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NAHOST/1045: Friedensprozeß - Strategisches Manöver zur Unterwerfung der Palästinenser (SB)


Palästinenser waren zu keinem Zeitpunkt Verhandlungspartner


Der sogenannte Friedensprozeß im Nahostkonflikt war nie etwas anderes als ein strategisches Manöver zur dauerhaften Unterwerfung der Palästinenser. Israel, die USA und die Mächte Europas exerzierten unter Kollaboration palästinensischer Eliten einen Prozeß fortgesetzter Beschneidung fundamentaler Rechte der Palästinenser, die zu immer weitgehenderen Zugeständnissen gezwungen wurden, ohne dafür irgendeine substantielle Gegenleistung zu erhalten. Die palästinensischen Unterhändler waren in diesem Verfahren keine Verhandlungspartner, sondern untergeordnete Chargen im Kontext einer Farce, die man belehrte, abkanzelte, abspeiste und hinters Licht führte. Als fiktive Stellvertreter ihres Volkes, installiert von Gnaden und auf Befehl Israels und der USA, bestand ihre wesentliche Aufgabe darin, als Statisten die Existenz eines Friedensprozesses zu simulieren.

Wenngleich es der dieser Tage von Al Dschasira und dem Guardian veröffentlichen Dokumente nicht bedurft hätte, um zu dieser Einschätzung zu gelangen, dokumentieren die Enthüllungen doch das Ausmaß der Subjugation wie auch die Unterwürfigkeit der palästinensische Verhandlungsführer. Hinter dem Rücken ihrer Landsleute und in krassem Widerspruch zu ihren offiziell geäußerten Standpunkten waren sie bereit, angeblich unverhandelbare Grundpositionen preiszugeben. Weder das Rückkehrrecht noch Ostjerusalem waren ihnen heilig, wie auch eine ethnische Säuberung durch Zwangsumsiedlungen und die Anerkennung eines jüdischen Staates Israel für sie kein Tabu darstellten.

Die Kollaboration der Autonomiebehörde ging so weit, daß sie mit israelischen, US-amerikanischen und britischen Geheimdiensten zusammenarbeitete, um militante Fraktionen in den besetzten Gebieten zu unterdrücken und sich für den geplanten Sturz der Hamas aufzurüsten. Sie verhandelte mit den Israelis über eine selektive Freilassung palästinensischer Gefangener, die ihr Image gegenüber den Rivalen aufbessern sollte, und wurde offenbar vorab über den Angriff der israelischen Streitkräfte auf den Gazastreifen zur Jahreswende 2008/2009 informiert. [1]

Die Position der US-Regierung in dieser Scharade unterstreicht eine bezeichnende Äußerung der damaligen Außenministerin Condoleezza Rice. Konfrontiert mit Millionen palästinensischer Flüchtlinge im Exil, deren Staatenlosigkeit und erbärmliche Existenz in Lagern, gab sie kalt zurück: "Schlechte Sachen geschehen ständig Leuten auf der ganzen Welt. Man muß vorwärts schauen." Und ihre Nachfolgerin Hillary Clinton verhöhnte im Herbst 2009 die Palästinenser mit der Äußerung, sie wüßte zu gerne, warum diese sich ständig aufführten, als seien sie "ein Kapitel einer griechischen Tragödie".

Präsident Obamas Sondergesandter George Mitchell drängte den palästinensischen Unterhändler Saeb Erekat im Herbst 2009, auf die Grenzen von 1967 als Voraussetzung für Verhandlungen über einen Palästinenserstaat zu verzichten. Als Erekat protestierte und geltend machte, daß diese Grenzen Bestandteil der Road Map von 2003 und ein Jahr zuvor von der Bush-Administration noch einmal ausdrücklich bestätigt worden seien, erwiderte Mitchell, die neue US-Regierung sei an diese Vorgaben nicht gebunden. Dann belehrte er Erekat, daß Präsident Obama frühere Entscheidungen seines Amtsvorgängers Bush nicht akzeptiere. Sollten sich die Palästinenser darauf berufen, werde das zu ihren Lasten gehen: "Staaten sind an Abkommen gebunden, nicht an Diskussionen und Erklärungen."

Als die Palästinenser darauf bestanden, sie würden erst verhandeln, wenn der befristete Baustopp in den Siedlungen auch Ostjerusalem einschließe, lektionierte sie Mitchell: "Sie müssen sich mit der Welt befassen, wie sie ist, und nicht wie Sie sie gerne hätten." Es sei unmöglich, Benjamin Netanjahu davon zu überzeugen, "selbst wenn wir die Israelis bis zum jüngsten Tag dazu bewegen wollen". Dann rügte er die Palästinenser, sie seien nicht imstande, die politische Landkarte Israels zu lesen. [2]

Womöglich noch rücksichtsloser und unnachgiebiger verfuhr die israelische Seite. So soll die damalige Außenministerin Tsipi Livni bei Verhandlungen im Jahr 2007 offen ausgesprochen haben, daß die Strategie israelischer Regierungen stets darauf abgezielt habe, einen lebensfähigen Palästinenserstaat zu verhindern: "Es ist Politik Israels, sich Tag für Tag immer mehr Land anzueignen, so daß wir am Ende sagen können, wir haben bereits das Land und können deshalb unmöglich einen palästinensischen Staat schaffen."

Im Interview mit dem Guardian äußerte sich der frühere israelische Unterhändler Daniel Levy nicht minder deutlich: "Das Bemerkenswerteste ist weniger die Art der Konzessionen seitens der Palästinenser als vielmehr der Umstand, daß sie Jahr für Jahr auf dieselbe Strategie setzen, die nicht nur gescheitert ist, sondern sie unablässig tiefer abrutschen läßt. Sie wußten, daß die Israelis alle Zugeständnisse einsackten, weitere Siedlungen bauten und dann erklärten: Wir brauchen mehr Land. Die Palästinenser verließen nie diese strukturelle Verliererposition und verfielen der Erwartung, die Amerikaner würden es den Israelis schon zeigen, da sich ja die palästinensischen Unterhändler so vernünftig verhielten. Aber das geschah einfach nicht. Die Amerikaner hielten es fortgesetzt mit der unvernünftigen Seite, und die Palästinenser gruben sich immer tiefer in diese Verliererposition."

Da die vorgeblichen Verhandlungspartner Wachs in ihren Händen waren, erlegten sich Israelis und US-Amerikaner keinerlei Zurückhaltung auf. So brüskierte Tsipi Livni die palästinensischen Unterhändler 2007 mit der barschen Zurückweisung internationalen Rechts: "Ich war Justizministerin, aber ich bin gegen das Recht - vor allem internationales Recht." Und Condoleezza Rice schlug 2008 allen Ernstes vor, die palästinensische Flüchtlinge könnten in Südamerika angesiedelt werden: "Vielleicht finden wir Länder, die ihren Beitrag dazu leisten, Chile, Argentinien, etc."

Mahmoud Abbas, der selbst ein Flüchtling war, soll im privaten Kreis geäußert haben: "Was die Zahl der Flüchtlinge betrifft, ist es unlogisch, von Israel zu verlangen, fünf Millionen oder auch nur eine Million aufzunehmen. Das wäre das Ende Israels." Die palästinensischen Unterhändler erklärten sich offenbar unter der Hand bereit, auf das Rückkehrrecht von mehr als fünf Millionen Menschen zu verzichten und sich mit einer symbolischen Zahl von 10.000 Flüchtlingen samt deren Familien zu begnügen. [3]

Auch die Definition Israels als jüdischer Staat, welche die PLO offiziell entschieden ablehnt, scheint deren Führung in Wirklichkeit wenig Kopfzerbrechen zu bereiten. Im privaten Gespräch erklärte Erekat den israelischen Unterhändlern, sie könnten seinetwegen ihren Staat jüdisch oder sonstwie nennen. Seinen eigenen Mitarbeitern teilte er inoffiziell mit, daß die Frage des jüdischen Staates nicht auf der Tagesordnung stehe.

Zugleich sorgte insbesondere die US-Regierung dafür, die fortgesetzte Farce mit den willfährigen Zuträgern auf palästinensischer Seite sicherzustellen. So bestanden Außenministerin Hillary Clinton und andere Regierungsvertreter darauf, als palästinensische Führung ausschließlich Mahmoud Abbas und Premierminister Salam Fayyad zu akzeptieren: Die USA erwarteten, "dieselben palästinensischen Gesichter zu sehen", wenn Washington die Autonomiebehörde weiter finanzieren solle.

Anmerkungen:

[1] Secret Palestine documents expose sham "peace process" (25.01.11)
World Socialist Web Site

[2] Palestine papers: George Mitchell (24.01.11)

The Guardian

[3] Papers reveal how Palestinian leaders gave up fight over refugees (24.01.11)
The Guardian

25. Januar 2011