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NAHOST/1432: Saudi-Arabien versinkt im Sumpf des Jemen-Kriegs (SB)


Saudi-Arabien versinkt im Sumpf des Jemen-Kriegs

Militärabenteuer im Nachbarland kommt Riad teuer zu stehen


Für Saudi-Arabien häufen sich die Probleme. Das Land sieht sich im Westen zunehmend dem Vorwurf ausgesetzt, mit Geldspenden und Waffenlieferungen wichtigster Förderer der "Terrormiliz" Islamischer Staat (IS), die in Syrien, Irak, Libyen und anderswo Angst und Schrecken verbreitet, zu sein. Niedrige Ölpreise, die Riad durch Produktionssteigerung selbst herbeigeführt hat, um die Fracking-Industrie der USA und die Energiewirtschaft Rußlands zu schwächen, bescheren Saudi-Arabien stark sinkende Staatseinnahmen. Gleichzeitig schlagen die enormen Kosten des Kriegs im Jemen, den das saudische Königshaus im März zusammen mit den sunnitisch-arabischen Monarchien am Persischen Golf losgetreten hat, zu Buche. Ursprünglich war die Militärintervention im Jemen dazu gedacht, die Position des neuen saudischen Königs Salman und die seines Sohns und designierten Nachfolgers, des neuen, nur 29 Jahre alten Verteidigungsministers, Kronprinz Mohammed, zu festigen. Wie man einer am 2. Dezember veröffentlichten Lageanalyse des Bundesnachrichtendienstes (BND) entnehmen kann, sehen dessen Experten in der neuen Impulsivität Riads eine akute Gefahr nicht nur für das Überleben der Herrschaft der saudischen Königsfamilie im eigenen Land, sondern auch für die gesamte arabische Welt.

Im Jemen ist kein baldiges Ende des Krieges, der seit Ende März Tausende Menschen das Leben kostete und das ganze Land aufgrund von Nahrungsmittelknappheit in eine humanitäre Katastrophe stürzte, in Sicht. Interimspräsident Abd Rabbuh Mansur Hadi, der im Januar von den schiitischen Huthi-Rebellen abgesetzt worden war und dem die Saudis wieder an die Macht verhelfen wollen, blockiert einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters vom 2. Dezember zufolge die Bemühungen des UN-Sondergesandten Ismail Ould Cheikh Ahmed, alle Kriegsparteien zur Teilnahme an Friedensverhandlungen im Januar entweder in der Schweiz oder in Oman zu bewegen. Angeblich hat Hadi Vorbehalte gegenüber einer möglichen Friedenslösung, weil sie ihn eventuell sein Präsidentenamt kosten könnte. Hadi soll sich bei den Beratungen des UN-Vertreters Ahmed im Gegensatz zu den Huthis, den mit ihnen verbündeten Kräften um Ex-Präsident Ali Abdullah Saleh, und sogar dem eigenen Premierminister Khaled Bahah, als wenig kompromißbereit gezeigt haben. Darum stehen nun die Saudis unter Druck, Hadi, der im Jemen selbst über wenig politischen Rückhalt verfügt, zugunsten von Premierminister Bahan, der im Reuters-Bericht von einem nicht namentlich genannten Diplomaten als "fähiger Technokrat" bezeichnet wird, fallen zu lassen.

Zur politischen Uneinigkeit im Regierungslager kommt auch die Unfähigkeit von Hadi und seinen Verbündeten, in den von ihnen mit der Militärhilfe Saudi-Arabiens und den Golfstaaten "befreiten" Teilen des Jemens - hier sind in erster Linie der Osten und die südliche Küstenregion einschließlich der Hafenmetropole Aden gemeint - für Ordnung zu sorgen. Seit Monaten steht die Hafenstadt Mukallah, die zugleich Hauptstadt des größten jemenitischen Gouvernments Hadramaut ist, unter der Kontrolle von Al Kaida auf der arabischen Halbinsel (Al Qaeda in the Arabian Peninsula - AQAP). Mit einem Sturmangriff haben AQAP-Kämpfer am 2. Dezember Zindschibar, Hauptstadt des Gouvernments Abyan, die zwischen Al Mukalla im Osten und Aden im Westen liegt, erobert. Über einigen Stadtteilen von Aden, die nur 20 Kilometer von Zindschibar entfernt liegen und sich seit Juli nominell unter der Kontrolle von Hadis Leuten befinden, wehen seit Wochen demonstrativ die schwarz-weißen Fahnen von Al Kaida. Mit einem Putschversuch der Dschihadisten in Aden muß also jederzeit gerechnet werden.

Seit Monaten liefern sich die Huthi-Rebellen und Salehs Soldaten mit den Anhängern Hadis, südlichen Separatisten und ausländischen Truppen schwere Kämpfe um die Stadt Taizz, die auf halber Strecke an der wichtigsten Verkehrsverbindung zwischen Aden im Süden und der Hauptstadt Sanaa im Norden liegt. Dort ist die Kriegsfront zwischen dem von den Huthis dominierten Nordjemen und dem "befreiten" Süden praktisch zum Stillstand gekommen. Angesichts der militärischen Pattsituation bei Taizz haben die Huthis vor wenigen Tagen einen Vorstoß in den Südwesten Saudi-Arabiens hinein gewagt. Über den Verlauf der Operation gibt es unterschiedliche Angaben.

Am 3. Dezember meldete die iranische Nachrichtenagentur Fars, die Huthis hätten mehrere Stützpunkte erfolgreich eingenommen und seien auf dem besten Weg die saudische Provinz Nadschran, deren Bevölkerung mehrheitlich schiitisch ist, zu erobern. Dagegen berichtete am selben Tag die in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, erscheinende Zeitung The National, saudische Truppen hätten die jemenitische Bodenoffensive zurückgeschlagen und rund 180 Huthi-Kämpfer getötet. Wie dem auch sei, je länger der Krieg im Jemen andauert, um so mehr werden sich die gesellschaftlichen Widersprüche in Saudi-Arabien zwischen Modernisierern und religiösen Fundamentalisten, Realisten und Militaristen verschärfen. Kommt es nicht bald im Jemen zu einer Beendigung der Kampfhandlungen, könnte das die Saudis ihre Herrschaft in Riad kosten.

4. Dezember 2015


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