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USA/1246: Geplanter Moscheebau "am Ground Zero" spaltet Amerika (SB)


Geplanter Moscheebau "am Ground Zero" spaltet Amerika

Republikaner spielen das Thema der "muslimischen Gefahr" geschickt aus


In den USA hat sich der Streit um den geplanten Bau eines islamischen Kulturzentrums zwei Häuserblocks von dort an der südwestlichen Spitze von Manhattan entfernt, wo bis zum 11. September 2001 die Zwillingstürme des World Trade Center standen, von einer New Yorker Lokalposse zu einem nationalen Politikum entwickelt, das seit Wochen die Schlagzeilen sowie die Diskussionen im Radio und Fernsehen beherrscht. Verantwortlich für diese peinliche Entwicklung sind republikanische Scharfmacher, die vor dem Hintergrund des noch anhaltenden "Antiterrorkrieges" die diffusen Ängste vieler Amerikaner vor einer angeblich "muslimischen Weltbedrohung" à la Al-Kaida-"Kalifat" für die eigenen politischen Zwecke höchst erfolgreich instrumentalisieren.

Richtig angefangen hatte der Streit am 25. Mai, als das zuständige Manhattan Community Board mit 29 zu einer Stimme - bei zehn Enthaltungen - dem geplanten Bau eines islamischen Kulturzentrums namens Cordoba House im New Yorker Finanzviertel zustimmte. Die Cordoba Initiative, Urheberin des Projekts, will für rund 100 Millionen Dollar ein Kulturzentrum bauen, das eine Moschee, ein Theater, einen Kindergarten, ein Schwimmbad, eine Kochschule, ein Restaurant und diverse Tagungsräume enthält und in dem der Dialog zwischen der muslimischen und den anderen religiösen Gemeinden der USA gefördert werden soll. Prominenteste Mitglied der Cordoba Initiative ist der Iman Feisal Abdul Rauf, ein Vertreter des sogenannten gemäßigten Islams, der bereits seit der Amtszeit von George W. Bush als US-Präsident im Auftrag des Washingtoner Außenministeriums hin und wieder in den Nahen Osten reist, um dort die Vorzüge zu lobpreisen, welche Amerikas Moslems in der säkular-pluralistischen Gesellschaft der USA genießen.

Das gelebte Bekenntnis Raufs zum "American Way of Life" hat republikanische Populisten in New York nicht daran gehindert, gleich von Anfang an den geplanten Bau des Cordoba-Hauses, das nach der Fertigstellung 100 Menschen einen Vollzeitjob und weiteren 500 eine Teilzeitbeschäftigung bieten soll, zu verteufeln. Wie die Zeitung Christian Science Monitor am 26. Mai berichtete, wurde die damalige Sitzung des Manhattan Community Board von aufgeregten Gegnern des Projekts begleitet, die unter anderem "Sie bauen auf einem christlichen Friedhof" und "Zeigen Sie Respekt für die 3000" - gemeint sind die Opfer der Flugzeuganschläge und des Einsturzes der Twin Towers - skandierten.

Seit diesem Tag nimmt der Streit um die "Moschee am Ground Zero" kontinuierlich zu, weil er ununterbrochen von rechten Scheihälsen wie dem Talk-Radio-Moderator Rush Limbaugh sowie den beiden Stimmungsmachern Sean Hannity und Bill O'Reilly des Nachrichtensenders Fox News angeheizt wird. Sie haben Rauf zu einem Anhänger Osama Bin Ladens aufgebauscht, nur weil er nach dem 11. September Fragen nach dem Motiv der "Terroristen" und der eventuellen Verantwortung der USA für das furchtbare Verbrechen, die in der ständigen Einmischung Washingtons in das Leben der Menschen im Nahen Osten zum Beispiel durch die Unterstützung für Israel und diverse korrupte und autoritäre arabische Regime liegen könnte, gestellt hat. Daß Rauf die Anschläge verurteilt hatte, wird genauso geflissentlich ignoriert wie die Tatsache, daß das Cordoba-Haus nicht "am Ground Zero", sondern rund einen halben Kilometer entfernt gebaut werden soll.

Inzwischen haben landesweit diverse republikanische Politiker das Thema der angeblichen "Entweihung" von Ground Zero durch die muslimische fünfte Kolonne entdeckt (Schließlich stehen im November alle Sitze im Repräsentantenhaus und ein Drittel der Sitze im Senat zur Wahl an). Peter King, republikanischer Kongreßabgeordneter von New Yorker Long Island, und Rick Lazio, der republikanische Kandidat für den Posten des Gouverneurs des Empire State, waren die ersten, die die Kontroverse zu Wahlkampfzwecken benutzten. Inzwischen haben sie reichlich Gesellschaft erhalten - nicht zuletzt vom ehemaligen republikanischen Sprecher des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich, und von Sarah Palin, der ehemaligen Gouverneurin von Alaska, die beide gerade dabei sein sollen, Gelder für die Präsidentenwahl 2012 einzutreiben und sich entsprechend zu positionieren.

Die Bemühungen des New Yorker Bürgermeisters Michael Bloomberg, der selbst Republikaner ist, den Streit zu entschärfen und Gotham City als Stadt zu präsentieren, in der alle Ethnien, Religionen und Hautfarben friedlich nebeneinander leben und arbeiten können, ist gescheitert. Die republikanische Opposition denkt - in Ermangelung anderer Argumente, wie sie die Sorgen und Nöte der Menschen in den wirtschaftlich schwächelnden USA begegnen will - nicht in Traum daran, das von ihr errichtete Schreckensszenario einer drohenden Verhöhnung der 9/11-Opfer durch den "militanten" Islam fallen zu lassen. Der "Kampf der Kulturen" findet auf amerikanischen Boden statt; es gilt, die respektlosen Moslems in ihre Schranken zu weisen, koste es, was es wolle.

Selbst Barack Obama treiben die Gegner des Moscheebaus vor sich her, genauso wie dieselben Kräfte seit eineinhalb Jahren erfolgreich die Pläne des demokratischen Präsidenten zur Schließung des Internierunslagers auf dem Gelände des US-Marinestützpunkts Guantánamo Bay auf Kuba und zur Verlegung der dortigen "Terroristen" in einen Hochsicherheitstrakt auf dem amerikanischen Festland vereiteln. Um so bemerkenswerter ist, daß Obama am 13. August bei einer Rede anläßlich eines Festessens im Weißen Haus zum Auftakt des Ramadans die Rechte von Amerikas Moslems zur Errichtung ihrer Gotteshäuser, wo sie, unter Berücksichtung aller Planungsvorschriften selbstverständlich, wollen, demonstrativ verteidigte. Wegen des daraufhin einsetzenden Sturms der Entrüstung in den rechten Medien hat am nächsten Tag Robert Gibbs, der Sprecher des Präsidenten, erklärt, Obama habe lediglich auf das in der US-Verfassung garantierte Recht der religiösen Freiheit im allgemein hinweisen und keineswegs ein Wort der Unterstützung für die Cordoba Initiative äußern wollen.

Für die Bemühungen des Weißen Hauses um Schadensbegrenzung gibt es eine einfache Erklärung. Laut Umfragen lehnen landesweit 70 Prozent der US-Bürger einen Bau des Cordoba-Hauses "am Ground Zero" ab. Der neue McCarthyismus hat Amerika längst im Griff und wird noch böse Folgen haben. Politbeobachter rechnen bereits damit, daß die Demokraten in November viele Sitze im Repräsentantenhaus und Senat an die Republikaner verlieren werden. Gelingt es den Republikanern, weiterhin mit religiöser Engstirnigkeit gegenüber Muslimen und Fremdenfeindlichkeit gegenüber lateinamerikanischen Einwanderern politisch zu punkten, könnte Obamas Wiederwahl im November 2012 scheitern.

16. August 2010