jahr erfolgte nicht minder blutig. Im August hat die ägyptische Armee zwei große Protestlager der Moslembruderchaft im Herzen von Kairo geräumt und dabei rund 1000 Menschen getötet. Seitdem befindet sich das Land quasi im Ausnahmezustand. Die neue Regierung hat die Moslembruderchaft verboten. Zahlreiche ihrer Anhänger, darunter Mursi und die gesamte Führungsriege, sitzen hinter Gittern. Dort bekommen die Islamisten Gesellschaft von nicht wenigen Säkularisten, die gegen die Neuauflage der Diktatur - diesmal angeführt von General Abdel Fattah Al Sisi - vergeblich protestiert haben. Vor kurzem hat ein Gericht in Kairo drei der wichtigsten Vertreter der ägyptischen Demokratiebewegung, Ahmed Maher, Mohamed Adel und Ahmed Douma von der Gruppe 6. April, wegen Teilnahme an einer illegalen Demonstration und Widerstands gegen die Staatsgewalt zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Maher, Adel und Douma wurde vorgeworfen, die Gruppe 6. April sei Teil eines Komplotts, Ägypten unter fremdländische Kontrolle zu bringen. Hinter dem Komplott soll die US-Regierung Barack Obamas und das Golfemirat Katar, das bekanntlich die Moslembruderschaft seit Jahren in verschiedenen Ländern bekämpft - bestes Beispiel Syrien -, stecken. Und weil Katar Haupteigner des arabischen Nachrichtensenders Al Jazeera ist, befinden sich vier von dessen Mitarbeitern in Kairo wegen Teilnahme an der selben großen Verschwörung im Gefängnis. Im vergangenen Dezember hat die Polizei den Australier Peter Greste, Adel Fahmy, der die ägyptische und kanadische Staatsbürgerschaft hat, und den Ägypter Baher Mohamed, die alle für das englischsprachige Programm von Al Jazeera arbeiten, verhaftet. Sie werden bezichtigt, mit Hilfe der Moslembruderschaft gefälschte Berichte über Unruhen in Ägypten in die Welt gesetzt zu haben, um die Militärregierung zu diskreditieren und zu Fall zu bringen. Ein vierter Al-Jazeera-Korrespondent, der Ägypter Abdullah Elshamy, der für das arabischsprachige Programm von Al Jazeera berichtet, befindet sich seit vergangen August ohne Anklage im Gefängnis. Alle vier Journalisten weisen die Vorwürfe weit von sich.

Am 10. April wurden dem Gericht in Kairo unter Anwesenheit der Angeklagten und der internationalen Presse die wesentlichen Beweismittel gegen den Ex-BBC-Mitarbeiter Greste, Fahmy, der einst für CNN und die New York Times gearbeitet hat, und Mohamed präsentiert. Es sollte sich um besagte, zum Nachteil der Militärjunta "gefälschte" Berichte handeln. Statt dessen bekamen die Prozeßteilnehmer, Zuschauer und Medienvertreter eine Dokumentation von Sky News Arabia über Pferde in Saudi-Arabien, die offenbar mit Mohameds Kamera aufgenommen worden war, einen Bericht von einer Pressekonferenz in Nairobi in Verbindung mit dem Überfall auf das dortige Westgate-Einkaufszentrum im vergangenen Jahr und Ausschnitte von einer BBC-Sendung, die Greste 2011 über das Banditenwesen in Somalia gedreht hatte, zu sehen. Hinzu kamen vereinzelte Privataufnahmen von Greste und seiner Familie. Keine einzige der Aufnahmen hatte auch nur das geringste mit Ägypten oder dem Putsch dort im vergangenen Jahr zu tun.

Im Gerichtssaal hat Greste lautstark beklagt, daß die Staatsanwaltschaft das Material vor der Präsentation als Beweismittel nicht einmal gesichtet hatte. Fahmy pflichtete ihm bei und hat das Verfahren öffentlich als "Witz" bezeichnet. Gerade als der Richter den Prozeß auf den 22. April vertagte und gleichzeitig den Antrag der Verteidigung auf Kaution für die Angeklagten negativ beschied, sagte ein Anwalt den anwesenden Journalisten, das Verfahren schade "dem Ansehen Ägyptens". Leider scheint dies die ägyptischen Generäle nicht im geringsten zu stören. Im Gegenteil hat man den Eindruck, daß sie gerade die Willkür im Umgang mit den Al-Jazeera-Journalisten für ein Zeichen der Stärke halten. Sollte wie geplant, General Al Sisi die Präsidentwahl, die am 26. und 27. Mai stattfindet, gewinnen - wofür derzeit alle Umfragen sprechen -, wird sich Ägyptens Militär in seinem bisherigen Kurs bestätigt sehen.

12. April 2014