Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

NAHOST/1240: Sunnitisch-schiitischer Konflikt in Syrien nimmt zu (SB)


Sunnitisch-schiitischer Konflikt in Syrien nimmt zu

Khamenei und Al Sadr kritisieren Israel und die Al-Nusra-Front



Im syrischen Bürgerkrieg, in dem seit zwei Jahren sunnitische Salafisten die Hauptlast des Kampfes gegen die regulären Streitkräfte der hauptsächlich von Atheisten, Christen und den zum Schiitentum zählenden Alewiten unterstützten Regierung von Präsident Baschar Al Assad tragen, gewinnt der religiöse Aspekt an Bedeutung. Der konfessionelle Graben hat sich durch die Nachricht, Anhänger der sunnitischen Al-Nusra-Front hätten vor wenigen Tagen einen den Schiiten wichtigen Schrein bei Damaskus geschändet, erheblich vertieft. Um sich für die Provokation zu rächen, machen sich Hunderte junger Schiiten aus dem Irak, dem Iran und dem Libanon bereits auf den Weg nach Syrien. Der Krieg dort droht somit immer mehr zum Regionalinferno zu werden.

Als am 30. April Scheich Hassan Nasrallah erstmals die Teilnahme von Angehörigen seiner Hisb-Allah-Miliz an den Kämpfen zugab, begründete er dies mit der Notwendigkeit des Schutzes mehrerer schiitischer Dörfer auf der syrischen Seite der Grenze zum Nordlibanon und der berühmten Sayyidah-Zainab-Moschee bei Damaskus. Das Gotteshaus ist für die Schiiten enorm wichtig, weil dort die sterblichen Überreste von Zainab, der Enkelin des Propheten Mohammed, liegen sollen. Zainabs Eltern waren Mohammeds Tochter Fatima und sein Vetter Ali, der auch als der erste Konvertit zum Islam gilt. Für die Schiiten nimmt Imam Ali einen besonderen Platz ein. Für sie gelten er und seine Nachfolger als die wahren Erben der Lehre Mohammeds. Im Streit um die Nachfolgeschaft des Propheten spalteten sich nur wenige Jahre nach dessen Tod die Muslime in Schiiten und Sunniten.

Bei seiner Rede zum Thema Syrien warnte Nasrallah, daß die Zerstörung der Sayyidah-Zainab-Moschee durch die Salafisten "sehr gefährliche Folgen" hätte. Im Nahen Osten würden "die Dinge außer Kontrolle geraten", so der Hisb-Allah-Chef. Kaum hatte Nasrallah diese Worte ausgesprochen, da wurde bekannt, daß sunnitische Freiwillige der Al-Kaida-nahen Al-Nusra-Front bei Damaskus einen anderen für die Schiiten wichtigen Schrein geschändet hatten. Es handelt sich dabei um die letzte Ruhestätte eines weiteren Kampfgefährten Mohammeds mit Namen Hajar Ben Adi Al Kundi, auch Hojr Ibn Oday genannt. Auf Facebook veröffentlichten die Rebellen Bilder des verwüsteten Gebäudes und versahen sie mit folgender Inschrift: "Das hier ist der Schrein des Hajar Ben Adi Al Kundi. Es ist einer der schiitischen Schreine in Adra Al Balad. Die Helden der Freien Syrischen Armee haben das Grab verwüstet und die Leiche an einem anderen Ort begraben. Gelobt sei Allah und möge Allah der Freien Syrischen Armee den Sieg bescheren."

Im Irak und Iran hat die Nachricht von der Schandtat Protestkundgebungen ausgelöst. Großajatollah Ali Khamenei bezeichnete die Grabschändung als "bitter und traurig". Das geistige Oberhaupt des Irans machte westliche Geheimdienste für den Vorfall verantwortlich und warf ihnen vor, damit eine Teile-und-Herrsche-Strategie im Nahen Osten zu verfolgen. In einem am 7. Mai in der New York Times erschienenen Artikel wurde Mojtaba Bigdeli, ein Vertreter der iranischen Hisb Allah, mit den Worten zitiert: "Diese sogenannte Al-Nusra-Front in Syrien ist das Werkzeug Saudi-Arabiens und Katars. Wir respektieren sunnitische Schreine. Wir schänden sie nicht. Wir werden eventuell Märtyrer-Bataillone gründen, um auf die Wahhabiten und Salafisten in Syrien zu reagieren. Mit Sicherheit werden wir nicht still halten."

Seit zwei Jahren tauchen immer wieder Medienberichte über junge Sunniten zum Beispiel aus Tunesien und Libyen auf, die nach Syrien reisen, um sich als Freiwillige am Sturz des vermeintlich gottlosen "Regimes" Baschar Al Assads zu beteiligen. Am 6. Mai berichteten Adam Schreck und Nabil Al-Jurani für die Nachrichtenagentur Associated Press unter der Überschrift "Iraqi death hints of Iran's role in Syrian crisis" über junge Schiiten, die aus dem Irak in das Nachbarland fuhren, um die Schreine dort zu beschützen. Laut AP spielt der Iran eine koordinierende Rolle, was die Bereitstellung von Freiwilligen der Irakischen Hisb Allah für den Kriegsdienst in Syrien betrifft. Über Teheran soll auch der Rücktransport der Leichen gefallener Märtyrer aus den schiitischen Gegenden des Iraks zu ihren Familien laufen. Die Zahl solcher Gefallenen könnte in nächster Zeit erheblich steigen. In Reaktion auf die israelischen Luftangriffe auf Ziele bei Damaskus in den frühen Morgenstunden des 3. und 5. Mai hat der mächtige irakische Prediger und Politiker Muktada Al-Sadr die Mitglieder seiner seit 2007 im Waffenstillstand ausharrenden Mahdi- Armee dazu aufgerufen, sich nach Syrien zu begeben, um die Zionisten und ihre salafistischen Handlanger in ihre Schranken zu verweisen.

8. Mai 2013