Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

NAHOST/926: Neue Details des Attentats auf Imad Mughnija (SB)


Neue Details des Attentats auf Imad Mughnija

Tod des Hisb-Allah-Mitbegründers seit einem Jahr ungerächt


Gestern jährte sich zum erstenmal ein Ereignis, das bis heute einen Schatten über den Nahen Osten wirft. Am 12. Februar 2008 ist in Damaskus Imad Mughnija, der legendäre Operationschef der libanesisch-schiitischen Hisb Allah, einem tödlichen Autobombenanschlag zum Opfer gefallen. Auf der großen Trauerfeier für Mughnija am 14. Februar 2008 in Beirut hat der Hisb-Allah-Chef Scheich Hassan Nasrallah Rache geschworen und Israel Vergeltung angekündigt. Bislang ist es hierzu nicht gekommen. Deshalb vielleicht hat Nasrallah am 29. Januar auf einer Pressekonferenz sein Versprechen mit den Worten erneuert: "Die Israelis leben in Angst vor unserer Rache. Die Entscheidung, auf den Mord zu reagieren, gilt nach wie vor. Wir werden den Zeitpunkt und den Ort bestimmen."

Nach der Ermordung Mughnijas weigerte sich die israelische Regierung, den Verdacht der Hisb Allah und des Irans, daß der Mossad das Attentat durchgeführt hatte, zu bestätigen. Gleichzeitig machte man in Israel und den USA aus seiner Zufriedenheit über das Ableben jenes Mannes, der für den Lastwagenschlag, der 1983 241 US-Marineinfanteristen das Leben kostete, und die Schlagkraft, welche die Hisb-Allah-Miliz im Juli 2006 im Libanon-Krieg gegen die israelischen Streitkräfte demonstriert hatte, verantwortlich gemacht wird, keinen Hehl. Gleichzeitig kursierten Spekulationen, ob nicht der syrische oder der iranische Geheimdienst Mughnija getötet haben könnte, um die Bereitschaft Damaskus' bzw. Teherans zu einer Versöhnung mit Washington zu signalisieren.

Rechtzeitig zum ersten Jahrestag hat die israelische Tageszeitung Yedioth Ahronoth am 8. Februar die angeblichen Details des Mughnija-Attentats enthüllt. Als Quellen der brisanten Informationen führte man den Ex-CIA-Mann und Buchautor Robert Baer, der als ausgesprochener Nahost-Kenner gilt, und ein nicht namentlich genanntes Mitglied des libanesischen Sicherheitsapparats, das im Auftrag der Regierung in Beirut die Umstände der Ermordung des Landsmanns in Damaskus untersucht haben soll, an. Demnach stammten die Erkenntnisse, die dem Mossad nach langjährigem, erfolglosen Bemühen die Liquidierung Mughnijas ermöglichten, von einem Mann namens Ali Moussa Dakduk, den Yedioth Ahronoth als ranghohen Hisb-Allah-Kommandeur bezeichnete.

Moussa Dakduk machte am 1. Juli 2007 erstmals Schlagzeilen, als die US-Streitkräfte in Bagdad bekanntgaben, ihn am 20. März desselben Jahres in der südirakischen Hafenstadt Basra festgenommen zu haben. Im Rahmen der mehr als dreimonatigen Verhöre durch amerikanische Vernehmungsbeamte soll Dakduk zugegeben haben, 2005 von der Hisb Allah in den Iran entsandt worden zu sein, um den Iranischen Revolutionsgarden bei der Ausbildung schiitischer Widerstandskämpfer im Irak zur Hand zu gehen. Darüber hinaus soll er gestanden haben, einen Anschlag auf einen irakischen Militärstützpunkt nahe der schiitischen Pilgerstadt Kerbala am 20. Januar 2007 organisiert zu haben, der fünf US-Soldaten das Leben kostete.

Damals hatte das Pentagon in aller Öffentlichkeit die iranischen Revolutionsgarden für den Überfall verantwortlich gemacht. Die Regierung in Teheran und die Hisb Allah haben alle Vorwürfe hinsichtlich einer Verwicklung der iranischen Revolutionsgarden respektive Dakduks in Anschläge auf die Koalitionsstreitkräfte im Irak als haltlos bezeichnet. Der Überfall von Kerbala hatte großes Aufsehen erregt, weil die Angreifer über Uniformen und Ausweise der neuen irakischen Streitkräfte verfügten und die gleichen Autos wie sie fuhren. Während die amerikanischen und irakischen Behörden in dem blutigen Ereignis die Handschrift der Hisb Allah zu erkennen meinten, kam der Verdacht auf, hinter der Aktion könnte eine Sondertruppe der CIA oder der US-Spezialstreitkräfte stecken, die auf diese Weise Washington in der Konfrontation mit Teheran einen casus belli verschaffen wollte.

Wie dem auch sei. Im Bericht der Yedioth Ahronoth hieß es jedenfalls, nach der Festnahme Dakduks hätte die CIA aus dem 24jährigen, inhaftierten Hisb-Allah-Mann allerlei Wissenwertes über Mughnija, darunter sein Aussehen, seine Militärtaktiken, die Namen seiner Bekannten sowie zu guter Letzt seine geheime Telefonnummer, herausgeholt und das gesamte Material den Kollegen vom Mossad zur Verfügung gestellt. Auf Grundlage dieser Informationen sollen die Israelis mit der Planung des Attentats begonnen haben. Als entscheidender Fehler, den der ansonsten als extrem vorsichtig geltende Mughnija gemacht haben soll, wird seitens Yedioth Ahronoth die Entscheidung genannt, an den Feierlichkeiten in der Botschaft Teherans in Damaskus anläßlich des 29. Jahrestages der Islamischen Revolution teilzunehmen. Woher der Mossad von dieser Entscheidung erfahren haben will, geht nicht aus dem Zeitungsartikel hervor - der seit Monaten in Gefangenschaft im Irak befindlichen Dakduk kann es nicht gewesen sein.

Anfang Februar 2008 soll ein Mossad-Team mit drei Fahrzeugen unerkannt vom irakischen Kurdistan nach Syrien eingedrungen sein. Spätestens ab den 11. Februar sollen die israelischen Geheimdienstler in Damaskus Mughnijas Spur aufgenommen, ihn beschattet und sein Telefon abgehört haben. Am 12. Februar soll sich Mughnija mit einer nicht näher identifizierten Frau getroffen haben - um das Rendezvous diskret abhalten zu können, soll er seinem Chauffeur und seinen Leibwächtern den Tag freigegeben haben, so Yedioth Ahronoth. Am Abend soll der Hisb-Allah-Militärchef alleine mit seinem silberfarbenen Mitsubishi Pajero zur iranischen Botschaft gefahren sein. Während Mughnija sich in der Botschaft aufhielt, sollen die Mossad-Mitglieder in sein Auto eingebrochen sein und die Kopfstütze des Fahrersitzes gegen eine identische ausgetauscht haben, die mit Sprengstoff gefüllt war. Als Mughnija am späten Abend den Empfang verließ und in sein Auto stieg, sollen die wartenden Mossad-Agenten die Bombe in der Kopfstütze per Funksignal gezündet haben.

Inwieweit diese Version mit den tatsächlichen Ereignissen übereinstimmt, ist nicht klar. Fest steht lediglich, daß Mughnija bei einer Bombenexplosion in einem Auto in Damaskus ums Leben gekommen ist, und daß die Hisb Allah Vergeltung geschworen hat. Darüber, warum sie die Ankündigung Nasrallahs nach einem Jahr immer noch nicht in die Tat umgesetzt hat, gab es in den letzten Tagen viele Spekulationen. Um Mughnija angemessen zu rächen, müßte die Hisb Allah einen schweren Schlag gegen den israelischen Staat führen oder einen hohen Repräsentanten Tel Avivs töten. Wegen der zahlreichen Sicherheitsvorkehrungen der Israelis ist dies nicht leicht. Hinzu kommt, daß ein solcher spektakulärer Anschlag schwere und nicht zu kontrollierende Konsequenzen hätte.

Seit dem letzten Sommer beteiligt sich die Hisb Allah wieder an der Regierung in Beirut und möchte nach den Verwüstungen von 2006 nicht allzu schnell wieder einen Krieg mit Israel provozieren. Des weiteren kommen die aktuelle Lage im Nahen Osten und die Möglichkeit einer Versöhnung oder Verständigung zwischen der neuen US-Administration unter Barack Obama und den Regierungen in Damaskus und Teheran hinzu. Vor diesem Hintergrund möchte die Hisb Allah sicherlich nicht diejenige sein, die eine Beilegung alter Streitereien im Wege steht. Nichtsdestotrotz kann die schiitische Miliz aus Gründen der Glaubwürdigkeit das Attentat auf ihren langjährigen Geheimdienstchef schwerlich ungesühnt lassen, weshalb die Israelis weiterhin mit einem entsprechenden Gegenschlag rechnen.

13. Februar 2009