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NAHOST/1312: Verhandlungen im Atomstreit geraten in die Sackgasse (SB)


Verhandlungen im Atomstreit geraten in die Sackgasse

Frage der Urananreicherung wird zum unüberwindbaren Hindernis



Am 13. Mai trafen sich in Wien Diplomaten aus dem Iran mit Vertretern der P5+1-Gruppe - der fünf ständigen UN-Vetomächte, China, Frankreich, Großbritannien, Rußland, USA plus Deutschland - um das Abkommen, mit dem der langjährige Streit um das iranische Atomprogramm ein für allemal aus der Welt geschafft werden soll, zu entwerfen. Bis zum 20. Juli soll das Vertragswerk den Außenministern aller sieben Nationen zur Unterzeichnung vorliegen. Hatten die Verhandlungen unter einem guten Stern begonnen - die Gespräche der Expertengruppen verliefen gut, die Internationale Atomenergieagentur (IAEA) erklärte im Vorfeld, die Iraner seien mit der Umsetzung des im November vereinbarten Interimsabkommens "dem Zeitplan voraus" -, so sind sie nach drei Tagen bereits in eine Sackgasse geraten. Der stellvertretende iranische Außenminister Abbas Araghchi teilte der Presse am 16. Mai mit, daß die intensiven Gespräche "keinen Fortschritt" erbrachten. "Wir haben versagt", sagte Araghchi. Am 17. Mai zitierte die Nachrichtenagentur Associated Press ein nicht namentlich genanntes Mitglied der US-Delegation dahingehend, die Verhandlungen steckten in "großen Schwierigkeiten", zwischen den Positionen Teherans und Washingtons bestünden "bedeutende" Unterschiede.

Im Rahmen des Joint Plan of Action (JPA) vom November 2013 hat der Iran die Urananreicherung stark zurückgefahren und seine vorhandenen Bestände an bis zu 20 Prozent angereichertem U235 für die militärische Nutzung unbrauchbar gemacht. Des weiteren haben die Iraner alle Atomanlagen für die IAEA-Inspekteure geöffnet und alle Fragen der Wiener Experten zu den iranischen Forschungen im Bereich der Zündtechnologie - hier war der Verdacht der Vorarbeit zum Sprengkopfbau entstanden - offenbar zur Zufriedenheit der Behörde beantwortet. Im Gegenzug haben die USA und die Vereinten Nationen die gegen den Iran verhängten Wirtschaftssanktionen etwas gelockert.

Zwecks einer umfassenden Beilegung des Atomstreits signalisierten die Iraner in den vergangenen Wochen ihre Bereitschaft, technische Veränderungen an ihrem Schwerwasserreaktor in Arak vorzunehmen, um hier die potentielle Gewinnung von Plutonium sehr stark einzuschränken. Doch das ist den Amerikanern offenbar noch nicht genug. Als Unterzeichnerstaat des Atomwaffensperrvertrages räumen die dem Iran zwar das Recht zur Urananreicherung im eigenen Land ein, wollen sie jedoch nur im geringen Ausmaß zulassen. Derzeit reichern 10.000 Zentrifugen Uran auf fünf Prozent U235 - hoch genug für die Herstellung von zivilen Brennstäben - an, während weitere 10.000 als Geste des guten Willens vorübergehend außer Betrieb sind. Die Iraner beabsichtigen künftig 100.000 Zentrifugen in Betrieb zu nehmen, um das Kraftwerk Buschehr und weitere, in Planung befindliche Atommeiler mit Brennstoff aus eigener Produktion befeuern zu können. Die USA wollen die Anzahl der im Iran arbeitenden Zentrifugen dagegen auf wenige tausend begrenzen. Auf diese Weise will Washington vor einen möglichen iranischen "Ausbruch" aus dem Atomwaffensperrvertrag eine hohe Hürde setzen.

Die Administration von US-Präsident Barack Obama hat große Schwierigkeiten, den Kongreß in Washington und die Regierung Benjamin Netanjahus in Israel dazu zu bringen, das Prinzip der Urananreicherung im Iran zu akzeptieren. Schließlich bauschen die Iranophoben in Washington und Tel Aviv seit Jahren über alle Maßen die Gefahr auf, die Islamische Republik könnte die sechsmonatige Frist zum Austritt aus dem Nicht-Verbreitungsabkommen in Anspruch nehmen, die IAEA-Inspekteure des Landes verweisen und sich in Handumdrehen zur Nuklearmacht entwickeln. Weshalb sich der Iran den zu erwartenden, drastischen Negativreaktionen des Westens aussetzen sollte, nur um einen oder zwei Atomsprengköpfe zu besitzen, die im Ernstfall im Vergleich zu den Nukleararsenalen Israels und der USA nicht ins Gewicht fielen, hat bisher niemand plausibel erklären können. Hinzu kommt, daß die Iraner nach Meinung aller Experten mindestens zehn Jahre von dem Bau einer ballistischen Rakete entfernt sind, die in der Lage wäre, einen Atomsprengkopf zu befördern.

In einem Artikel, der bereits am 15. Mai bei der Nachrichtenagentur Inter Press Service erschien, hat der Historiker Gareth Porter, Autor des neuen Buchs "Manufactured Crisis: the Untold Story of the Iran Nuclear Scare", vor einem Scheitern der Gespräche am Streitpunkt "Ausbruch" aus dem Atomwaffensperrvertrag gewarnt. Schlüssig legte er dar, daß es sich hier weniger um ein technisches, als vielmehr um ein politisches Problem handelt. Porters Analyse der propagandistischen Machenschaften der amerikanischen und israelischen Gegner eines Abkommens zeigt, wie eng Obamas Verhandlungsspielraum ist, und läßt die Befürchtung aufkommen, daß der Demokrat aus Chicago am Ende doch nicht in der Lage sein wird, seine Vision von einer Versöhnung zwischen USA und dem Iran in die Tat umzusetzen. Sollten die jetzigen Verhandlungen scheitern, werden auf beiden Seiten wieder die Hardliner das Sagen haben. Dementsprechend wird sich die Kriegsgefahr am Persischen Golf erhöhen.

18. Mai 2014