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NAHOST/1313: CIA-Mann Khalifa Hifter führt Putsch in Libyen durch (SB)


CIA-Mann Khalifa Hifter führt Putsch in Libyen durch

Pro-westliche Kräfte gehen gegen islamistische Milizen vor



Drei Jahre nach dem Sturz Muammar Gaddhafis hat die Geduld der USA mit den Verhältnissen in Libyen, wo diverse Milizen ihr Unwesen treiben und das Land in den Ruin treiben, offenbar ein Ende gefunden. Am 16. Mai hat die Libysche Nationalarmee (LNA), die Privattruppe des CIA-Vertrauensmanns Khalifa Hifter, einen großangelegten Angriff auf einen Stützpunkt der islamischen Miliz Ansar Al Scharia in der östlichen Hafenstadt Benghazi gestartet, bei dem rund 80 Menschen getötet und weitere 200 verletzt wurden. Zwei Tage zuvor hatte das Pentagon die Verlegung einer "Krisenreaktionsstreitmacht" von 200 Elitesoldaten von Spanien nach Sizilien bekanntgegeben. Das US-Verteidigungsministerium begründete die Maßnahme lapidar mit den instabilen Verhältnissen in Nordafrika. Inzwischen spricht vieles dafür, daß der Aufmarsch der US-Spezialstreitkräfte in Sizilien mit dem gewaltsamen Vorgehen der LNA gegen die islamischen Milizen zusammenhängt, das Hifter zwar nicht als Putsch verstanden wissen will, obwohl es ganz danach aussieht.

Der 65jährige Hifter war einst ein enger Verbündeter Gaddhafis. Als Armeeoffziere nahmen beide 1969 am Sturz der libyschen Monarchie um König Idris teil. Im Anschluß wurde Hifter Generalstabschef. 1986 führte er eine Militärintervention der libyschen Streitkräfte im Nachbarland Tschad mit dem Ziel an, die Regierung des US-Verbündeten Hissène Habré zu stürzen, die jedoch angeblich aufgrund mangelnder Unterstützung aus Tripolis nach nur wenigen Monaten fehlschlagen sollte. Nach einer verlorenen Schlacht geriet Hifter 1987 im Tschad in Gefangenschaft, wo er zur Libyan National Salvation Front (LNSF) überlief, der damals führenden, von der CIA finanzierten Anti-Gaddhafi-Gruppierung. Im darauffolgenden Jahr gründete er angeblich mit Hilfe der CIA und des saudischen Geheimdienstes die LNA, die zwei Jahre später beim Sturz von Präsident Habrés und der Einsetzung des von Frankreich protegierten Fliegeroffiziers Idriss Déby eine Rolle spielen sollte. 1990 siedelte Hifter mit einigen Getreuen in die USA über, um sich nur wenige Kilometer vom CIA-Hauptquartier in Langley, Virginia, in der Ortschaft Falls Church niederzulassen. Von dort aus fädelte er 1996 einen Aufstand gegen Gaddhafi ein, der jedoch mißlang. Einen Monat nach Ausbruch der Islamisten-Revolte in Benghazi kehrte Hifter im März 2011 nach Libyen zurück, um im Rang eines Oberstleutnants die Zusammenarbeit der Aufständischen mit der Luftwaffe und den Spezialstreitkräften der NATO zu koordinieren.

Im Februar dieses Jahres gab Hifter bei einem denkwürdigen Fernsehauftritt die Entlassung der libyschen Regierung bekannt. Doch aus unerklärlichen Gründen ist aus dem Putschversuch nichts geworden. Der Vorstoß war möglicherweise eine Reaktion auf die Entscheidung des von den Islamisten dominierten Interimsparlaments, dem General National Congress (GNC), sein eigentlich im Januar abgelaufenes Mandat bis Dezember zu verlängern. Wegen ständiger Streitereien schaffen es Libyens Parlamentarier seit 2012 nicht, sich auf eine neue Verfassung für den Mittelmeerstaat zu verständigen. Die Radikalislamisten wollen darin den Koran als alleinige Quelle aller Gesetzgebung festgeschrieben sehen, die Säkularisten wehren sich dagegen.

Hinzu kommen Spaltungstendenzen. Die östlichen Provinzen Libyens wollen einen höheren Anteil von den Öleinnahmen des Staates und drohen mit der Abspaltung. Währenddessen führen islamistische Milizen kontinuierlich Attentate gegen ehemalige Mitglieder von Gaddhafis Sicherheitsapparat, gegen Führungskräfte der neuen Armee und der Polizei sowie gegen alle Politiker durch, die für einen halbwegs säkularen Staat eintreten. Wegen der akuten Bedrohungslage flüchtete Ex-Premierminister Ali Zeidan im März ins Ausland und kündigte im April Verteidigungs- und Interimspremierminister Abdullah Al Thani seinen Rücktritt aus der aktiven Politik an.

Die jetzige Initiative der LNA scheint jedenfalls weit besser organisiert zu sein als der völlig folgenlose Putschversuch im Februar. Beim Angriff auf die Stellungen der Islamisten in Benghazi am 16. Mai handelte es sich um eine koordinierte Boden-Luft-Operation. Als die Regierung in Tripolis am 17. Mai die Aktion verurteilte und Einheiten der staatlichen libyschen Streitkräfte die LNA und die Ansar Al Scharia in Benghazi vergeblich zu trennen versuchten, griffen am darauffolgenden Tag zur Vergeltung Angehörige der Zintane-Brigade, offenbar Verbündete Hifters, das Parlamentsgebäude in Tripolis mit Panzerfäusten und Luftabwehrkanonen an, setzten das Gebäude in Brand, nahmen rund 20 Abgeordnete als Geisel und schlugen die restlichen in die Flucht. Auch das vom Verteidigungsministerium verhängte Flugverbot über Benghazi wurde nicht befolgt. Weder hörten Hifters Piloten mit ihren Angriffen auf die Islamistenstellungen auf, noch stiegen Maschinen der regulären Luftwaffe auf, um sie daran zu hindern.

Presseberichte über verstärkte Drohnenaktivitäten in den letzten Tagen im libyschen Luftraum sowie das Verhalten der Luftwaffe und den Spezialstreitkräften Libyens legen den Schluß nahe, daß das Vorgehen von Hifter und seiner LNA mit Unterstützung der CIA und dem US-Militär erfolgt. Der Oberbefehlshaber der libyschen Spezialstreitkräfte, Wanis Bukhamada, teilte der Nachrichtenagentur Reuters am 19. Mai in Benghazi mit, daß er sich mit seinen Männern Hifters "Operation Wiederherstelllung der Würde Libyens" angeschlossen hätte. Am selben Tag unterstellten sich die Militärangehörigen am Luftwaffenstützpunkt Tobruk im Osten Libyens dem Befehl Hifters und gaben ihre Beteiligung am Kampf gegen die "Extremisten" bekannt.

Wie das Parlament in Tripolis und die Regierung von Noch-Premierminister Al Thani mit der neuen Situation zurechtzukommen gedenken, ist nicht ganz klar. Einige Politiker begrüßten den Versuch, das Gewaltmonopol des Staates wiederherzustellen, andere wiederum verurteilten die Aktion der LNA als selbstherrlich und undemokratisch. Die Befürworter eines islamischen Kalifats haben jedenfalls Hifters Fehdehandschuh aufgenommen. In einer am 19. Mai im Internet veröffentlichten Videobotschaft erklärte Abu Musab Al Arabi im Namen der "Löwen des Monotheismus" Hifter und seinen Alliierten vollmündig den Krieg: "Sie haben eine Schlacht eröffnet, die Sie verlieren werden".

20. Mai 2014