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NAHOST/1265: Unterdrückung vom Bahrains Schiiten in vollem Gange (SB)


Unterdrückung von Bahrains Schiiten in vollem Gange

Sunnitische Al-Khalifa-Familie hält am Absolutismus fest



Im Schatten der weltbewegenden Ereignisse in Ägypten, Libyen und Syrien setzt sich zweieinhalb Jahre nach Beginn des "Arabischen Frühlings" die brutale Unterdrückung der schiitischen Bevölkerungsmehrheit durch das Regime um die sunnitische Herrscherdynastie Al Khalifa in Bahrain fort. Der vor acht Monaten aufgenommene sogenannte nationale Dialog zwischen Opposition und Regierung ist wegen mangelnden Fortschritts gescheitert. Die Behörden in Manama setzen voll auf Konfrontation. Dafür spricht jedenfalls der geplante Kauf von mehr als einer Million Tränengasgeschossen aus südkoreanischer Produktion.

Im Februar 2011 kam es in Bahrain zu ersten zaghaften Demonstrationen für mehr Demokratie. Die sunnitische Al-Khalifa-Familie sah in den Protesten den Versuch der schiitischen Bevölkerungsmehrheit, die Macht im Staat zu übernehmen, um aus dem Königreich eventuell eine Republik zu machen. Man unterstellte den zumeist schiitischen Demonstranten, eine fünfte Kolonne des Iran zu sein, und ließ Mitte März 2011 aus dem benachbarten Saudi-Arabien über den 26 Kilometer langen König-Fahd-Damm mehr als 1000 Soldaten und 500 Polizisten in den Inselstaat einrücken, um die dortige Protestbewegung niederzuschlagen. Die Hilfe der sunnitisch-wahabitischen Saudis für ihre Al-Khalifa-Verwandten war nicht ganz uneigennützig. Riad mußte befürchten, daß ein erfolgreiches Aufbegehren der Schiiten in Bahrain in der benachbarten ölreichen ostsaudischen Provinz asch-Scharqiya, wo die schiitische Bevölkerungsmehrheit seit jeher als Menschen zweiter Klasse behandelt werden, Schule machen könnte. Die USA, deren 5. Flotte in Bahrain ihr Hauptquartier unterhält und die ansonsten in der Welt für Bürgerrechte und Demokratie eintreten, haben die Unterdrückung der Proteste mehr oder weniger widerspruchslos geschehen lassen.

Seitdem herrscht in Bahrain, allem voran in den schiitischen Siedlungen, Polizeiterror. 2012 stellten die Physicians for Human Rights fest, daß der "umfangreiche und ständige" Einsatz von Tränengas durch die Sicherheitskräfte Bahrains "in der 100jährigen Geschichte" der Verwendung dieses Kampfmittels "gegen Zivilisten beispiellos" sei. Die amerikanische Menschenrechtsorganisation warf der Polizei Bahrains vor, Zivilisten aus nächster Nähe mit Tränengasprojektilen zu beschießen und die Chemiewaffe auch in geschlossenen Räumen wie Wohnungen und Autos einzusetzen. Die Anzahl der Bahrainer, die infolge einer durch Tränengasgeschosse verursachten Kopfverletzung oder durch Ersticken im Gasnebel ums Leben gekommen sind, wird unterschiedlich angegeben. Sie soll irgendwo zwischen 26 und 77 liegen. Nach Angaben des Bahrain Centre for Human Rights hat die Polizei seit Februar 2011 89 Zivilisten getötet. Eine genaue Zahl der Verletzten gibt es nicht.

Wegen anhaltender Repression haben die fünf wichtigsten Oppositionsgruppen in Bahrain, al-Wifaq, Wa'd, al-Minbar, al-Tajammu, und al-Ikha, am 29.Oktober in einer gemeinsamen Erklärung ihre Teilnahme am nationalen Dialog aufgekündigt, weil sie dessen Fortsetzung für sinnlos erachten. Sie forderten die Regierung auf, politische Gefangene freizulassen und für ein Ende der Polizeirazzien gegen Oppositionsangehörige zu sorgen. Nur wenn dies geschehe, könnten die Gespräche wieder aufgenommen werden, so die Regimegegner.

Mit einer baldigen Erfüllung der Forderungen der Bahrainer Opposition ist nicht zu rechnen. Nach dem Scheitern des nationalen Dialogs scheint das Herrscherhaus Al Khalifa unter dem Vorwand der "Terrorbekämpfung" seine politischen Gegner noch stärker als bisher unterdrücken zu wollen. Wegen Teilnahme an einer ungenehmigten Demonstration und des angeblichen Versuchs, einen Polizisten mit einer Brandbombe zu töten, wurden am 22. Oktober sechs Regimegegner von einem Gericht in Manama zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Seit Ende September haben 128 Aktivisten der Demokratiebewegung lange Haftstrafen erhalten. Am 3. November wurde Anklage gegen Ali Salman, den Vorsitzenden der Oppositionsgruppe Al-Wifaq, wegen Beleidigung des Königshauses erhoben (Anlaß war eine von Salman organisierte Ausstellung über die polizeiliche Repression in Bahrain seit Anfang 2011). Am selben Tag wurden vier Oppositionelle wegen angeblicher Zusammenarbeit mit dem iranischen Geheimdienst und der Anschuldigung, Anschläge geplant zu haben, zu lebenslangen Freiheitsstrafen und sechs weitere zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt.

Hinter der Unterdrückung in Bahrain mit seinen lediglich 1,6 Millionen Menschen steckt ein perfider Plan. Das Herrscherhaus macht das Leben der Schiiten zur Hölle, um sie zur Ausreise bzw. Flucht zu bewegen. Gleichzeitig holt man immer mehr sunnitische Billigarbeiter, zum Beispiel aus Pakistan, ins Land. Durch die Kombination beider Maßnahmen soll langfristig die konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung Bahrains in Richtung auf eine sunnitische Mehrheit verschoben werden. Doch bis dahin dürfte es ein langer Weg sein, der mit den Leichen unschuldiger Opfer gepflastert wird.

5. November 2013