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MILITÄR/858: Straße von Hormus rückt ins Blickfeld des Militärs (SB)


Straße von Hormus rückt ins Blickfeld des Militärs

Wie geht Teheran mit der Wirtschaftsblockade von EU und USA um?



Der Importstopp der Europäischen Union für Ölprodukte aus dem Iran, der am 1. Juli in Kraft trat, die gleichzeitige Weigerung der marktbeherrschenden Versicherungskonzerne Europas, Schiffe mit iranischem Öl zu versichern und die angedrohten Finanzsanktionen der USA gegen alle, die größere Geschäfte mit der Islamischen Republik wagen, sollen Teheran angeblich zum Einlenken im sogenannten "Atomstreit" bewegen. Ob sich damit ein Sinneswandel in Teheran herbeiführen läßt, ist jedoch fraglich. Tatsächlich erhöht das drakonische Maßnahmenpaket, das Irans lebenswichtige Ölexporte halbieren dürfte, die Kriegsgefahr am Persischen Golf. Als Gegenreaktion diskutiert man aktuell in der iranischen Volksversammlung, der Majlis, die Straße von Hormus, durch die täglich 20 Prozent der für die Weltwirtschaft benötigten Ölmenge transportiert wird, für die Schiffe aller am Boykott von EU und USA beteiligten Länder, zu sperren.

Politische Landkarte des Iran mit der Straße von Hormus - PUBLIC DOMAIN, Quelle: http://www.weltkarte.com/mosten/iran/irankarte.htm

Politische Landkarte des Iran mit der Straße von Hormus
PUBLIC DOMAIN - Quelle: http://www.weltkarte.com/mosten/iran/irankarte.htm

Vor diesem Hintergrund findet eine lebhafte Diskussion unter Militärexperten statt, ob Irans Streitkräfte in der Lage wären, eine solche Maßnahme gegen den erklärten Willen der US-Marine, die am Persischen Golf derzeit durch zwei Flugzeugträger - die USS Enterprise und die USS Abraham Lincoln - samt Begleitflotten, acht Minensuchboote und die schwimmende Kommandozentrale für amphibische Operationen der Marines und der Spezialstreitkräfte, die USS Ponce, vertreten ist, sowie der US-Luftwaffe, die in den letzten Wochen die Anzahl ihrer Kampfjets in der Region deutlich aufgestockt hat, durchzusetzen. Eine Antwort auf diese Frage ist nicht einfach, denn der Versuch, die strategisch enorm wichtige Meerenge zu blockieren, würde einen Konflikt auslösen, der sehr schnell eskalieren und nicht mehr zu kalkulierende Folgen nach sich ziehen könnte. Nur weil der Tankerkrieg am Rande des Iran-Irak-Krieges in den achtziger Jahren einigermaßen begrenzt blieb, heißt das noch lange nicht, daß eine erneute militärische Auseinandersetzung zwischen den Streitkräften der Islamischen Republik und denen der USA, die damals zur Unterstützung des "Regimes" Saddam Husseins aktiv eingriffen, nicht ausarten würde.

In ihrem umfangreichen Waffenarsenal verfügen die Iraner unter anderem über 3.000 bis 5.000 Minen, mit denen sie über Wochen und Monate hinweg den Schiffsverkehr in der Straße von Hormus wenn auch nicht zum Erliegen, so doch erheblich stören könnten. Hierzu gehören nicht nur klassische Seeminen, die an oder dicht unter der Wasseroberfläche treiben und durch den physischen Kontakt mit einem Schiffskörper explodieren, sondern auch hochmoderne Konstruktionen aus China und Rußland. Die chinesische "Raketenmine" EM-52, die als schwer zu orten gilt, kann auf bestimmte akustische Signale wie die eines US-Flugzeugträgers programmiert werden. Sobald sie besagte Signale registriert, schießt sie einen 200 Kilogramm schweren Sprengkopf in Richtung der Quelle ab. Die russische Mine vom Typ MDM6 gilt ebenfalls als schwierig zu entdecken. Das am Meeresboden liegende russische Waffensystem ist in der Lage, ein oder auch mehrere in ihrer Nähe registrierte feindliche Schiffe mit Torpedos anzugreifen. Doch wie die Amerikaner reagieren würden, wenn eines ihrer Kriegsschiffe, vielleicht sogar ein Flugzeugträger, von den Iranern versenkt würde, möchte man sich lieber nicht ausmalen.

Die Straße von Hormus, an deren Nordseite der Iran und an der Südseite die Vereinigten Arabischen Emiraten sowie die zu Oman gehörende Halbinsel Musandam liegen, ist an ihrer engsten Stelle nur 21 Seemeilen, 39 Kilometer, breit. Da die international anerkannte Seegrenze 12 Seemeilen entfernt zur Küste des jeweiligen Staates verläuft, müssen Schiffe, die zwischen dem Persischen Golf und dem Arabischen Meer verkehren, durch die Territorialgewässer des Irans ggf. Omans fahren. Der Schiffsverkehr in der Straße von Hormus ist durch die United Nations Convention on the Law of the Sea von 1982 geregelt. Die UNCLOS, die der Iran wie die meisten Länder unterzeichnet hat, sieht vor, daß ein Anrainerstaat einem Schiff die Durchfahrt durch seine Territorialgewässer verwehren darf, sollte es eine Gefahr für seine nationale Sicherheit darstellen.

Wie Soraya Sepahpour-Ulrich in dem am 6. Juli bei der Asia Times Online erschienenen Artikel angeregt hat, könnte Teheran unterhalb der Schwelle eines militärischen Konfliktes mit den USA bleiben, würde es einfach von seinem Recht Gebrauch machen und auf die Inspektion eines jeden Schiffes, das die Straße von Hormus passieren will, durch die iranische Marine pochen. Solche Inspektionen würden den Schiffsverkehr dort ins Stocken bringen und für einen kräftigen Anstieg der Ölpreise an den internationalen Börsen sorgen. Damit könnte der Iran die Auswirkungen des EU-Importverbots und der US-Finanzsanktionen zu einem nicht geringen Teil lindern. Sollten die Iraner zu einem solchen Trick greifen, darf man gespannt sein, ob die Gegenmaßnahmen der Regierung Barack Obamas und mit ihr des Pentagons ebenfalls unterhalb der Schwelle einer militärischen Auseinandersetzung bleiben.

7. Juli 2012