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USA/1223: Obama erleidet einen dramatischen Popularitätsverlust (SB)


Obama erleidet einen dramatischen Popularitätsverlust

Republikanisches Dauerfeuer zeigt Wirkung


Nach der verheerenden Niederlage, welche die Republikaner im letzten November bei der Präsidentenwahl und den Zwischenwahlen zum Kongreß erlitten, meinten viele Kommentatoren, die Grand Ol' Party wäre während der acht Jahre von George Bush jun. im Weißen Haus zu sehr nach rechts abgedriftet und müsse sich wieder in Richtung Mitte bewegen, um für neue Wählerschichten atttraktiv zu werden und sich das eigene Überleben als "Volkspartei" zu sichern. Als ersten Anfang wurde eine programmatische Generalüberholung empfohlen. Statt dessen haben die Republikaner über die Jahreswende kurz Luft geholt, um gleich nach der Amsteinführung Obamas als Staatsoberhaupt diesen unter propagandistisches Dauerfeuer zu nehmen. Die Taktik hat sich bewährt. Die Republikaner, obwohl im Repräsentantenhaus und Senat fast zur Splitterparteigröße geschrumpft, haben den demokratischen Shooting Star auf den Boden der politischen Realität zurückgeholt. Umfragen des Demoskopieunternehmens Gallup zufolge hat Obama, der Ende Januar mit einer Zustimmungsrate von 78 Prozent ins Weiße Haus zog, den drastischsten Popularitätsverlust eines US-Präsidenten während seiner ersten Amtszeit zu verzeichnen und liegt derzeit nur noch bei 53 Prozent.

Zu diesem Phänomen hat Amerikas neuer Präsident sicherlich selbst beigetragen. Durch die Ausweitung des Afghanistankrieges auf Pakistan, das Festhalten an vielen umstrittenen Aspekten von Bushs "Antiterrorkrieg" wie dem großen Lauschangriff der NSA und den Militärtribunalen für die Gefangenen von Guantánamo Bay und durch die einseitige Rettungshilfe für die Großbanken, während die restliche Wirtschaft darbt, hat Obama viele Linke und Liberale, die ihn gewählt hatten, enttäuscht. Entscheidender ist jedoch die Haßkampagne reaktionärer Talkshow-Moderatoren im Radio und Fernsehsehen, die Amerikas ersten schwarzen Präsidenten offen bezichtigen, mit seiner Gesundheitsreform den Sozialismus einführen und das "Land of the Free and the Home of the Brave" in einen technokratischen Gulag verwandeln zu wollen. Hinzu kommen die ständigen Angriffe ehemaliger Mitglieder der Bush-Regierung und ihrer neokonservativen Verbündeten in der Presse sowie bei den zahlreichen Denkfabriken in Washington, die nicht müde werden zu behaupten, durch die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Iran, das Ende der Eiszeit gegenüber Rußland, die Rücknahme der Entscheidung zum Aufbau von Teilen des amerikanischen Raketenabwehrsystems in Polen und Tschechien, die Schließung von Geheimgefängnissen der CIA im Ausland und das Verbot von Folter verspiele Obama sowohl moralisch als auch militärisch Amerikas Führungsposition in der Welt.

Ein eindrückliches Beispiel für die überzogenen und unpatriotischen Tiraden, mit denen die Republikaner Obamas Eignung für den Posten des Oberkommandierenden der Streitkräfte ständig in Frage stellen, liefert die Rede, mit der der Ex-Vizepräsident Dick Cheney vor drei Tagen Schlagzeilen machte. Anlaß der Rede war die Ehrung Cheneys durch das Centre for Security Policy, einer mit der US-Rüstungsindustrie aufs engste verbundenen Denkfabrik, mit der Auszeichnung "Keeper of the Flame" - für sein Festhalten am Ziel des "Amerika über alles", versteht sich. Cheney, der sich unter Bush jun. und mit seinem alten Freund Donald Rumsfeld als Verteidigungsminister an seiner Seite zum mächtigsten Vizepräsidenten der US-Geschichte entwickelte, griff die Entscheidung zum Verzicht auf die Stationierung von Abfangraketen in Polen und einer X-Band-Radarstation in Tschechien als einen "strategischen Patzer und einen Vertrauensbruch" gegenüber den Verbündeten in Warschau und Prag an. Die Bereitschaft des Weißen Hauses zu Gesprächen mit der Führung in Teheran bezeichnete Cheney als eine "Iran-Strategie, in der Engagement als Ziel statt als Taktik gilt".

Unter wohlwollender Zustimmung seiner Zuhörer erklärte der ehemalige Vizepräsident, Obama habe in Bezug auf die Vernehmung von Terrorverdächtigen "lediglich vage und nutzlose Platitüden von sich gegeben" und durch die Verwendung des Begriffs Folter in Bezug auf die von der Bush-Regierung angeordneten, verschärften Verhörmethoden die "treuen Mitarbeiter" bei der CIA, "die mit Ehre und Professionalität" ihren Dienst "im Namen" sowie zum Schutz der USA taten, "verleumdet". "Des weiteren ist es extrem unklug, den Einsatz von verschärften Vernehmungsmethoden künftig auszuschließen. Im Kampf gegen den Terrorismus gibt es kein Dazwischen, und halbe Sachen setzen einen zur Hälfte Angriffen aus", so "Darth" Cheney.

Die schwerste Kritik des einstigen Verteidigungsministers von George Bush sen. richtet sich gegen die seit Wochen laufende Strategiedebatte der Obama-Regierung zum Thema Afghanistan. Dazu meinte Cheney: "Das Weiße Haus muß mit dem Zaudern aufhören, während Amerikas Streitkräfte in Gefahr sind. Machen wir uns nichts vor, Signale der Unentschlossenheit aus Washington schaden unseren Alliierten und machen unseren Gegnern Mut. Schwafeln, während unsere Truppen am Boden einem ermutigten Feind gegenüberstehen, bringt sie in Gefahr und schadet unserer Sache."

In einer ersten Reaktion des Weißen Hauses auf die aufrührerische Rede Cheneys erklärte Obamas Sprecher Robert Gibbs, der frühere Vizepräsident habe nach dem Einmarsch in Afghanistan und dem Sturz der Taliban 2001 die Lage in Afghanistan "sieben Jahre lang aus den Augen verloren", weshalb die USA und ihre NATO-Verbündeten heute in großen Schwierigkeiten steckten. Auf der täglichen Pressekonferenz am 22. Oktober rechtfertige Gibbs die Afghanistan-Strategiedebatte wie folgt: "Das, was der Vizepräsident Zaudern nennt, versteht Präsident Obama als die Wahrnehmung seiner großen Verantwortung den Männern und Frauen in Uniform sowie dem amerikanischen Volk gegenüber."

In einem Artikel, der am 23. Oktober bei der New York Times erschienen ist, hob Ben Rhodes, der neue Direktor der strategischen Kommunikation im Nationalen Sicherheitsrat, die mangelnde Glaubwürdigkeit Cheneys hervor: "Ich weise darauf hin, nur um das ganze in einen Kontext zu stellen, daß der Iran, als der Vizepräsident sein Amt damals übernahm, null [Uran-]Zentrifugen in Betrieb hatte. Als Bush und Cheney aus dem Amt schieden, waren es über 6000." Ähnlich könnte man argumentieren, daß sich Nordkorea, als Bush jun. Präsident wurde, noch an die Regeln des Nicht-Verbreitungsvertrages hielt und sich erst aufgrund der ständigen Drohungen aus Washington zur inoffiziellen Atommacht entwickelte. Nur sind die Republikaner und ihre neokonservativen Wasserträger für dererlei Argumente völlig unempfänglich.

24. Oktober 2009