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MILITÄR/815: Pentagon weitet militärische Geheimoperationen aus (SB)


Geheimkommandos der Streitkräfte zur Aufklärung und Kriegsvorbereitung


Ein weiteres Schlaglicht auf militärische Geheimoperationen der Vereinigten Staaten liefert ein Bericht der New York Times, der sich mit einer Ausweitung derartiger Aktivitäten insbesondere im Nahen und Mittleren Osten, aber auch in Zentralasien und Ost-Afrika befaßt. Wie die Zeitung unter Berufung auf US-amerikanische Sicherheitskreise schreibt, habe General David Petraeus die geheime Order bereits im vergangenen September gebilligt. Angeblich dient die Initiative dem Zweck, den Einfluß des Netzwerks Al Kaida und anderer Bedrohungen einzudämmen und das Umfeld für mögliche militärische Einsätze in den betreffenden Regionen zu bereiten. [1]

Als Einsatzgebiet der unter dem sperrigen Namen "Joint Unconventional Warfare Task Force Execute Order" laufenden Geheimoffensive wird allen voran der Iran genannt, wo die Aufklärung einem möglichen Angriffskrieg den Boden bereiten soll. Ausdrücklich erwähnt werden jedoch auch Länder wie Saudi-Arabien und der Jemen, dessen Regierungen den USA freundlich gesonnen sind. Verteidigungs- und Sicherheitsexperten sollen denn auch vor Spannungen mit Verbündeten gewarnt haben.

Diese Operationen entziehen sich de facto jeder parlamentarischen Kontrolle, da sie keiner Autorisierung durch den Kongreß unterliegen. Grundsätzlich reicht der Auftrag des Weißen Hauses aus, das den Kongreß lediglich informieren muß. Nur in kritischen Fällen müsse der Nationale Sicherheitsrat im Weißen Haus zusammenkommen.

Die Vorgehensweise knüpft zweifellos an entsprechende Praktiken der Bush-Administration an, in der sich vor allem Verteidigungsminister Donald H. Rumsfeld für geheime Militäroperationen stark machte, die er gemessen an der konventionellen Arbeit der Geheimdienste für gleichwertig, wenn nicht gar überlegen hielt. Im Unterschied zu verdeckten Operationen der CIA bedurften diese geheimen Militäreinsätze nicht einmal der Zustimmung des Präsidenten oder regelmäßiger Berichte an den Kongreß, wenngleich das Pentagon behauptete, daß man alle wichtigen Missionen vom Nationalen Sicherheitsrat genehmigen ließ. [2]

Wie viele andere Initiativen Rumsfelds war auch diese umstritten, wobei insbesondere die CIA und das Außenministerium Einwände vorbrachten, da man zu Recht einen Übergriff des Pentagon auf Regionen außerhalb der Kriegsgebiete befürchtete. Erste bekanntgewordene Probleme gab es 2004 in Paraguay, wo ein geheimes Kommando beim Verlassen eines Taxis offenbar zufällig von einem bewaffneten Räuber bedroht wurde und diesen erschoß. Als dieser Vorfall publik wurde, mußte das Kommando abgezogen werden. Soweit bekannt, gab das Pentagon in demselben Jahr Angriffsbefehle in mehr als einem Dutzend Länder, die von Geheimkommandos unter anderem in Somalia, Syrien und Pakistan umgesetzt wurden. Wo derzeit solche Operationen laufen, unterliegt der Geheimhaltung, wobei feststeht, daß vielerorts Aufklärung von möglichen Angriffszielen wie Flughäfen oder Brücken betrieben wird.

Was die Order von General Petraeus von dem Vorläufer unterscheidet, ist keineswegs eine erkennbare Rücknahme oder Einschränkung früherer Vorgehensweisen. Es handelt sich vielmehr sogar um eine Ausweitung der Aufklärung, in die US-Soldaten, ausländische Geschäftsleute, Akademiker und andere geeignete Personen einbezogen werden und nicht zuletzt Kontakte zu lokalen Gruppen geknüpft werden sollen. Erklärtes Ziel bleibt die Identifizierung militanter Kräfte wie auch eine dauerhafte Überwachung der Lage. Erklärtermaßen sollen entsprechende Aktivitäten der Bush-Administration systematischer und langfristiger fortgesetzt werden, wobei man Netzwerke aufzubauen hofft, die feindliche Organisationen infiltrieren, aufbrechen und zerstören sowie künftige Angriffe der US-Streitkräfte oder lokaler Verbündeter vorbereiten.

Mit seiner Initiative steht General Petraeus nicht allein, da sich dem Vernehmen nach eine ganze Reihe hochrangiger Militärs dafür ausgesprochen hat, die weltweite Rolle der Streitkräfte expansiv zu interpretieren, da man nicht nur in Afghanistan und dem Irak gegen militante Gruppen kämpfen müsse. Die Order war demnach in enger Abstimmung mit Admiral Eric T. Olson, dem Chef des United States Special Operations Command, ausgearbeitet worden und sie verlangt geheime Operationen, die von konventionellen Militäreinsätzen oder übergreifenden Aktivitäten der Dienste nicht geleistet werden können.

Damit macht das Pentagon einmal mehr der CIA das Feld streitig, wie das zuletzt zu einer heftigen Kontroverse um den Einsatz von privaten Sicherheitsdienstleistern des Militärs in Pakistan und Afghanistan geführt hat. Hinsichtlich der Order vom letzten September scheint es indessen keine solche Rivalität zu geben, was darauf hinweisen könnte, daß in diesem Fall eine Abstimmung stattgefunden hat. Ein Sprecher der CIA wollte die Existenz der Order nicht bestätigen, unterstrich jedoch die enge Beziehung zwischen Auslandsgeheimdienst und Pentagon wie auch die Koordination der Feldoperationen. Arbeit gebe es mehr als genug, und der eigentliche Schlüssel sei Koordination, erklärte Paul Gimigliano. Das funktioniere in der Regel gut, und sollten dennoch Probleme auftreten, würden sie gelöst.

Der Auftrag von Petraeus scheint zwar keine speziellen Angriffsbefehle in bestimmten Ländern zu enthalten, doch ist die Order in ihren bekanntgewordenen Teilen ohnehin so allgemein formuliert, daß man abgesehen von der Stoßrichtung keine näheren Einzelheiten daraus ableiten kann. So weiß die Öffentlichkeit weder, welche Operationen befohlen, noch welche Schritte zu ihrer Durchführung unternommen worden sind. Da das Dokument der Geheimhaltung unterliegt, lehnten Pentagon und Weißes Haus eine Stellungnahme ab. Nachdem das United States Central Command, an dessen Spitze General Petraeus steht, die Sicherheit von US-Soldaten im Einsatz durch die Veröffentlichung gefährdet sah, hielt die New York Times eigenen Angaben zufolge einige Details zurück.

Immerhin mutmaßt die Zeitung, daß die Direktive die Voraussetzungen für die verstärkte Aktivität der US-Streitkräfte im Jemen geschaffen hat, die drei Monate später begann. Spezialkommandos arbeiteten mit den einheimischen Militärs zusammen und Kriegsschiffe griffen mit Raketen an, während von der Eröffnung einer dritten Front der Kriegsführung die Rede war. Zudem ist geplant, die jemenitische Armee mit Hubschraubern, gepanzerten Fahrzeugen und kleinen Waffen aufzurüsten.

Definitives Ziel laufender Operationen dürfte vor allem der Iran sein, dem ein immer engeres Regime von Sanktionen auferlegt wird, die Kriegsvorwände provozieren. Nachdem der Pakt der selbsternannten Sanktionsmächte den unter Vermittlung Brasiliens und der Türkei von Teheran akzeptierten Kompromiß vom Tisch gewischt hat, stehen die Zeichen weiterhin auf Angriffskrieg. Es ist ein offenes Geheimnis, daß Spezialkommandos der USA und vermutlich auch Israels seit geraumer Zeit im Iran operieren, um Verteidigungsanlagen auszuspionieren und Angriffsziele zu identifizieren.

Anmerkungen:

[1] USA weiten militärische Geheimoperationen aus. Betätigungsgebiete hauptsächlich im Nahen und Mittleren Osten (25.05.10)
NZZ Online

[2] U.S. Is Said to Expand Secret Military Acts in Mideast Region (24.05.10)
New York Times

25. Mai 2010