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NAHOST/918: Verbündete Israels vergießen Krokodilstränen (SB)


Farce mit verteilten Rollen deckt Massaker im Gazastreifen


Während die Bodenoffensive der israelischen Streitkräfte immer neue Opfer unter den drangsalierten Palästinensern im Gazastreifen fordert, deren Widerstand gegen das mörderische Regime der Einkesselung und Blockade gebrochen werden soll, geben die Verbündeten Israels nach wie vor grünes Licht für den Genozid. Der designierte US-Präsident Barack Obama hat bereits zu so vielen innen- und außenpolitischen Fragen Stellung genommen, daß sein Schweigen zur "Operation gegossenes Blei" mit der fadenscheinigen Begründung, es gebe nur einen Präsidenten seines Landes und das sei bis zur Amtsübergabe George W. Bush, nur als unausgesprochene Rückendeckung für die israelische Führung interpretiert werden kann. Abgesehen davon hat Obama bei einem Besuch in Sderot im Juli 2008 Israels Anspruch auf "Selbstverteidigung" mit militärischen Mitteln und damit die israelische Doktrin bestätigt, wonach jedes Aufbegehren der Palästinenser gegen ihre Unterwerfung, Demütigung, Vertreibung und Vernichtung einer Kriegserklärung gleichkommt, die mit härtesten Mitteln bestraft werden muß und darf. Daß der künftige Chef im Weißen Haus nicht mit der Israelpolitik seiner Vorgänger brechen wird, legt überdies die Wahl seiner engsten Berater und die Berufung Hillary Clintons zur kommenden Außenministerin nahe.

Man hat den Zeitpunkt der Offensive mit den Feiertagen in Europa und den USA, den bevorstehenden Wahlen in Israel und den letzten Tagen der Bush-Regierung in Verbindung gebracht. Zweifellos kommt es den Absichten der israelischen Führung sehr entgegen, daß der scheidende US-Präsident seine selbst für amerikanische Verhältnisse ungewöhnlich weitreichende Kumpanei natürlich nicht in letzter Minute revidiert und sich der künftige seine Maßnahmen so lange offenhält, bis die israelischen Streitkräfte ihr blutiges Werk ungehindert zu Ende gebracht haben.

George W. Bush hat in seiner jüngsten Radioansprache noch einmal betont, daß die USA keine "einseitige Waffenruhe" wünschten, was Vizepräsident Dick Cheney tags darauf mit den Worten bekräftigte, daß nur ein "nachhaltiger und dauerhafter" Frieden akzeptabel sei. Israel habe vor Beginn der Bodenoffensive keine Zustimmung der US-Regierung erbeten, doch hätten israelische Regierungsvertreter in vorangegangen Gesprächen deutlich gemacht, daß sie Raketenangriffe mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln beantworten und massiv gegen die Hamas vorgehen würden. Man müsse sich darüber im klaren sein, wer der Feind im Gazastreifen ist. Es handle sich nicht um einen Konflikt zwischen zwei Mitgliedsstaaten der UNO, sondern den Angriff einer Terrororganisation auf ein UN-Mitglied.

Dieser Auffassung schlossen sich auch führende Demokraten, darunter die Senatoren Harry Reid aus Nevada und Dick Durbin aus Illinois an. So erklärte Reid in der Sendung "Meet the Press" bei NBC, die "Terrororganisation Hamas" müsse beseitigt werden. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Ankündigung Obamas im Wahlkampf, er wolle auf neue und positive Weise auf die muslimische Welt zugehen, angesichts seines Schweigens zum Angriff auf den Gazastreifen als die altbekannte Farce in neuem Gewand: Die USA täuschen eine künftige Vermittlerrolle im Nahostkonflikt vor, um ihrem Verbündeten Israel zuzuarbeiten, indem sie den Palästinensern Friedenspläne wie eine Karotte vor die Nase halten, obwohl deren Vereinbarungen bekanntlich von israelischer Seite so gut wie nie eingehalten werden.

Die US-Regierung beschuldigt die Hamas, sie trage die Verantwortung für die Eskalation, und blockiert unterdessen im UN-Sicherheitsrat jedes Votum für einen Waffenstillstand. Ein von Libyen eingebrachter Resolutionsantrag, der von Mitgliedern der Arabischen Liga unterstützt wurde und eine sofortige Feuerpause forderte, wurde von den USA als anti-israelisch zurückgewiesen und kam nicht zur Abstimmung. Nicht anders erging es zwei weiteren Initiativen, deren letzte von Frankreich eingebracht wurde und ebenfalls auf eine unverzögerte Einstellung der Kampfhandlungen abzielte: Alle beide wurden vom Vertreter der USA blockiert. Botschafter Alejandro Wolff beschuldigte die Hamas der Aggression und erklärte, Israels Recht zur Selbstverteidigung sei nicht verhandelbar. Damit lief Generalsekretär Ban Ki Moon wie so oft mit seiner Forderung nach einem sofortiges Ende der israelischen Bodenoffensive und dem Schutz der Zivilbevölkerung ins Leere.

Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas hat nach seiner Bezichtigung der Hamas, die unter seinen palästinensischen Landsleuten und in Teilen der arabischen Welt große Empörung ausgelöst hatte, das Weite gesucht und zieht es vor, gemeinsam mit den Außenministern von acht arabischen Staaten in New York auf den Sicherheitsrat einzuwirken. Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy profiliert sich unterdessen in gewohnter Manier als rasender Vermittler und bereist mehrere Länder des Nahen Ostens, um die Bedingungen für einen Waffenstillstand auszuloten. Da will auch US-Außenministerin Condoleeza Rice nicht zurückstehen, die eine geplante Reise nach China abgesagt hat, um sich auf Gaza zu konzentrieren, wie es heißt.

Rußlands Präsident Dimitri A. Medwedjew hat mit dem israelischen Premier Ehud Olmert telefoniert, um seiner Besorgnis über die Lage der Zivilbevölkerung im Gazastreifen Ausdruck zu verleihen und die Bedeutung eines schnellstmöglichen Waffenstillstands zu unterstreichen. Auch will man in Moskau ein Treffen des Nahostquartetts einberufen, um zur Normalisierung der Lage in der Region beizutragen.

Wie die Bush-Administration hat sich auch die Bundesregierung uneingeschränkt auf die Seite Israels geschlagen und der Hamas alle Schuld in die Schuhe geschoben. Unterdessen übernimmt die EU unter der Ratspräsidentschaft der Tschechischen Republik den Part, die wachsende Zahl ziviler Opfer im Gazastreifen zu beklagen und humanitäre Hilfe anzumahnen, ohne jedoch Sanktionen gegen Israel auch nur in Erwägung zu ziehen. Wenngleich also durchaus Unterschiede in den Positionen der europäischen Regierungen festzustellen sind, die von offener Billigung des israelischen Angriffs auf den Gazastreifen bis zu energischen Mahnungen reichen, ist doch bislang kein Druck zu erkennen, der Israel zum Abbruch seines Massakers bewegen könnte.

Das weiß natürlich auch die israelische Führung, der zufolge Premier Olmert in ständigem Telefonkontakt mit den Regierungen in aller Welt steht, um die Voraussetzungen für einen Waffenstillstand zu beraten. Da die Regierung Israels längst erklärt hat, daß es keine Feuerpause geben werde, bevor das wesentliche Ziel der Operation erreicht sei, ist der vielzitierte Waffenstillstand längst zu einem Synonym für das Manöver geworden, den israelischen Streitkräften so viel Zeit zu geben, wie sie zur Brechung des palästinensischen Widerstands in Anspruch nehmen wollen. "Die Hamas braucht eine echte und ernsthafte Lektion und die bekommt sie jetzt", erklärte Israels Präsident Schimon Peres in einem Fernsehinterview.

Unterdessen hat die Hamas eine Einladung Ägyptens angenommen und Vertreter nach Kairo entsandt, wo auch eine Vermittlungsdelegation der EU mit Präsident Husni Mubarak zusammengetroffen ist. Die Gruppe mit dem tschechischen Ratsvorsitzenden Mirek Topolanek bemühte sich in der ägyptischen Hauptstadt sowie im Westjordanland und in Jerusalem um ein Ende der Kämpfe. Parallel dazu traf Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy zu einer eigenen Vermittlungsmission im Nahen Osten ein. Viel zu erwarten hatte die Hamas dabei freilich nicht. Zwar hieß es in einer Stellungnahme der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft: "Selbst das unumstrittene Recht eines Staates, sich selbst zu verteidigen, erlaubt keine Aktionen, die großteils Zivilisten betreffen." Doch wies Außenminister Karel Schwarzenberg vor den EU-Vermittlungsgesprächen in Nahost erneut der Hamas die Verantwortung zu: "Die Hamas hat die Katastrophe provoziert, sie trägt wirklich die Schuld."

Ungerührt lehnte denn auch Israels Außenministerin Tzipi Livni die Forderungen der EU-Vermittlerdelegation nach einem sofortigen Ende der Kämpfe ab: "Wir werden keine Absprachen mit dem Terrorismus treffen." Und ein Sprecher des israelischen Außenministeriums fügte zynisch hinzu: "Ein Regimewechsel ist nicht das erklärte Ziel. Aber "niemand wird allzu viele Tränen vergießen, wenn das schließlich geschieht." Mit dieser Äußerung bezog er sich offenbar auf die Krokodilstränen der Kollaborateure in nah und fern, denn die Tränen der Palästinenser im Gazastreifen kann er nicht gemeint haben.

6. Januar 2009