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MILITÄR/916: Waffenschmiede USA - Umwelt- und Schiffsverkehrsüberwachungsbojen ... (SB)



DARPA, die innovative Waffenschmiede des US-Verteidigungsministeriums, hat ein Projekt initiiert, bei dem Tausende von Schwimmkörpern, die per Funk miteinander kommunizieren, über die Ozeane verteilt werden sollen. [1] Abgesehen von Umweltdaten soll mittels dieser Schwarmtechnologie auch der kommerzielle Schiffsverkehr erfaßt werden. Die DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency) verschweigt nicht, daß das System ebenfalls militärischen Zwecken dient, erweckt aber den Eindruck, als sei das lediglich eine Funktion unter vielen. Das erscheint nicht plausibel, denn für die Erfassung von Meeresdaten wäre eigentlich die zivile Behörde NOAA die naheliegendere Institution.

Am 19. Dezember 2017 hat die DARPA eine Broad Agency Announcement (BAA) ausgegeben und um Konzeptvorschläge gebeten. Am 4. Januar 2018 wurden diese im DARPA-Konferenzzentrum in Arlington, Virginia, präsentiert. Bis zum 23. März will die Behörde eine Entscheidung treffen, welchem Konzept sie den Zuschlag gibt.

In Anlehnung an die Bezeichnung Internet der Dinge hat die DARPA ihr Vorhaben Ozean der Dinge genannt. Dessen Aufgabe wird darin bestehen, Tausende von relativ kostengünstigen, robusten und den Schiffsverkehr nicht beeinträchtigenden Meßplattformen auszubringen. Dieses Netzwerk wird sich der Schwarmtechnologie bedienen und untereinander kommunizieren. Die einzelnen Elemente sollen für mindestens ein Jahr lang genügend Energie haben, um Daten zu Temperatur, Seegang und Ort, aber eben auch zum kommerziellen und militärischen Schiffs- und Luftverkehr sowie zu Meeressäugern in Echtzeit an einen Satelliten senden zu können. Wenn die Energie aufgebraucht ist, sollen die aus umweltsicheren Materialien hergestellten Plattformen einen Auslöser dafür haben, daß sie zum Meeresgrund sinken.

Ziel des Programms sei es, die maritime Lagekenntnis auf kostengünstige Weise zu verbessern, sagte John Waterston, Programmanager des Strategic Technology Office (STO) der DARPA. Man könnte zwar bereits bestehende Plattformen nutzen, das würde Kosten vermeiden, doch wolle man ein Netzwerk mit kommerzieller Sensortechnologie ausstatten und die Kenntnisse erheblich erweitern, und zwar zu einem Bruchteil der Kosten gegenwärtiger Systeme. Eine Boje soll weniger als 500 Dollar kosten, bei einem Lieferumfang von 50.000 Einheiten. [2]

In der Vergangenheit waren unter der Ägide der DARPA einige Technologien von weitreichender Bedeutung entwickelt worden. Beispielsweise das Arpanet - das Vorläufermodell zum Internet -, die Tarnkappentechnologie und das Satellitennavigationssystem GPS. Das Konzept des Schwarms, bei dem alle Einheiten per Funk untereinander und mit einer Zentralstelle verbunden sind, zugleich aber vergleichsweise autonom agieren können, ist eine Militärtechnologie der Zukunft. Eines Tages könnte sich ein Flugzeugträger als zu groß, zu schwerfällig und zu angreifbar erweisen, wenn der Gegner Schwärme von Drohnen oder relativ autonomen Unterwasserfahrzeugen ins Gefecht schickt.

Angesichts ihres exorbitanten Militärhaushalts von 700 Mrd. Dollar (2017) müßte eigentlich jeder Krieg, den die Vereinigten Staaten führen, asymmetrisch genannt werden, weil kein Gegner so hochgerüstet ist. Jedoch kommt den Atomwaffen Rußlands und Chinas ein Vernichtungspotential zu, das auch die USA fürchten müssen. Deshalb ist der Aufbau von Raketenabwehrsystemen zum Beispiel in Polen und Rumänien extrem gefährlich, da sie die Zweitschlagskapazität Rußlands ausschalten sollen. Das sogenannte Gleichgewicht des Schreckens droht, zu einer Seite zu kippen. Die Kriegsgefahr wächst.

Verglichen damit könnte das Programm Ozean der Dinge, das "nur" über passive Sensoren verfügt, den Eindruck erwecken, harmlos zu sein. Doch je mehr die US-Militärs dem Eindruck unterliegen, sie besäßen die "full spectrum dominance", also die Vorherrschaft aller Streitkräftegattungen, wozu auch die globale Überwachungstechnologie auf See gehört, desto mehr wächst die Gefahr, daß ein großer Krieg gewinnbar erscheint und angezettelt wird.

Das von der DARPA entwickelte Satellitennavigationssystem GPS erfüllt weitreichende zivile Funktionen, dennoch können letztlich die Militärs entscheiden, daß es partiell abgeschaltet wird. So geschehen in den 1990er Jahren im Krieg der NATO-Staaten gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Ähnlich wird es sich womöglich mit dem Projekt Ozean der Dinge verhalten. Unter dem Vorwand, zeitnah Umweltdaten sammeln zu wollen, wird damit eine Big-Brother-Technologie erprobt und installiert, die enorm ausbaufähig ist. Ein mögliches Anwendungsbeispiel sowohl aus dem militärischen wie auch zivilen Bereich wäre die Überwachung von Handelssanktionen. So wurde erst vor kurzem Rußland bezichtigt, es habe trotz UN-Sanktionen mindestens dreimal Erdöl an Nordkorea geliefert. Die Überwachung von Tankern, die sich womöglich auf offener See treffen, wäre mittels des innovativen Bojensystems sicherlich einfacher.

Ungeachtet dessen wäre zu vermuten, daß die USA aus militärstrategischen Gründen zur Überwachung der Ozeane ein redundantes System parallel zu Satelliten und Schiffen aufbauen wollen. Sollten feindliche Kräfte beispielsweise einen Teil der Satelliten ausschalten, wären die Weltmeere noch immer vollständig observiert. Zwar würden die Funkdaten dieses Systems normalerweise ebenfalls zu Satelliten im Orbit gesendet, aber deren Funktion könnte ersatzweise durch Drohnen wie Global Hawk erfüllt werden. Kriegsschiffe verfügen zwar bereits über ein weitreichendes Radar, und zur Erfassung von U-Boot-Bewegungen sind auch schon Sensoren in großer Zahl am Meeresboden ausgebracht, doch das neue System schließt eine räumliche Lücke.


Fußnoten:

[1] https://www.darpa.mil/news-events/2017-12-06

[2] https://www.meritalk.com/articles/darpa-floats-a-proposal-for-the-ocean-of-things/

8. Januar 2018


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