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USA/1243: Senatorengruppe spielt das Thema Lockerbie wieder hoch (SB)


Senatorengruppe spielt das Thema Lockerbie wieder hoch

US-Senatoren ziehen billigem Populismus ernsthafte Aufklärung vor


Wenige Tage vor dem ersten Besuch des neuen konservativen britischen Premierministers David Cameron bei Präsident Barack Obama im Weißen Haus belastet die Freilassung des krebskranken Abdul Barsit Al Megrahi, des angeblichen Verantwortlichen für den Lockerbie-Anschlag, die amerikanisch-britischen Beziehungen. Am 15. Juli hat das britische Ölunternehmen zugegeben, daß es im Vorfeld der Auslieferung Al Megrahis an die Behörden seines Heimatlands Libyen im August letzten Jahres bei der damals von der Labour-Partei gestellten britischen Regierung um Gordon Brown für ein entsprechendes Gefangenenaustauschabkommen stark gemacht hatte. Durch Entgegenkommen im Fall Al Megrahi wollte sich BP eine gute Position verschaffen, was die Erkundung und Erschließung des Energiereichtums des nordafrikanischen Landes betrifft. Im US-Kongreß geben sich die gewählten Volksvertreter empört und werfen London vor, gegenüber Washington gemachte Zusagen, daß Al Megrahi seine lebenslange Freiheitsstrafe bis zum bitteren Ende verbüßen würde, nicht eingehalten zu haben.

Hauptakteure in dieser peinlichen Schmierenkomödie sind die Senatoren Charles Schumer und Kirsten Gillibrand aus New York und Robert Menendez and Frank Lautenberg aus New Jersey - alles Demokraten. Am 14. Juli gaben diese bekannt, sie hätten einen Brief an ihre Parteikollegin Hillary Clinton geschickt, die vor ihrer Ernennung zur Außenministerin in der Obama-Regierung selbst Senatorin aus New York war - um eine Untersuchung des State Department in der Frage zu fordern, inwieweit der Druck BPs die Entscheidung Londons zur Auslieferung Al Megrahis an Muammar Gaddhafis Libyen beeinflußt habe. Daraufhin haben am 15. Juli Barbara Boxer und Dianne Feinstein, die beiden demokratischen Senatorinnen aus Kalifornien, ihrerseits eine Untersuchung des außenpolitischen Ausschusses des Oberhauses des Kongresses angeregt.

In einem Bericht der New York Times vom 16. Juli hieß es, die Senatoren hätten "bei ihrem Bemühen", mit der Kontroverse um BPs Rolle bei der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko "Herr zu werden", Berichte vom letzten Jahr über eine mögliche Beeinflussung der britischen Regierung im Fall Al Megrahi aufgegriffen. Die Senatoren selbst tun so, als ginge es ihnen um das Unrecht, das damals bei dem Anschlag begangen wurde. Schließlich stammten die meisten der 270 Menschen, die bei der Explosion des Pan-Am-Jumbos Maid of the Seas am 21. Dezember 1988 und ihrem Absturz auf den schottischen Ort Lockerbie starben, aus den USA, viele von ihnen aus New York und New Jersey. Es darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, daß im November in den USA Zwischenwahlen für Repräsentantenhaus und Senat stattfinden. Also steckt hinter der zur Schau getragenen Empörung von Schumer, Gillibrand, Menendez, Lautenberg, Boxer und Feinstein ein nicht geringer Anteil politischen Kalküls. Als eifrige Antiterrorkrieger und Korruptionsbekämpfer setzen sich diese jetzt in Szene. Auf BP und Gaddhafis Libyen herumzuhacken, kommt bei den US-Wählern bestimmt auch gut an.

Die vermeintliche Sorge der demokratischen Politikerriege um das Leiden der Hinterbliebenen der Opfer des Lockerbie-Anschlages steht im krassen Widerspruch zu ihrem mangelnden Interesse an einer ernsthaften Aufklärung des schwersten "Terroranschlages" der europäischen Geschichte. Von der Tatsache, daß zahlreiche Rechtsgelehrte, darunter der österreichische UN-Prozeßbeobachter Prof. Hans Köchler, und die britischen Opferfamilien den 2001 von einem schottischen Sondergericht wegen Massenmords verurteilten Al Megrahi für das Opfer eines Justizirrtums halten, wollen Schumer und Konsorten natürlich nichts wissen. Warum denn auch, alle Indizien sprechen dafür, daß der Anschlag, wenn er nicht mit direktem Vorabwissen der CIA erfolgte, zumindest von ihr vertuscht und Libyen in die Schuhe geschoben wurde, um die eigentlichen Verantwortlichen, eine Gruppe Palästinenser mit Verbindungen zum Iran, zu schonen. Nach Meinung vieler Beobachter war der Anschlag von Lockerbie ein Vergeltungsakt Teherans für den Abschuß einer iranischen Passagiermaschine am 3. Juli 1988 über dem Persischen Golf durch den US-Lenkwaffenzerstörer Vincennes. Bis heute haben sich die Amerikaner für den von ihnen verursachten Tod der 288 Insassen des Iran-Air-Flugs 655 nicht entschuldigt.

17. Juli 2010