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NAHOST/1552: In Palästina wollen sich Hamas und Fatah versöhnen (SB)


In Palästina wollen sich Hamas und Fatah versöhnen

Palästinenser beugen sich dem Druck ausländischer Mächte


In Palästina bahnt sich eine Versöhnung zwischen der im Gazastreifen regierenden islamischen Bewegung Hamas und der säkularen Fatah, die bei der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) im Westjordanland das Sagen hat, an. Am 17. September erklärte sich die Hamas dazu bereit, das Verwaltungskomitee, das bislang das Leben im Gazastreifen administrierte, aufzulösen und sich einer neuen Regierung der nationalen Einheit unterzuordnen, welche in beiden Regionen die Verwaltung bis zu Neuwahlen übernehmen soll. Die Entscheidung der Hamas erfolgte wenige Tage nachdem ihr Vorsitzender Ismail Haniyya von Gaza nach Kairo gereist war, um sich mit Spitzenvertretern der ägyptischen Regierung, darunter Geheimdienstchef General Khaled Fawzy, zu beraten.

2006 hatte die Hamas überraschend die palästinensischen Parlamentswahlen gewonnen. Doch weder Israel noch die USA haben die demokratische Entscheidung des palästinensischen Volks respektiert. Rasch wurde die Hamas im Westjordanland von der Fatah verdrängt. 2007 ist jedoch der gewaltsame Versuch des Fatah-Anführers im Gazastreifen, Muhammad Dahlan, und seiner Anhänger, dort die Macht zu ergreifen, von der Hamas brutal niedergeschlagen worden. Seitdem herrscht zwischen Gaza-Stadt und Ramallah, dem Regierungssitz der PA im Westjordanland, eine Art Kalter Krieg. Alle Bemühungen um eine Aussöhnung sind bislang gescheitert. Auch bei den drei Kriegen, welche die Hamas in den letzten zehn Jahren gegen Israel geführt hat, war kaum Unterstützung seitens der PA zu registrieren. Die politische Rivalität zwischen den beiden Gruppen wog schwerer als die gemeinsame Nation.

Hinzu kommt, daß der palästinensische Präsident Mahmud Abbas ungeachtet der Tatsache, daß seine reguläre Amtszeit bereits 2009 abgelaufen ist, aus Sicht des Westens als geschätzter Gesprächspartner, die Hamas hingegen als islamistische "Terrororganisation" gilt. Während die Hamas mit den verheerenden Folgen einer von Israel verhängten und von Ägypten befolgten Wirtschaftsblockade sowie regelmäßigen Angriffen der Streitkräfte Tel Avivs herumschlagen mußte, die den Menschen im Gazastreifen ein normales Leben fast unmöglich machten, plauderte Abbas mehr als zehn Jahre lang mit George W. Bushs und Barack Obamas Außenministern Condoleezza Rice und John Kerry über eine "Zwei-Staaten-Lösung", deren Realisierung heute ferner dann je erscheint.

Die Scharade namens "Nahost-Friedensprozeß" ist zuletzt an der Weigerung Israels, den Ausbau jüdischer Siedlungen im Westjordanland einzustellen, geplatzt. Es fällt den Palästinensern immer schwerer, den Glauben an einen eigenen Staat angesichts der ständigen Provokationen und Repressalien der Israelis - Wohnungsbeschlagnahmungen in Hebron, Verdrängung der arabischen Bevölkerung aus Ostjerusalem, Zerstörung beduinischer Dörfer am Rande der Negev-Wüste u. v. m. - aufrechtzuerhalten. Seit über einem Jahr weigert sich deshalb Abbas, sich an einen Tisch mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu oder dessen Vertreter zu setzen. Währenddessen greifen aus lauter Verzweiflung immer wieder vereinzelte palästinensische Jugendliche israelische Sicherheitskräfte mit Messern und Autos an und verlieren dabei regelmäßig das Leben.

Seit Januar ist in den USA der New Yorker Baumagnat Donald Trump Präsident. Der selbsterklärte "Meister des Deals" behauptet von sich, den "Nahost-Friedensprozeß" wiederbeleben und endlich ein Arrangement finden zu können, mit dem Israelis und Palästinenser gleichermaßen gut leben können. Doch diejenigen, die Trump bei der Beilegung eines der vertracktesten Konflikte der Weltpolitik beraten sollen, sind allesamt jüdische Zionisten und finanzielle Unterstützer der Siedler-Bewegung. Gemeint sind Trumps Schwiegersohn und Sonderberater Jared Kushner, der Nahost-Sonderbeauftragte Jason Greenblatt und der US-Botschafter in Tel Aviv, David Friedman.

Unter der Leitung Kushners verfolgt das Weiße Haus in Sachen Nahost eine Strategie des sogenannten Außen nach Innen. Weil der von Kerry jahrelang verfolgte Ansatz der bilateralen Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern so kläglich gescheitert ist, wollen Kushner und Co. die Beziehungen Israels zu den arabischen Nachbarstaaten ausbauen bzw. normalisieren, damit diese die Palästinenser zu Zugeständnissen zwingen. Jordanien und Ägypten unterhalten bereits seit langem diplomatische Beziehungen zu Israel. Wenn es nach dem Willen Washingtons geht, sollen demnächst auch Saudi-Arabien, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate folgen. Entsprechende Gespräche hat es bereits zwischen Kushner und dem 32jährigen saudischen Thronfolger Kronprinz Mohammed gegeben, der Gerüchten zufolge bald seinen 50 Jahre älteren, debilen Vater Salman als König beerben soll.

Bei der PA haben die Saudis und anderen Petromonarchien am Persischen Golf einiges zu melden, bewahren ihre finanziellen Zuwendungen das wirtschaftliche Leben im Westjordanland doch vor dem Kollaps. In den letzten Monaten hat Abbas seinerseits die Hamas in Gaza unter enormen ökonomischen Druck gesetzt. Er hat nicht nur die Auszahlung der Gehälter für Zehntausende Staatsbeamte im Gazastreifen gestoppt, sondern auch die Gelder, mit der die PA Israel für die Stromlieferung an den Gazastreifen bezahlt, drastisch gekürzt. Deswegen herrscht seit Monaten Strommangel im Gazastreifen. Praktisch alle Betriebe mußten Kurzarbeit einführen. Stundenlang hatten die Menschen kein Licht und keinen Strom. Im Sommer fielen ihre Klimaanlagen und Kühltruhen aus. Doch auch Israel hat sich durch seine Teilnahme an der unmenschlichen Maßnahme ins eigene Fleisch geschnitten. Wegen der unregelmäßigen Stromlieferung haben die Kläranlagen im Gazastreifen nicht durchgehend ihren Betrieb aufrechterhalten können. Viel Abwasser floß ungeklärt ins Mittelmeer und verschmutzte somit auch die südisraelischen Strände mit E-Coli-Bakterien und ähnlichem.

So gesehen stand die Hamas, die 2013 durch den Sturz Mohammed Mursis von der Moslembruderschaft, des ersten frei gewählten Präsidenten Ägyptens, ihren wichtigsten Verbündeten verloren hatte, an der Wand. Die Schwierigkeit ihrer Lage erklärt, warum die Hamas vor Monaten in Kairo mit ihrem früheren Erzfeind Mohammed Dahlan, der bekanntlich vom ägyptischen Diktator, General Abdel Fattah Al Sisi, protegiert wird, über dessen Rückkehr in den Gazastreifen verhandelt hat. Welche Rolle Dahlan im Rahmen der geplanten Einheitsregierung spielen könnte, ist unklar. Schließlich sind er und Abbas auch nicht die besten Freunde. Im Gegenteil unterstellen Abbas und seine Gefolge Dahlan, dieser wolle über Gaza schließlich die Macht in der PA übernehmen. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die erhoffte Aussöhnung unter den wichtigsten palästinensischen Politbewegungen tatsächlich erzielt werden kann. Für eine Realisierung der Initiative wären verschärfte Spannungen zwischen den USA, Israel und Saudi-Arabien auf der einen und Iran, Syrien und Rußland auf der anderen Seite extrem abträglich, hatte doch Teheran die Hamas im Kampf gegen den israelischen Feind stets unterstützt.

19. September 2017


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