Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


NAHOST/1453: Beilegung des Jemenkriegs erweist sich als schwierig (SB)


Beilegung des Jemenkriegs erweist sich als schwierig

Der Grund für die saudische Invasion ist immer noch ein Rätsel


Im Jemen wird die am 11. April eingetretene Feuerpause Agenturberichten zufolge nur zu siebzig bis achtzig Prozent eingehalten. Hin und wieder flammen Kämpfe zwischen Anhängern des gestürzten Präsidenten Abd Rabbu Mansur Hadi, den ihnen unterstützenden Truppen aus Saudi-Arabien und den anderen sunnitischen Petromonarchien am Persischen Golf auf der einen Seite, den Huthi-Rebellen und den Teilen der jemenitischen Streitkräfte, die weiterhin dem früheren langjährigen Staatsoberhaupt Ali Abdullah Saleh und dessen Klan die Treue halten, auf der anderen auf. Die beiden Kriegsparteien führen seit dem 21. April in Kuwait Stadt unter der Leitung des UN-Sondergesandten Ould Sheikh Ahmed Gespräche über eine friedliche Beilegung des Konflikts. Am 26. April meldete der mauretanische Diplomat, die Verhandlungsführer beider Delegationen hätten sich auf eine umfassende Gesprächsagenda verständigt, mit deren Abarbeitung am 27. April begonnen werden sollte.

Unterdessen haben die Streitkräfte der Vereinigten Arabischen Emirate in den letzten Tagen mit einer blutigen Offensive im Südosten des Jemen die Hafenstadt Mukalla von Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel (Al Qaeda in the Arabian Peninsula - AQAP) zurückerobert. Die Hauptstadt von Hadramaut, dem flächenmäßig größten Gouvernememt des Jemen, befand sich quasi seit Beginn der von Saudi-Arabien angeführten ausländischen Militärintervention mit Namen Entscheidender Sturm vor einem Jahr unter der Kontrolle der AQAP. Dort hatte die salafistische "Terrororganisation" das Scharia-Gesetz eingeführt sowie größere Mengen Waffen und Geld erbeutet. Zuletzt hatte die AQAP mit eigenen Motorbooten bei allen in Mukalla einlaufenden Schiffen Hafengeführen eingetrieben. Auch wenn es aus Riad vollmundig hieß, 800 Dschihadisten seien bei der Rückeroberung Mukallas getötet worden, deutet die rasche Einnahme der Küstenstadt durch die emiratischen Spezialstreitkräfte auf einen taktischen Rückzug von AQAP hin.

Bis heute wirft die Frage nach dem eigentlichen Grund für die Einmischung von Saudi-Arabien und dessen Verbündeten in die jemenitische Innenpolitik Rätsel auf. Offiziell begründet Riad die Militäroperation mit dem Hinweis auf dunkle Umtriebe seitens des Irans. Doch für die von den Saudis postulierte These, Teheran wolle über die schiitischen Huthis den Jemen in seine Einflußsphäre ziehen und die Kontrolle über die strategisch wichtige Wasserstraße Bab Al Mandab an sich reißen, die das Rote Meer mit dem Indischen Ozean verbindet, fehlen bis heute konkrete Beweise für eine nennenswerte finanzielle und militärische Unterstützung der Rebellen und der Truppen Salehs durch die Iraner.

Seit Beginn der Luftangriffe der von Saudi-Arabien geführten Militärkoalition am 26. März 2015 reißen die Spekulationen nicht ab, es ginge Riad darum, sich den Zugriff auf die jemenitischen Energiereserven zu sichern. Der Jemen verfügt über bescheidene Öl- und Gasreserven, die sich hauptsächlich in den Regionen Ma'rib und Al Dschauf im Norden, Dschannah und Ijad in der Mitte und Schabwa und Masila im Süden des Landes befinden. Es gibt aber starke Vermutungen, daß die Energiereserven des Jemen weitaus größer sind als bisher vermutet.

In einer von Wikileaks veröffentlichten, vertraulichen Depesche des US-Botschafters im Jemen, Stephen A. Seche, aus dem Jahr 2009 an seine damalige Vorgesetzte, Außenministerin Hillary Clinton, heißt es, es befänden sich "bedeutende", bis dahin unentdeckte Erdgasvorkommen in den Gouvernements Schabwa, Ma'rib, Al Dschauf und Hadramaut. Vor einigen Tagen berichtete der alternative Börsennachrichtendienst Zero Hedge unter Berufung auf Studien des United States Geological Survey (USGS), daß beiderseits der Bab Al Mandab, also im südlichen Roten Meer und im Golf von Aden zwischen Jemen und dem Horn von Afrika, riesige, unerschlossene Öl- und Gasvorkommen liegen. Nach Einschätzung von Zero Hedge könnte die Existenz jener bislang unerschlossenen Energiereserven das Motiv für Saudi Arabiens Krieg im Nachbarland und die auffällig starke diplomatische und militärische Unterstützung der USA, Großbritanniens und Frankreichs für Riad sein.

Craig Murray, der ehemalige britische Botschafter in Usbekistan, der 2004 geschaßt wurde, nachdem er die Erkenntnisse des mit London verbündeten "Regimes" Islam Karimow in Sachen "islamischer Terrorismus" als aus mörderischer Folter gewonnen entlarvte und damit die Regierung Tony Blair in schwere Erklärungsnot brachte, hat am 21. April auf seinem Blog auf einen ganz anderen Grund aufmerksam gemacht, warum Saudi-Arabien den Jemen seit über einem Jahr mit einem grausamen Krieg überzieht. Laut Murray spielen die Saudis mit dem Gedanken, einen 950 Kilometer langen Schiffskanal durch den Südosten des Jemen und Saudi-Arabien zu bauen. Bei einer Realisierung des Mammutprojektes müßte der gesamte Tankerverkehr am Persischen Golf nicht mehr die vom Iran kontrollierte Straße von Hormus passieren, sondern würde irgendwo zwischen Katar und Bahrain in den neuen Kanal einfahren und in der Nähe von Mukalla in den Indischen Ozean gelangen. Was sich wie eine Geschichte aus Tausendundeiner Nacht anhört, ist keine. Wie die arabische Onlinezeitung Gulf News bereits am 10. September 2015 berichtete, geht der Plan zum Bau des 80 Milliarden Dollar teuren König-Salman-Kanals auf eine Studie des angesehenen Arab Century Center for Studies in Doha zurück.

27. April 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang