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NAHOST/1420: Im Jemen richtet Saudi-Arabien blutiges Chaos an (SB)


Im Jemen richtet Saudi-Arabien blutiges Chaos an

Mit Hilfe Riads macht sich Al Kaida im Jemen breit


Nach sieben Monaten Krieg entsteht im Jemen, ohnehin das Armenhaus Arabiens, ein Chaos, das sich durchaus mit demjenigen in Libyen vergleichen läßt. Im Verlauf der nunmehr sieben Monate andauernden Militärinvention einer von Saudi-Arabien angeführten Koalition sunnitischer Autokratien sind nach Angaben der Zeitung Jemen Post 6000 Zivilisten ums Leben gekommen, die allermeisten von ihnen durch Luftangriffe der ausländischen Invasoren. Millionen von Menschen sind vor den Kämpfen auf der Flucht. Wegen der Seeblockade der Saudis und ihrer Verbündeten - dazu gehören im Hintergrund die USA - herrscht im Jemen eine humanitäre Krisenlage. Weite Teile der Bevölkerung leiden an Wasser- und Nahrungsmangel.

Trotz eifriger Bemühungen der Vereinten Nationen sieht es nicht so aus, als würden sich Interimspräsident Abd Rabbuh Mansur Hadi und die Huthi-Rebellen, die ihn Anfang des Jahres abgesetzt hatten, bald auf die Aufnahme von Friedensverhandlungen einigen. Zwar geben sich beide Seiten prinzipiell gesprächsbereit, doch verlangt Hadi, daß sich die schiitischen Huthi-Rebellen und die mit ihnen verbündeten Streitkräfte des früheren langjährigen jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah vor den Verhandlungen aus allen Städten, die sie kontrollieren, zurückziehen. Dazu sind die Huthis, die ihre Bewegung selbst Ansurullah nennen, nicht bereit.

Seit einigen Wochen liefern sich die Konfliktparteien heftige Kämpfe um die Stadt Taizz, die auf halber Strecke zwischen der von den Huthis kontrollierten Hauptstadt Sanaa im Norden und der Hafenmetropole Aden liegt. Letztere konnten die Hadi-Getreuen im Sommer mit saudischer Hilfe zurückerobern konnten. An den Kämpfen um Taizz beteiligen sich ausländische Bodenstreitkräfte aus Saudi-Arabien, Ägypten, Marokko, Bahrain, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Am 17. Oktober ging eine Vorhut aus 600 Soldaten aus dem Sudan in Aden an Land. Mit insgesamt 10.000 Infanteristen will sich Khartum am Anti-Huthi-Feldzug Saudi-Arabiens beteiligen. Wie Ahmed Al-Haj, Korrespondent der Nachrichtenagentur Associated Press berichtete, besteht die Hauptaufgabe der sudanesischen Truppen darin, Aden zu sichern.

Dazu gibt es allen Anlaß. Die Regierung von Ministerpräsident Khaled Bahah, die Ende September aus Riad nach Aden zurückgekehrt war, hat die Stadt am Arabischen Meer wieder verlassen, nachdem am 6. Oktober das Hotel, in dem sie residierte, Ziel eines doppelten Autobombenanschlages geworden war. Zwar kamen keine Regierungsmitglieder ums Leben, doch bei dem Angriff auf das Hotel sowie bei einem zeitgleichen Autobombenanschlag auf einen Militärstützpunkt in Aden starben 15 Soldaten - zehn Jemeniten sowie einer aus Saudi-Arabien und vier aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Zu den Anschlägen bekannte sich der Islamische Staat (IS), der im Jemen infolge der Kriegswirrungen allmählich Fuß faßt.

Wie die Nachrichtenagentur Agence France Presse am 22. Oktober aus Aden berichtete, weht die schwarz-weiße Fahne von Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) inzwischen über weiten Teilen der zweitgrößten Stadt des Jemen. Im AFP-Bericht wurde ein nicht namentlich genannter Regierungsbeamter dahingehend zitiert, daß in Aden Al Kaidas "Präsenz mit jedem Tag wächst". Derselbe Beamte äußerte die Befürchtung, daß die Dschihadisten "die vollständige Kontrolle" über die strategisch enorm wichtige Hafenstadt unweit von Bab Al Mandab, der Meeresenge zwischen Rotem Meer und Indischem Ozean, übernehmen könnten. Die Angst ist nicht unbegründet. Mit Duldung der Saudis hat AQAP bereits im April die Verwaltung von Hadramaut, dem flächenmäßig größten Gouvernment des Jemen samt Mukalla, der drittgrößten Hafenstadt, übernommen und dort ihre rückwärtsgewandte Auslegung der Scharia-Gesetze eingeführt. Anfang Oktober haben AQAP-Kämpfer die öffentlichen Gebäude in Zindschibar, der Hauptstadt von Abyan, einem von insgesamt fünf der von der saudischen Militärallianz befreiten Gouvernments im Süden des Jemen, besetzt.

24. Oktober 2015


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