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NAHOST/1219: Atomgespräche mit dem Iran unter keinem guten Stern (SB)


Atomgespräche mit dem Iran unter keinem guten Stern

Keine friedliche Lösung des "Atomstreits" in Sicht



Zum Auftakt der zweiten Amtszeit von US-Präsident Barack Obama steht der Atomstreit mit dem Iran ganz oben auf der außenpolitischen Agenda Washingtons. Entsprechende Verhandlungen zwischen Vertretern der Gruppe P5+1 - der ständigen (engl. permanent, daher das P) Mitgliedstaaten des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen: China, Frankreich, Großbritannien, Rußland und die USA plus Deutschland - und Unterhändlern des Irans sollen am 26. Februar in Almaty, der Handelsmetropole Kasachstans, beginnen. Es steht jedoch zu befürchten, daß die jüngste Gesprächsrunde genau wie diejenige in Moskau im vergangenen Juni keine diplomatische Lösung des Streits herbeiführen wird - was natürlich die Wahrscheinlichkeit der Ergreifung einer militärischen Option durch die USA und Israel erhöht.

Innerhalb der demokratischen Obama-Regierung scheinen mehrere Personen eine friedliche Beilegung des "Atomstreits" mit der Islamischen Republik zu favorisieren. Hierzu werden der Präsident selbst, Vizepräsident Joseph Biden und der neue Außenminister John Kerry gezählt. Die Pragmatiker in der Exekutive haben jedoch größte Schwierigkeiten, sich gegen die meist republikanischen Populisten in der Legislative durchzusetzen, die eisern am iranischen Feindbild festhalten. Nichts verdeutlicht dies besser als die seit Wochen anhaltende, beispiellose Kontroverse um Obamas Nominierung Chuck Hagels zum neuen US-Verteidigungsminister. Hagel ist ein Republikaner und - wie sein ehemaliger Senatskollege Kerry - ein dekorierter Held des Vietnamkrieges. Doch weil er sich in der Vergangenheit für Verhandlungen mit Teheran auf Augenhöhe ausgesprochen und einen Militärangriff auf die iranischen Atomanlagen als die schlechteste aller Optionen bezeichnet hat, wird Hagels Ernennung zum neuen Pentagonchef blockiert und ihm unterstellt, er sei ein Feind Israels bzw. ein realitätsferner Pazifist in Sachen "Antiterrorkrieg".

Ihrerseits drängt die israelische Regierung unter dem wiedergewählten Premierminister Benjamin Netanjahu auf ein militärisches Vorgehen noch in diesem Jahr. Für Tel Aviv stellt das Kernenergieprogramm des Irans angeblich eine existentielle und damit inakzeptable Bedrohung Israels dar. Hinter der fortgesetzten Urananreicherung des Irans vermuten die Israelis die Schaffung genügend Spaltmaterials zum Bau einer Atombombe. Die Tatsache, daß die Iraner die von ihnen erzeugte Menge an bis zu 20 Prozent angereichertem Uran unter der kritischen zum Bau eines Atomsprengkopfes erforderlichen Grenze halten, indem sie das Material zu Platten für die Gewinnung radioaktiver Isotope für die Behandlung von Krebspatienten verarbeiten, mindert die Warnrufe aus Israel nicht im geringsten.

Ganz im Gegenteil hat Netanjahu vor wenigen Tagen unter Verweis auf den Bombenanschlag im bulgarischen Badeort Burgas, der im Juli 2012 fünf israelische Touristen tötete und weitere 32 verletzte, Teheran zum Zentrum eines "globalen Terrornetzwerkes" erklärt, das vom Westen besser früher als später zerschlagen werden sollte. Dabei sind die Indizien für eine Verwicklung der iranfreundlichen, schiitisch-libanesischen Hisb-Allah-Miliz in den Anschlag von Burgas mehr als dürftig, wie der Historiker Gareth Porter in einem am 18. Februar bei der Nachrichtenagentur Inter Press Service unter der Überschrift "Bulgarian Revelations Explode Hezbollah Bombing 'Hypothesis'" erschienenen Artikel überzeugend darlegte. Leider sind es weniger die gut recherchierten Artikel Porters als vielmehr durchsichtige Propagandastreifen wie der CIA-Thriller "Argo" von Ben Affleck, der nicht zufällig mit dem Oscar für den besten Film des Jahres ausgezeichnet wurde, die das Bild des Irans in der westlichen Öffentlichkeit prägen. Von daher ist es keine Überraschung, daß laut dem Ergebnis einer vor wenigen Tagen von Gallup veröffentlichten Umfrage ganze 99 Prozent der befragten US-Bürger das iranische Atomprogramm für eine "Bedrohung der vitalen Interessen der Vereinigten Staaten" halten.

Darüber hinaus gibt es allen Grund, an einer Ernsthaftigkeit der Verhandlungsbereitschaft der USA im "Atomstreit" zu zweifeln. In einem Artikel, der am 19. Februar bei der New York Times unter der Überschrift "Beltway Foreign Policy" erschienen ist, hat Kolumnist Roger Cohen das wenig schmeichelhafte Urteil Vali Nasrs in diesem Zusammenhang hervorgehoben. Nasr gehörte 2009 und 2010 als Berater von Richard Holbrooke, dem Sondergesandten der USA für Afghanistan und Pakistan, der Obama-Regierung an. In seinem im April erscheinenden Buch "The Dispensable Nation" rechnet der heutige Dekan der renommierten Johns Hopkins School of Advanced International Studies mit der von innenpolitischen Überlegungen dominierten und deshalb kontraproduktiven Außenpolitik der USA ab. In der NYT wird Nasr dahingehend zitiert, daß für Washington in der Frage des gestörten Verhältnisses der USA zum Iran "der Druck zu einem Selbstzweck" geworden sei; "Gesprächsbereitschaft diente als Tarnung für eine Zwangskampagne der Sabotage, wirtschaftlichen Sanktionen und Hackerangriffe". Es wäre zu wünschen, Obama würde in seiner zweiten Amtszeit einen versöhnlichen Kurs gegenüber dem Iran einschlagen. Leider mobilisieren derzeit die pro-israelischen Hardliner in Washington all ihre Kräfte, um eine solche Öffnung zu verhindern.

25. Februar 2013