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NAHOST/1669: Iran - die Gleiwitz-Inszenierung ... (SB)


Iran - die Gleiwitz-Inszenierung ...


Genau eine Woche nachdem Donald Trumps Nationaler Sicherheitsberater, der notorische Kriegstreiber John Bolton, unter Hinweis auf nebulöse "Bedrohungen" seitens des Irans den US-Flugzeugträger Abraham Lincoln samt Begleitflotte sowie mehrere, zum Transport von Atomwaffen fähige B-52-Bomber an den Persischen Golf entsandt hatte, ereigneten sich in oder in der Nähe von Fudschaira, dem wichtigsten Hafen und der Hauptstadt eines der sieben Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), "Sabotageaktionen" gegen vier Öltanker. Es sieht alles danach aus, als solle damit der Weg für eine großangelegte Militäroperation der USA gegen den Iran - wie sie Bolton bereits als UN-Botschafter George W. Bushs befürwortete, ohne sie jedoch verwirklichen zu können - propagandistisch geebnet werden.

Fudschaira ist der einzige Gliedstaat der VAE, der nicht am Persischen Golf, sondern auf der östlichen Seite der Straße von Hormus am Indischen Ozean liegt. Auf der anderen Seite des Golfs von Oman in nördlicher Richtung und rund 60 Seemeilen entfernt liegt die Küste des Irans. Von den vier beschädigten Schiffen gehören zwei einer saudischen Reederei und sollten demnächst mit Öl für die USA beladen werden. Die anderen beiden Schiffe fahren unter norwegischer respektive emiratischer Flagge. Bisher gibt es keine Erklärung dafür, wie die Schäden in den frühen Morgenstunden des 12. Mai entstanden sein könnten. Den ersten Hinweis, daß etwas passiert war, lieferten iranische Medien, die unter Berufung auf Augenzeugen behaupteten, amerikanische und französische Flugzeuge hätten vor Fudschaira sieben bis acht Schiffe angegriffen und in Brand gesetzt.

Diese Meldung sollte sich im Laufe des Tags als voreilig herausstellen. Auch deuten die Schäden an den Schiffen auf einen Angriff zur See und nicht aus der Luft hin. Das von der Nachrichtenagentur Agence France Presse veröffentlichte Bild vom Heck des norwegischen Öltankers Andrea Victor zeigt ein Loch, das teils oberhalb, teils unterhalb der Wasserlinie liegt und einen Durchmesser von etwa ein bis zwei Meter hat. Die nach innen gerichtete Verformung des Metalls kann genausogut durch eine schwere Kollision wie eine Explosion entstanden sein. Die USA, der Iran und sogar Israel verfügen in der Region allesamt über U-Boote und Kampftaucher, die in der Lage gewesen wären, sich den vier Schiffen unbemerkt zu nähern und sie zu beschädigen. Aus der Art der Schäden läßt sich jedenfalls schließen, daß die Täter die Schiffe nicht versenken oder die Besatzungen ernsthaft gefährden, sondern ein Signal setzen wollten. Um dessen Deutung streiten sich nun Washington und Teheran.

Nachdem innerhalb weniger Stunden Saudi-Arabien seinen Erzfeind, den Iran, für die "kriminelle Handlung" verantwortlich gemacht hatte, meldete am 13. Mai das Wall Street Journal unter Verweis auf US-Regierungskreise, in Washington gehe man von der Urheberschaft Teherans aus. Am selben Tag ließ Außenminister Mike Pompeo überraschend eine geplante Reise nach Moskau platzen und nahm als ungebetener Gast an einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel teil, um die NATO-Amtskollegen über die neuesten "Erkenntnisse" Washingtons hinsichtlich der iranischen Umtriebe in der Region um den Persischen Golf zu unterrichten. Den Europäern, die den letztjährigen Austritt der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran ablehnend gegenüberstehen, war sichtlich unwohl angesichts des plumpen Versuchs Pompeos, sie in Trumps "Politik des maximalen Drucks" gegenüber Teheran einzubinden. Nicht umsonst, aber wahrscheinlich vergeblich, plädierte die italienische EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini für "maximale Zurückhaltung und eine Vermeidung jeglicher Eskalation auf der militärischen Seite".

Dafür scheint es leider zu spät zu sein. Am heutigen 14. Mai berichtete die New York Times unter der Überschrift "White House Reviews Military Plans Against Iran, in Echoes of Iraq War", unter der Leitung Boltons hätten letzte Woche in Washington führende Vertreter des nationalen Sicherheitsapparats über einen neuen Kriegsplan für den Iran beraten. Der neue Entwurf, bei dem es nicht um eine Landinvasion, sondern um eine großangelegte Bombardierungskampagne durch Schiffe, vom östlichen Ufer des Persischen Golfs sowie aus der Luft handelt, sieht immerhin die Entsendung von 120.000 Soldaten vor, um die US-Streitkräfte, die bereits in Kuwait, Bahrain, Katar, Saudi-Arabien, den VAE und im Irak stationiert sind, aufzustocken.

Einen solchen Plan wollte Bolton bereits im letzten September haben, nachdem bei Unruhen im Irak eine Rakete unbekannter Herkunft auf dem Gelände der US-Botschaft in Bagdad gelandet war, ohne irgendwelche Schäden anzurichten. Das Ansinnen lehnte jedoch der damalige US-Verteidigungsminister, General a. D. James Mattis, als zu provokativ ab. Der Streit mit Bolton soll mit ein Grund gewesen sein, warum der Irakkriegsveteran Mattis zur Jahreswende 2018/2019 als Pentagonchef zurückgetreten ist. An dem von Bolton einberufenen "Kriegsrat" sollen nebem diesem selbst der seit dem Weggang von Mattis geschäftsführende Verteidigungsminister Patrick Shanahan, der kein Militär ist, sondern aus der Rüstungsindustrie kommt, General Joseph Dunford, der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs, CIA-Direktorin Gina Haspel sowie der Nationale Geheimdienstkoordinator Daniel Coats teilgenommen haben. Bolton dürfte von der Präsentation Shanahans angetan gewesen sein, denn praktisch am selben Tag hat Präsident Trump seine Entscheidung, den ehemaligen Boeing-Manager dem Kongreß als künftigen Pentagonchef vorzuschlagen, bekanntgegeben.

Die Iraner streiten jede Verwicklung in den Vorfall von Fudschaira kategorisch ab. In Teheran sprach Abbas Mousavi, Sprecher des iranischen Außenministeriums, von einer "Verschwörung von Unruhestiftern zwecks Unterminierung von Stabilität und Sicherheit in der Region". Tatsächlich erinnern die Ereignisse von Fudschaira fatal an den Golf-von-Tonkin-Vorfall, mittels dessen im August 1964 die Regierung Lyndon B. Johnsons den Angriff nordvietnamesischer Schnellboote auf die US-Kriegsschiffe Maddox und Turner Joy erfand, um vom Kongreß in Washington die Entsendung Hundertausender GIs in den Vietnamkrieg genehmigt zu bekommen. Dem Iran droht nun ein Angriff seitens der USA, der an Grausamkeit und Vernichtungsgewalt demjenigen in Vietnam in nichts nachstehen dürfte. Die iranische Führung gibt sich dennoch kampfbereit. Amirali Hadschizadeh, Leiter der Luftwaffendivision bei der iranischen Revolutionsgarde, hat bereits am 11. Mai die Versenkung mindestens eines US-Flugzeugträgers in Aussicht gestellt, sollte es am Persischen Golf zum befürchteten großen Showdown zwischen Teheran und Washington kommen.

14. Mai 2019


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