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MILITÄR/872: USA halten am Subventionsbetrug Raketenabwehr fest (SB)


USA halten am Subventionsbetrug Raketenabwehr fest

Amerikas Raketenabwehrbauer leisten sich eine weitere Panne



Als Michail Gorbatschow, der mächtigste Mann der Sowjetunion, US-Präsident Ronald Reagan bei ihrem historischen Gipfeltreffen im isländischen Rekyavik im Jahr 1985 den spektakulären Vorschlag der Beseitigung sämtlicher Atomwaffen beider Seiten machte, ist der ehemalige Hollywood-Schauspieler trotz persönlicher Bereitschaft nicht darauf eingegangen. Reagans Berater, allen voran der damals stellvertretende Verteidigungsminister Richard Perle, erklärten ihm, der Preis, den die Sowjets im Gegenzug verlangten, die Einstellung des amerikanischen Raketenabwehrprogramms, wäre zu hoch. Somit ist damals der Traum von einer atomwaffenfreien Welt am Streben des Pentagons nach globaler militärischer Dominanz geplatzt.

Fast dreißig Jahre später läuft das Pentagon dem Traum von einem Waffensystem, mit dessen Hilfe die USA unbeschadet einen nuklearen Erstschlag gegen irgendeinen verfeindeten Staat durchführen könnten, weiter hinterher, ohne jemals ernsthaft in die Nähe der Realisierung zu gelangen. Damit untergraben die Waffenfetischisten die Abrüstungsbemühungen des Weißen Hauses. Moskau hat vor kurzem den von US-Präsident Barack Obama gemachten Vorschlag einer weiteren Reduzierung der amerikanischen und russischen Atomwaffenarsenale mit dem Hinweis auf die Installierung des US-Raketenabwehrsystems im europäischen Teil des NATO-Gebiets abgelehnt. Hauptnutznießer der traurigen Entwicklung sind Amerikas Rüstungskonzerne, die Milliardensubventionen für waffentechnologische Luftschlösser einstreichen.

Nach zwei gescheiterten Versuchen 2010 ließ am 5. Juli die Missile Defense Agency (MDA) des Pentagons einen Test durchführen, die Riki Ellison von der Lobbygruppe Missile Defense Advocacy Alliance, ein Sammelbecken der beteiligten Industrieunternehmen, vorher als die "bedeutendste Demonstration der bodengestützten Abfangraketen und des Feuerleitsystems in der Geschichte des Programms" angekündigt hatte. Mit dem Test sollte Vertrauen in die Funktionstüchtigkeit des 34 Milliarden Dollar teuren, unter anderem aus 30 in unterirdischen Silos in Kalifornien und Alaska stationierten Abfangraketen bestehenden Systems geschaffen werden.

Bei dieser Gelegenheit sollte auch eine neue und angeblich verbesserte Version des von Raytheon gebauten "Kill-Vehicle", die CE-II, erprobt werden. Beim "Kill-Vehicle" handelt es sich um eine mit Sprengstoff gefüllte Mini-Rakete, die sich oberhalb der Erdatmosphäre im letzten Abschnitt des Flugs der Trägerrakete von letzterer trennt, mit eigenem Antrieb in die feindliche Rakete rast und sie zerstört. Doch der große Sprung nach vorne wurde zum 214 Millionen Dollar teuren Flop. Die vom kalifornischen Luftwaffenstützpunkt Vandenberg abgefeuerte Abfangrakete hat die vom Reagan Testgelände auf der südpazifischen Insel Kwajalein gestartete "feindliche" Interkontinentalrakete verfehlt. Aus vorerst unbekannten Gründen hat sich das Kill-Vehicle nicht von der Trägerrakete getrennt. Dies gab Boeing, der in diesem Zusammenhang als Hauptauftragnehmer fungiert, später bekannt.

Durch das PR-Fiasko fühlen sich die Raketenabwehrbefürworter besonders herausgefordert. Ungeachtet des mißlungenen Testversuchs hält das Pentagon an seinem Plan, für mehr als eine Milliarde Dollar die Zahl der in Vandenberg und Fort Greely, Alaska, stationierten Abfangraketen um weitere 14 Stück zu erhöhen, fest. Im Vergleich zu den bereits stationierten Abfangraketen sollen die neuen mit dem offensichtlich technisch unausgereiften CE-II-Kill-Vehicle ausgerüstet werden. Am 17. Juli sprachen sich auf einer Veranstaltung der Lobbygruppe Air Force Association zudem James Miller, der für Politik zuständige Unterstaatssekretär im Verteidigungsministerium, und MDA-Direktor Vizeadmiral James Syring für häufigere Tests aus.

Im Kongreß bekommen einige Politiker in Washington jedoch kalte Füße. Ebenfalls am 17. Juli stellte Senator Richard Durbin aus Illinois, der im Oberhaus des US-Kongresses den Vorsitz des für die Bewilligung der Verteidigungsausgaben zuständigen Unterausschusses innehat, fest, die USA hätten seit den achtziger Jahren des 20 Jahrhunderts mehr als 150 Milliarden Dollar für ein System ausgegeben, von dem bis heute nicht bewiesen ist, daß es Amerika wirksamen Schutz vor feindlichen Interkontinentalraketen bietet. Durbin verlangte deshalb mehr Tests, bevor man mit der Stationierung weiterer Abfangraketen in Kalifornien und Alaska überhaupt beginnt.

20. Juli 2013