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NAHOST/1052: Aufregung um iranische Kriegschiffe im Suezkanal (SB)


Aufregung um iranische Kriegschiffe im Suezkanal

Power Projection Teherans im Mittelmeer - von Israel unerwünscht


In Israel lösen die aktuellen Volkserhebungen gegen die autoritären Herrschaften in der islamischen Welt Unbehagen aus. In Tel Aviv sorgt man sich, daß Israel es künftig schwerer haben wird, sich mit Regierungen zu arrangieren, die mehr Rücksicht auf die Sympathie der eigenen Bevölkerung für das Schicksal der arabischen Brüder und Schwester in den besetzen palästinensischen Gebieten nehmen müssen, wie zugleich um den drohenden Verlust des Argumentes, der jüdische Staat sei als "einzige Demokratie im Nahen Osten" vom Westen her besonders unterstützungswürdig - diplomatisch, finanziell und militärisch. Nichts demonstriert die Unsicherheit der Israelis angesichts des "demokratischen Wandels" im Nahen Osten besser als die künstliche Aufregung Tel Avivs und dessen zionistischen Verbündeten in den USA um die bevorstehende Durchfahrt zweier Schiffe der iranischen Kriegsmarine durch den Suezkanal in nördlicher Richtung.

Glücklich waren die Israelis über den unfreiwilligen Rücktritt Hosni Mubaraks am 11. Februar nicht. Bis zuletzt stärkte die Regierung Benjamin Netanjahus den ägyptischen Diktator den Rücken und warnte vor der Einführung der Demokratie in Ägypten, weil freie Wahlen die Gegner des Camp-David-Abkommens von 1979 wie die Moslem-Bruderschaft an die Macht bringen könnten. Bis aber in Ägypten die neue Verfassung vorliegt, durch eine Volksabstimmung angenommen wird, die Wahlen durchgeführt werden, sich das neue Parlament konstituiert und eine neue Regierung mit dem Staatsgeschäft beauftragt wird, kann es noch lange dauern. Doch selbst wenn die Kritiker des Friedensabkommens mit Israel im ägyptischen Parlament die Mehrheit stellen, was zu erwarten ist, bedeutet das lediglich, daß sich Kairo und Tel Aviv zu einem neuen Modus vivendi werden finden müssen. Israel wird von seinem südlichen Nachbarn vermutlich keine Unterstützung mehr für die Blockade des von der Hamas regierten Gazastreifens erfahren. Darüber hinaus werden die Ägypter vermutlich auch auf eine Revidierung einiger Passagen des Friedensabkommens, die Kairos Herrschaft über den Sinai-Halbinsel beschränken, drängen, was vermutlich schwierige Verhandlungen nach sich ziehen wird. Doch daß der alten Kriegszustand zwischen Ägypten und Israel wieder eintritt, ist unwahrscheinlich. Gegen das israelische Atomwaffenarsenal ist Ägyptens Militär machtlos, also wird Kairo Tel Aviv über den diplomatischen und wirtschaftlichen Weg zu Zugeständnissen zu zwingen versuchen.

Diese Tatsachen vor Augen mutet die Aufregung der Regierung Netanjahu um die drohende, erstmalige Nutzung des Suezkanals durch iranische Kriegsschiffe seit dem Sturz des Shahs 1979 mehr als nur ein wenig überzogen, wenn nicht sogar lachhaft an. Es war Israels rechtsradikaler Außenminister Avigdor Lieberman, der am 16. Februar die bevorstehende Passage der nur 1450 Bruttoregistertonnen schwere Fregatte Alvand vom Typ Vosper Mark V und deren Versorgungsschiff Kharq durch den Suezkanal publik machte und sie als eine der "ständigen Provokationen" Teherans verurteilte. Der Satz Liebermans, "die internationale Gemeinschaft muß verstehen, daß Israel nicht ewig diese Provokationen ignorieren kann", wurde allgemein als indirekte Kriegsdrohung aufgefaßt und löste Turbulenzen am internationalen Ölmarkt aus. Deswegen folgte auf die Rede Liebermans eine Stellungnahme von Verteidigungsminister Ehud Barak, demzufolge das israelische Militär die Bewegungen der Schiffe seit längerem im Blick habe und befreundete Regierungen darüber laufend informiere. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die Alvand und die Kharq auf der Höhe der saudischen Hafenstadt Dschiddah im Roten Meer.

Der in den letzten Tagen von amerikanischen und israelischen Kritikern des "Mullah-Regimes" in Teheran vielfach erhobenen Vorwurf, die Iraner wollten durch die erstmalige Nutzung des Suezkanals durch ihre Kriegschiffe seit mehr als 30 Jahren die aktuelle Krise im Nahen Osten ausnutzen und die Region zusätzlich "destabilisieren", scheint eher aus der Luft gegriffen, als daß etwas wirklich dran wäre. Wie die in Beirut erscheinende Zeitung Daily Star am 17. Februar berichtete, hatte bereits am 26. Januar - die demokratischen Proteste in Ägypten hatten gerade am Tag davor angefangen; ihre Auswirkung war völlig ungewiß - die iranische Nachrichtenagentur Fars den Auslauf der beiden Schiffe zu einer einjährigen Ausbildungsmission bekanntgegeben, die sich auf das Rote Meer und das Mittelmeer erstrecke und bei der die Kadetten unter anderem den Schutz "Frachtschiffe und Öltanker" des Irans gegen somalische Piraten trainieren sollten.

Offiziell sollen die Alvand und die Kharq ein Jahr lang in Syrien stationiert werden und mit der Marine des Verbündeten zusammenarbeiten. Die These, mit den Schiffen könnten die Iraner die schiitische Hisb-Allah-Miliz im Libanon unterstützen, ist abwegig. Vor der libanesischen Küste patrouilliert die von der Bundesmarine angeführte Marine Task Force der UNIFIL, die vom UN-Sicherheitsrat den Auftrag hat, jeden Waffenschmuggel über den Seeweg in die Levante zu unterbinden - gegebenenfalls unter Anwendung militärischer Gewalt. Die Alvand und die Khark, die vierzig respektive dreißig Jahre alt sind, über keine moderne Elektronik verfügen und verhältnismäßig leicht bewaffnet sind, hätten im Ernstfall gegen die NATO-Schiffe der UNIFIL-MTF ebensowenig wie gegen die der israelischen Marine etwas entgegenzusetzen. Ihre Durchfahrt durch den Suezkanal, die den jüngsten Meldungen zufolge am 22. Februar stattfinden soll, hat in erster Linie Symbolcharakter. Da US-Flugzeugträger und israelische U-Boote des Typs Delphin regelmäßig den künstlichen Wasserweg zwischen Mittelmeer und Roten Meer in südlicher Richtung befahren, um Power Projection im Roten Meer und Indischen Ozean zu betreiben, warum, sollte der aufstrebende Iran im Mittelmeer nicht das gleiche tun dürfen?

21. Februar 2011