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NAHOST/1281: Raketenangriff auf Hochzeitsgesellschaft im Jemen (SB)


15 Menschen bei mutmaßlichem CIA-Drohnenangriff im Jemen getötet

Der Kampf zwischen Al Kaida und den USA im Jemen spitzt sich zu



Ausgerechnet am selben Tag (12. November), an dem Prof. Peter Singer, der weltberühmte Bioethiker von der Princeton Universität, in einem Gastkommentar für die britische Zeitung Guardian von der Regierung Barack Obamas mehr Transparenz in Bezug auf den Einsatz bewaffneter Drohnen der CIA im Ausland forderte, sind bei einem Raketenangriff auf eine Hochzeitsgesellschaft, die in einem Autokonvoi in der jemenitischen Provinz Al Baida, nahe der Stadt Radda, unterwegs war, 15 Menschen getötet worden. Ob sich überhaupt Mitglieder von Al Kaida auf der arabischen Halbinsel (Al Qaeda in the Arabian Peninsula - AQAP) unter den Opfern befanden, ist unklar. Auch der Urheber des Angriffs steht nicht fest.

Laut Augenzeugenberichten wurden die Raketen von einer Drohne abgefeuert, was für eine Verantwortung der CIA spricht. Doch ob die Überlebenden tatsächlich die beteiligte Maschine und seinen Typus richtig erkannt haben, weiß man nicht. Sowohl unbemannte wie auch bemannte Flugzeuge können ihre Sprengkörper aus einer Entfernung von mehreren Kilometern abfeuern und sind in dem Moment von Personen am Zielort, wenn überhaupt, nur schwer auszumachen. Ohnehin steht seit langem der Verdacht im Raum, daß nicht alle Raketenangriffe im Jemen von Drohnen der CIA, sondern von Kampfjets der jemenitischen Luftwaffe oder eines in Küstennähe befindlichen Flugzeugträgers der US-Marine durchgeführt wurden. Radda gilt als Hochburg der AQAP. Von daher ist es möglich, daß das eine oder andere Mitglied der Organisation bei dem jüngsten Angriff ums Leben kam. Doch selbst wenn dies so wäre, dürfte die Zahl der zivilen Opfern und die brutale Art ihres Ablebens im Jemen für Empörung sorgen und noch mehr Menschen in die Arme der Dschihadisten treiben.

Bereits am 9. Dezember starben vier Männer in der jemenitischen Provinz Hadramaut, als ihr Auto von einer oder mehreren Raketen getroffen wurde. Die Identität der Getöteten ließ sich zunächst nicht klären, denn alle vier Leichen waren bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. In der allgemeinen Berichterstattung werden beide Raketenangriffe als Vergeltung für den Überfall der AQAP auf das jemenitische Verteidigungsministerium am 5. Dezember bewertet. Bei der spektakulären Erstürmung des vielleicht am besten bewachten Gebäudekomplexes Sanaas, bei der zu Beginn ein Selbstmordattentäter mit einem Auto ein Tor rammte und einen Sprengsatz zündete, kamen mindestens 52 Menschen, darunter mehrere Ausländer, ums Leben. Mehr als 167 Personen erlitten zum Teil schwere Verletzungen. In einem Bekennerschreiben rechtfertigte die AQAP den Überfall mit der Behauptung, daß die CIA-Drohnenangriffe hin und wieder von "amerikanischen Experten" aus dem jemenitischen Verteidigungsministerium koordiniert würden. Für die Richtigkeit dieses Vorwurfs hat es bislang keine Bestätigung gegeben.

Seit 2009 und dem Amtsantritt von Obama als US-Präsident haben die CIA und die amerikanischen Spezialstreitkräfte die Zahl ihrer Operationen gegen die AQAP deutlich erhöht. Den Bomben- und Raketenangriffen der USA fielen laut einem im Oktober von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch veröffentlichten Bericht zufolge 473 Jemeniten - weit überwiegend Zivilisten - zum Opfer. Man kann davon ausgehen, daß es sich bei den meisten "Terroristen", die hierbei getötet wurden, um salafistische Milizionäre der unteren oder mittleren Ebene handelte, deren Existenz oder Wirkung man schwerlich als Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA bezeichnen könnte. Das einzige AQAP-Mitglied, das diese Bezeichnung vielleicht verdiente, wäre der mutmaßliche Bombenbauer und -entwickler Ibrahim Al Asiri, der offenbar immer noch frei im Jemen herumläuft.

Das Drohnenprogramm der USA im Jemen trägt entgegen dem erklärten Ziel zur Stärkung der AQAP und zur Destabilisierung des am südlichen Eingang zum Roten Meer strategisch gelegenen Landes bei. Seit einiger Zeit führt die AQAP eine recht effektive Attentatsserie gegen Mitglieder der staatlichen Polizei und Armee durch, denen die Islamisten vorwerfen, mit den ungläubigen Ausländern zusammenzuarbeiten. Wegen der Häufigkeit solcher Attentate auf offener Straße wurde in Sanaa am 1. Dezember ein unbefristetes Fahrverbot für Motorräder verhängt. Seit den Massenprotesten und dem unfreiwilligen Rücktritt des langjährigen Präsidenten Ali Abdullah 2012 befindet sich der Jemen in einer schweren politischen Krise. Im Norden halten die blutigen Kämpfe zwischen schiitischen Huthi-Rebellen und salafistischen Milizionären an, während im Süden der Ruf nach der Wiederherstellung des eigenen Staates immer lauter wird. Auf die militärische Karte zu setzen, wie es die Obama-Regierung im Jemen tut, kann die schweren ethnischen, politischen, religiösen und wirtschaftlichen Probleme des bitterarmen Landes nur verschärfen.

13. Dezember 2013