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NAHOST/1477: US-Militär bildet iranische Kurden in Syrien aus (SB)


US-Militär bildet iranische Kurden in Syrien aus

Washington setzt Teheran an einer weiteren Stelle unter Druck


Die Geschichte der Zusammenarbeit zwischen dem Pentagon und den militanten Gegnern des "Regimes" Baschar Al Assads ist eine von Pleiten, Pech und Pannen. Man könnte fast darüber lachen, hätte nicht die maßgeblich seit 2011 von den USA, Saudi-Arabien und der Türkei betriebene Destabilisierung Syriens zwecks "Regimewechsels" in Damaskus Hunderttausende Menschen das Leben gekostet, Millionen zu Flüchtlingen gemacht und ein ganzes Land in Schutt und Asche gelegt. Jedenfalls ist in Syrien der von der Regierung Barack Obama ersehnte Aufbau einer "gemäßigten" Rebellenarmee mit Durchsetzungsvermögen bis heute nicht geglückt. Die allermeisten von den USA in Jordanien und der Türkei ausgebildeten Assad-Gegner haben sich nach dem anschließenden Grenzübertritt samt Waffen und Munition den sunnitischen Dschihadistengruppen wie Ahrar Al Scham, Jabhat Al Nusra und dem Islamischen Staat (IS), die in Syrien einen Gottesstaat errichten wollen, angeschlossen.

Aus diesem Grund forciert das Pentagon seit einiger Zeit die Zusammenarbeit mit den syrischen Kurden und überläßt der CIA die Bemühungen um die sunnitisch-arabischen Aufständischen in Syrien. Dies hat zwischendurch mehrmals zu der skurrilen Situation geführt, daß vom US-Militär oder von der CIA unterstützte Rebellenverbände in Syrien einander bekämpft haben. Der Vormarsch der Syrischen Verteidigungskräfte (SDF), die von mehreren hundert US-Militärberatern begleitet werden und in deren Reihen sich hauptsächlich Angehörige der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) befinden, hat Ende Juli eine Invasion der türkischen Armee veranlaßt. Ankara will unbedingt die Entstehung eines tragfähigen kurdischen Ministaats auf der syrischen Seite der gemeinsamen Grenze verhindern, weil dies den Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden in der Türkei Auftrieb verleihen könnte. Derzeit liefern im Osten Anatoliens die türkischen Streitkräfte und Angehörige der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) einander einen erbitterten Kleinkrieg mit vielen Toten und Verletzen.

Vor diesem Hintergrund kann man sich über eine Meldung der Nachrichtenagentur Associated Press vom 8. September nur wundern, derzufolge die US-Militärberater in Syrien auch kurdische Rebellen aus dem Iran ausbilden. Will das Pentagon tatsächlich damit das Chaos, das es seit 2003 im Irak und seit 2011 in Syrien angerichtet hat, auch noch in den Iran exportieren? Eine solche Handlungsoption ist jedenfalls denkbar. Schließlich geht es Washington, Riad, Ankara und Tel Aviv bei dem Versuch, eine neue Regierung in Damaskus zu installieren, vor allem darum, den sogenannten "Bogen des Widerstands" gegen die Hegemonie der USA und Israels im Nahen Osten, der sich vom Iran über Syrien bis zur schiitischen Hisb-Allah-Miliz im Libanon erstreckt, zu zerschlagen.

Bei den von amerikanischen und europäischen Ausbildern in Syrien an Waffen und Sprengstoff trainierten Iranern handelt es sich um Mitglieder der Kurdistan Freiheitspartei (PAK). In der AP-Meldung mit der Überschrift "Iranian faction among Kurds trained by US against militants" wurde PAK-Kommandeur Hussein Yazdanpana dahingehend zitiert, seine Gruppe sei zwar "im Rahmen des Kampfes gegen Daesh ausgebildet worden", doch sei die Teilnahme an der Offensive gegen den IS "niemals eine Alternative" zum eigentlichen Kampf der militanten iranischen Kurden gegen die Regierung in Teheran. Die PAK ist nur eine von mehreren kurdischen Rebellengruppen im Iran. Ihre Ausbildung durch NATO-Militärs geht vermutlich auf ihre Allianz mit den pro-westlichen Peschmerga in der Autonomieregion der irakischen Kurden im Norden des Zweistromlands zurück.

Während Yazdanpana behauptete, seine Kämpfer hätten bei der Ausbildung die eigenen Abzeichen auf ihren Uniformen getragen und seien daher eindeutig zu identifizieren gewesen, erklärte Major Josh T. Jacques, Sprecher des für den Nahen Osten und den Persischen Golf zuständigen US-Zentralkommandos, gegenüber AP, man habe "keinerlei Kenntnisse, daß die Kurdistan Freiheitspartei an dem von CENTCOM organisierten Training beteiligt gewesen wäre". Laut Yazdanpana nahmen die PAK-Kämpfer zwischen März und September 2015 an drei Ausbildungsrunden teil, in deren Verlauf sie sogar an der Frontlinie nahe Kirkuk und Mossul eingesetzt wurden, die zwischen den Peschmerga und dem IS verläuft. Dies bedeutet, daß sie im Irak Erfahrungen in der Kriegswirklichkeit gewonnen haben.

2016 sind im iranischen Kurdistan mehrmals Kämpfe zwischen Rebellen und den staatlichen Streitkräften, darunter den Revolutionsgarden, aufgeflammt. Beispielsweise kam es Ende Juni zwischen der PAK und der iranischen Armee nahe der Stadt Mahabad in der an den Irak angrenzenden Gebirgsregion Sarvabad zu schweren Feuergefechten, bei denen Dutzende Beteiligte auf beiden Seiten gefallen sein sollen. Als die Iraner Stellungen der kurdischen Rebellen im Irak mit Artilleriefeuer angriffen, kam es zu Protesten seitens der Autonomieregierung in Erbil. Möglicherweise ist die verdeckte Unterstützung der PAK durch das US-Militär eine Retourkutsche für die Hilfe, die der Iran angeblich den schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen im Kampf gegen die Truppen Saudi-Arabiens gewährt. So oder so zeigt diese kleine Episode am Rande des Syrienkriegs nur exemplarisch, wie hochgradig instabil die Verhältnisse im Nahen Osten sind. Nur ein Ende der militärischen Auseinandersetzungen kann eine Besserung der Lage herbeiführen.

10. September 2016


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