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NAHOST/1402: Al Kaida mit Hilfe Riads im Jemen auf dem Vormarsch (SB)


Al Kaida mit Hilfe Riads im Jemen auf dem Vormarsch

Saudi-Arabien richtet das Armenhaus des Nahen Ostens zugrunde


Im Jemen hat die seit dem 26. März anhaltende Aggression einer von Saudi-Arabien angeführten und den USA hochgerüsteten Militärallianz sunnitischer Staaten - darunter Bahrain, Ägypten, Jordanien, Katar, Kuwait, Marokko, Sudan, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Türkei - eine humanitäre Krise biblischen Ausmaßes ausgelöst. Die Seeblockade der allermeisten jemenitischen Häfen durch die Kriegsschiffe Ägyptens und Saudi-Arabiens hat zu einer schweren Hungersnot unter den 25 Millionen meist armen Jemeniten geführt. Die täglichen Luftangriffe der sunnitischen Streitmacht, bei denen auch völkerrechtlich geächtete Streubomben eingesetzt werden, haben bereits rund 2000 Zivilisten getötet und weite Teile der zivilen Infrastruktur des Landes zerstört. Insgesamt soll der Krieg bislang mehr als 5000 Menschen das Leben gekostet haben. Nach Einschätzung von Peter Maurer, dem Chef des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes, sieht es im Jemen bereits nach fünf Monaten so aus wie in Syrien, wo seit fünf Jahren ein heftiger Bürgerkrieg tobt.

Ein Ende der Bodenkämpfe zwischen den schiitischen Huthi-Rebellen, deren Hauptsiedlungsgebiet im Norden Jemens liegt, und dem von Saudi-Arabien unterstützten Bündnis aus Anhängern des gestürzten Interimspräsidenten Abd Rabbuh Mansur Hadi, südlichen Separatisten und religiösen Fanatikern von Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) ist nicht in Sicht. Saudi-Arabien hat bislang alle Bemühungen um einen Waffenstillstand bzw. eine humanitäre Feuerpause torpediert, worüber UN-Generalsekretär Ban Ki-moon mehr als erzürnt sein soll, glaubt man den Angaben von Robert Parry, der sich am 14. August in einem Artikel bei Consortium News zur Jemen-Krise auf eigene Quellen bei den Vereinten Nationen in New York bezog. Aus Sicht Bans sind die Saudis die Hauptverantwortlichen für die humanitäre Notlage im Jemen, denn sie hätten mit ihrer einseitigen Militäraggression Ende März die Bemühungen der Vereinten Nationen um eine Kompromißlösung, die den Abzug der Huthi-Rebellen aus der jemenitischen Hauptstadt Sanaa und eine Rückkehr Hadis in sein Amt zur Folge gehabt hätte, wodurch ein Krieg vermieden worden wäre, zum Scheitern gebracht.

Das Motiv für die saudische Militärintervention im Nachbarland ist für Außenbetrachter undurchsichtig. Offiziell heißt es aus Riad, mit der Zurückdrängung der schiitischen Huthis und der Wiedereinsetzung Hadis als Staatsoberhaupt wolle man verhindern, daß der Jemen in die Einflußsphäre des schiitischen Irans gerate. Doch die These von persischen Umtrieben im Jemen läßt sich bislang faktisch nicht belegen. Die Huthis haben aus Teheran bestenfalls diplomatische und etwas finanzielle, aber keine nennenswerte militärische Unterstützung erfahren. Viel plausibler erscheint die Annahme, wonach die Saudis nach dem Tod von König Abdullah und der Ernennung seines Halbbruders Prinz Salman zum Nachfolger am 23. Januar 2015 durch eine Strafexpedition gegen die Huthis im Jemen ein Zeichen der Macht nach Innen und Außen setzen wollten. Darüber hinaus besteht der begründete Verdacht, daß die Einführung einer liberaldemokratischen Verfassung im Jemen mit weitgehender Gleichberechtigung für die Frauen in Riad als Bedrohung des eigenen religiös-fundamentalistischen Herrschaftssystems empfunden wurde und deshalb verhindert werden sollte.

Seit Anfang August Bodentruppen aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten mit Panzern und schwerem Gerät an den Kämpfen im Jemen teilnehmen, befindet sich die Anti-Huthi-Allianz auf dem Vormarsch. Die Hafenstadt Aden liegt inzwischen vollständig in den Händen der Verbündeten Riads. Eine für die Zivilbevölkerung positive Konsequenz dieses Umstands ist, daß dort der Handel halbwegs wieder normal läuft und wichtige Güter wie Nahrungsmittel und Medikamente eingeführt werden können. Gleichwohl hat der Rückzug der Huthis aus Aden dazu beigetragen, daß dort erstmals Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel öffentlich Präsenz zeigt. Am 22. August wurde sowohl über dem Hafen als auch über dem Präsidentenpalast vorübergehend die schwarz-weiße Al-Kaida-Fahne gehißt. Laut Informationen der Nachrichtenagentur Agence France Presse sollen es auch AQAP-Dschihadisten gewesen sein, die am selben Tag im Stadtteil Tawahi das vierstöckige Hauptquartier der jemenitischen Sicherheitspolizei in Aden mit einer größeren Menge Sprengstoff in die Luft jagten und komplett zerstörten.

Währenddessen konzentrieren sich die Bodenkämpfe aktuell auf Taiz, die drittgrößte Stadt Jemens, die auf der wichtigsten Nord-Süd-Straße, der N1, 274 Kilometer südlich von Sanaa und 179 Kilometer nördlich von Aden entfernt, liegt. Gleichzeitig greift die Luftstreitmacht der Saudis und ihrer Alliierten verstärkt die Hafenstadt Al-Hudaida am Roten Meer an, die quasi als letztes Schlupfloch für Hilfsgüter in die von den Huthis kontrollierten Landesteile gilt. Auch wenn das Chaos im Jemen infolge des von Saudi-Arabien initiierten Kriegs noch Jahre andauern sollte, wonach derzeit alles aussieht, so kann das Herrscherhaus der Sauds bereits die ersten Erfolge für sich verbuchen. Wie Agence France Presse am 12. August unter Berufung auf Al-Itthad, die arabische Webseite der staatlichen iranischen Fars News Agency (FNA), berichtete, haben Hunderte asiatischer Gastarbeiter vor einigen Wochen im Auftrag des Verteidigungsministeriums in Riad auf der strategisch wichtigen, jemenitischen Insel Sokotra, die unmittelbar am Horn von Afrika, unweit der dem Roten Meer und Indischen Ozean verbindenden Meerenge Bab Al Mandab, liegt, begonnen, eine moderne Hafenanlage für die saudische Kriegsmarine zu bauen.

25. August 2015


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