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USA/1285: Gesetzentwurf ermächtigt Exekutive zu unbegrenzter Kriegsführung (SB)


Entkopplung des "Antiterrorkriegs" von den 9/11-Anschlägen


Nur drei Tage nach den Anschlägen des 11. September 2001 ermächtigte der US-Kongreß die Exekutive, den "Krieg gegen den Terror" mit militärischen Mitteln gegen die Hintermänner dieser Anschläge sowie deren Unterstützer zu führen. Präsident George W. Bush kündigte seinen Landsleuten einen Kriegszug an, dessen Ende nicht abzusehen sei, worauf seine Administration jede von ihr auf den Weg gebrachte bellizistische Kampagne unter das Konstrukt des "Antiterrorkriegs" zwang. Nach dem proklamierten Tod Osama bin Ladens geht die politische Führung nun daran, das Mandat der Regierung zur Kriegsführung nicht nur zu verlängern, sondern auf eine Weise auszuweiten, die eine unbegrenzte Fortführung legitimiert.

Der Streitkräfteausschuß des Repräsentantenhauses will nach Angaben seines Vorsitzenden Howard P. McKeon in wenigen Tagen einen Gesetzentwurf einbringen, der die Autorisierung der Regierung, den "Krieg gegen den Terror" zu führen, novelliert. Diesem Entwurf zufolge bestätigt der Kongreß, daß sich die Vereinigten Staaten in einem bewaffneten Konflikt mit Al Kaida, den Taliban und mit ihnen verbündeten Kräften befinden und der Präsident zur Anwendung militärischer Gewalt einschließlich Inhaftierung ohne Prozeß von Mitgliedern oder Unterstützern dieser Kräfte ermächtigt ist. [1]

Mit dieser Formulierung soll eine Definition des Feindes Gesetzeskraft erlangen, welche die Obama-Administration gegen die von Insassen des Gefangenenlagers auf dem Stützpunkt Guantánamo Bay angestrengte Prozesse ins Feld geführt hat. Wie der Ausschußvorsitzende McKeon in einer Stellungnahme dazu erklärte, kodifiziere der Entwurf lediglich die Interpretation der Obama-Administration hinsichtlich ihrer Autorität, der Bedrohung durch Al Kaida, die sich im Laufe der letzten zehn Jahre weiterentwickelt und aufgespalten habe, entgegenzutreten. Man wolle die Rechtsbefugnisse, Angriffe auf die USA zu verfolgen und abzuwenden, auf den aktuellen Stand der Gefahrenlage bringen, mit der man es heute zu tun habe.

In einem gemeinsamen Brief an den Kongreß haben etwa zwei Dutzend verschiedene Gruppen, darunter die American Civil Liberties Union und das Center for Constitutional Rights, davor gewarnt, daß der Gesetzentwurf die Exekutive ermächtigt, unbegrenzt Krieg vom Jemen bis Somalia und darüber hinaus zu führen. Dieser Entwurf von großer Tragweite delegiere die Entscheidung über die Kriegsführung praktisch unwiderruflich vom Kongreß an den Präsidenten und könne die Vereinigten Staaten in einen weltweiten Krieg ohne klar definierte Feinde, geographische Grenzen und spezifische Ziele führen.

Während in der Beschlußlage vom 14. September 2001 von den Urhebern der Anschläge die Rede war, soll nun die Erweiterung auf Personen und Gruppen gesetzlich verankert werden, die keine Verbindung zu den Anschlägen des 11. September 2001 haben. Da die Bezichtigung einer Verbindung zum "Netzwerk Al Kaida" jederzeit konstruiert werden kann, geht der "Antiterrorkrieg" damit endgültig in die Phase legalisierter Kriegführung an jedem gewünschten Schauplatz über.

Anmerkungen:

[1] After Bin Laden, U.S. Reassesses Afghan Strategy (10.05.11)
New York Times

12. Mai 2011