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NAHOST/1267: Saudi-Arabien widersetzt sich der Politik Obamas (SB)


Saudi-Arabien widersetzt sich der Politik Obamas

Riad an keiner Entspannung in Syrien oder im Atomstreit interessiert



Über die Bemühungen der Regierung Barack Obamas, mittels internationaler Verhandlungen den Bürgerkrieg in Syrien und den sogenannten Atomstreit mit dem Iran zu beenden, ist die Königsfamilie Saudi-Arabiens mehr als verärgert. Dies machte Riad im Oktober mit der spektakulären Entscheidung, die Wahl Saudi-Arabiens zum nicht-ständigen Mitgliedsstaat im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nicht anzunehmen, sehr deutlich. Kurz darauf ließ der saudische Geheimdienstchef und Nationale Sicherheitsberater Prinz Bandar, der aufgrund seiner langen Jahre als Botschafter in Washington beste Kontakte zu den neokonservativen, militaristischen Kreisen in den USA hat, verlautbaren, Saudi-Arabien werde künftig in der Außenpolitik eigene Wege gehen. Mit einem Besuch bei König Abdullah am 3. November gelang es US-Außenminister John Kerry nicht, eine Verbesserung der gestörten Beziehungen beider Staaten herbeizuführen.

Die neue außenpolitische Eigenständigkeit Saudi-Arabiens droht weiteres großes Unheil über die Region Nahost zu bringen. Wie man weiß, exportieren die Saudis seit Jahrzehnten durch den Bau von Moscheen und Schulen sowie die finanzielle Unterstützung militanter Gruppen den engstirnigen Wahhabismus in alle Länder der islamischen Welt und schüren damit Streit zwischen Sunniten und Schiiten. Die verheerenden Folgen dieser Politik sind ganz besonders in Pakistan und im Irak der Post-Saddam-Hussein-Ära zu sehen. Die Saudis tun sich auch als Hauptförderer jener Glaubenskrieger hervor, die seit mehr als zwei Jahren vergeblich versuchen, das säkulare Baath-"Regime" Baschar Al Assads in Damaskus zu stürzen, und wollen davon offenbar nicht lassen. Während sich die USA und Rußland fieberhaft um eine große Syrien-Friedenskonferenz in Genf bemühen, heizen die Saudis den Konflikt zusätzlich an.

Wie Mark Kenner am 6. November in der Onlineversion der renommierten US-Fachzeitschrift Foreign Policy berichtete, unternehmen die Saudis "einen neuen großen Versuch, die syrischen Rebellen auszubilden", und haben dafür ehemalige Armeeoffiziere aus Pakistan rekrutiert. Von der Aufstellung zweier Brigaden mit bis zu 10.000 Mann ist die Rede. Eventuell sollen die rund 43 verschiedenen sunnitischen Rebellenverbände zu einer "Armee des Islams" mit bis zu 50.000 Mann unter der Leitung von Zahran Alloush, einem salafistischen Kommandeur, dessen Vater ein Prediger in Saudi-Arabien ist, zusammengelegt werden. In einem Bericht des Londoner Guardian vom 8. November über die saudischen Umtriebe schrieb Nahost-Redakteur Ian Black, Prinz Bandar wolle die syrischen Rebellen mit Anti-Panzer- und tragbaren Boden-Luft-Raketen ausstatten. Das ganze Projekt erinnert fatal an die CIA-Operation Cyclone zur Unterstützung der Mudschaheddin im Kampf gegen die sowjetischen Truppen in Afghanistan in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts. An den Folgen jener großangelegten Unternehmung, bei der Pakistan und Saudi-Arabien führende Rollen spielten, leidet bis heute die ganze Welt, insbesondere aber die gesamte Region zwischen Atlas-Gebirge und Hindukusch.

Ein am 6. November ausgestrahlter Bericht der BBC-Fernsehsendung Newsnight über eine andere, potentiell noch gefährlichere Art der Zusammenarbeit zwischen Riad und Islamabad hat Aufmerksamkeit erregt. Laut Mark Urban, Militärkorrespondent der BBC, der sich unter anderem auf eine Quelle bei der NATO bezog, hat sich Saudi-Arabien über Pakistan eine eigene Atomwaffenkapazität verschafft, um dem Iran damit zu drohen. Seit langem wird gemunkelt, die Saudis hätten das von Abdul Qadeer Khan geleitete pakistanische Atomwaffenprogramm finanziert und sich dadurch gewisse Gegenleistungen gesichert. 2010 berichtete der private israelische Nachrichtendienst Debkafile, die Pakistaner hielten auf dem Luftwaffenstützpunkt Kamra zwei Atomwaffen zur ausschließlichen Verwendung durch Saudi-Arabien bereit, die nach Erhalt eines doppelt kodierten Signals von König Abdullah und dessen Geheimdienstchef per Frachtmaschine in das Königreich geflogen werden sollen. Nach der Ankunft würden die Atomsprengköpfe auf ballistische CSS-2-Raketen montiert und gegebenenfalls Richtung Iran abgefeuert.

In seinem Bericht sprach der BBC-Journalist Mark Urban von einer weiteren Option, nämlich daß im Ernstfall Islamabad pakistanische Nuklearstreitkräfte samt Atomwaffen nach Saudi-Arabien verlegen könnte. Dadurch könnten die Pakistaner behaupten, sie hätten keine Atomwaffen aus der Hand gegeben und sie somit nicht verbreitet. Ob sich die Saudis mit einem solchen Arrangement zufriedengeben würden, ist eine andere Frage. Jedenfalls lassen die Berichte über Saudi-Arabiens Destabilisierungsmaßnahmen in Syrien und seinen vermeintlichen Zugriff auf Kernwaffen Made in Pakistan sowie Meldungen über ein konspiratives Treffen Ende Oktober, Anfang November zwischen Bandar und Tamir Bardo, dem Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, in der jordanischen Hafenstadt Akaba am Roten Meer nichts Gutes für die Zukunft erwarten.

9. November 2013