Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

USA/1348: Tony Blair in Sorge wegen Senatsbericht zur CIA-Folter (SB)


Tony Blair in Sorge wegen Senatsbericht zur CIA-Folter

Craig Murray kostet das Unbehagen seines früheren Widersachers aus



In den USA schlägt die Kontroverse um den hochbrisanten Untersuchungsbericht des Geheimdienstausschusses des Senats zu dem von der CIA zwischen 2002 und 2006 während der Präsidentschaft des Republikaners George W. Bushs betriebenen Folterprogramms weiterhin hohe Wellen. Am 3. April haben die Mitglieder des Ausschusses mit elf zu drei Stimmen für die Veröffentlichung der 480seitigen Zusammenfassung des Berichts, dessen Erstellung vier Jahre dauerte und 40 Millionen Dollar kostete, entschieden. Doch vorher will die Regierung Barack Obamas die Zusammenfassung prüfen und alle Stellen, deren Veröffentlichung die "nationale Sicherheit" der USA beeinträchtigen könnten, schwärzen.

Exekutive und Legislative in Washington leisten sich seit Wochen in Sachen CIA-Folter einen Streit, der in seiner Heftigkeit seinesgleichen sucht. CIA und Senatsausschuß haben sich gegenseitig angezeigt und das Justizministerium um Ermittlungen gebeten. Die Senatoren werfen dem Auslandsgeheimdienst vor, ihre an dem Bericht arbeiteten Mitarbeiter ausgespäht und ihnen wichtige Dokumente vorenthalten zu haben. Die CIA wiederum beklagt, die Senatsmitarbeiter hätten ein hochgeheimes Papier aus den Sonderräumlichkeiten, die in Virginia extra für die Untersuchung eingerichtet worden waren, entwendet und in das Kapitol nach Washington gebracht. Bei den fraglichen Dokumenten handelt es sich um eine frühere Studie von Leon Panetta, in der Obamas erster CIA-Chef zu einer vernichtenden Kritik des Folterprogramms gekommen war.

Die Feststellungen Panettas sind deshalb von großer Bedeutung, weil sie der Replik des amtierenden CIA-Direktors John Brennan vom vergangenen Jahr auf den Senatsbericht diametral widersprechen. Brennan, der unter Bush jun. Stellvertretender CIA-Chef und von 2003 bis 2004 Leiter des Terrorist Threat Integration Center war, steht nun unter Verdacht, auch im Eigeninteresse die im Senatsbericht enthaltenen Vorwürfe unter den Teppich kehren zu wollen, weswegen nicht wenige Kongreßabgeordnete und Senatoren gegen Obamas Entscheidung, die CIA solle bei der Erstellung der zu veröffentlichenden Version der Zusammenfassung des Senatsberichts das letzte Wort haben, Sturm laufen.

Die Angst vor Vertuschung hat offenbar auch einige Personen, die Einblick in den Senatsbericht erhalten haben, dazu veranlaßt, unter Zusicherung der Vertraulichkeit ihr Wissen darüber der Presse mitzuteilen. In den vergangenen Tagen sind bei der Washington Post, der Website des Nachrichtensenders Al Jazeera America und McClatchy Newspapers zahlreiche belastende Details des CIA-Folterprogramms bekanntgeworden. Demnach sind mehr als 100 Personen im Rahmen der "außergewöhnlichen Überstellungen" entführt und mißhandelt worden - einige sogar bis in den Tod. Bei den meisten von ihnen handelte es sich um keine "Topterroristen", sondern um islamistische Mitläufer. Geheime Folterzentren, sogenannte "black sites", gab es nicht nur in Afghanistan, im Irak, in Polen, Litauen und Rumänien, sondern auch auf den US-Militärstützpunkten Diego Garcia im Indischen Ozean und Guantánamo Bay auf Kuba.

Die angewendeten "verschärften Vernehmungsmethoden" gingen weit über diejenigen hinaus, die das Justizministerium genehmigt hatte. Mit der Folter wurde schon zu einem Zeitpunkt begonnen, als die entsprechende Genehmigung des Justice Department nicht einmal vorlag. Mit der Behauptung, die Folter sei zum Schutz der USA vor schweren Anschlägen à la 9/11, hätte zur Verhinderung derselben geführt bzw. die Festnahme der Hintermänner der Flugzeuganschläge vom 11. September 2001 ermöglicht und sie zum Reden gebracht, haben die Bush-Regierung und die CIA den Kongreß klar belogen. Für alle vier Thesen haben die Senatsmitarbeiter bei der Sichtung des Materials - wie vor ihnen bereits Leon Panetta - keinen einzigen Beleg gefunden.

Das Gegenteil ist der Fall. So hat zum Beispiel das Al-Kaida-Mitglied Abu Zubaydah nach seiner Verhaftung im März 2002 in Pakistan und der Überführung in ein CIA-Geheimgefängnis in Thailand beim ganz regulären Verhör durch den FBI-Agenten Ali Soufan wichtige Informationen über Osama Bin Laden und Khalid Scheich Mohammed preisgegeben. Als er jedoch nach kurzer Zeit von der CIA schwer gefoltert wurde, hat er, um seine Peiniger zur Aufgabe zu veranlassen, phantastische Geschichten von sich gegeben. Dies scheint auch der eigentliche Zweck der Aktion gewesen zu sein. Von Abu Zubaydah stammten nämlich jene "Erkenntnisse", welche Saddam Hussein mit Al Kaida in Verbindung brachten und welche die Bush-Regierung als Vorwand für ihren schon länger geplanten Einmarsch in den Irak benutzen. Es ist auch kein Zufall, daß die Hauptinitiatoren der Irakinvasion 2003, Vizepräsident Dick Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, stets auch die lautstärksten Befürworter der Folter von "Terroristen" waren und es bis heute geblieben sind.

Die Chancen, daß die Verantwortlichen für das CIA-Folterprogramm in den USA - Bush, Cheney, Rumsfeld, Ex-CIA-Chef George Tenet, Brennan, Ex-Justizminister John Ashcroft samt Untergebenen - jemals rechtlich belangt werden, ist gering. Gleich zu Beginn seiner Präsidentschaft Anfang 2009 hat Obama einem solchen Szenario eine Absage erteilt und seinen Justizminister Eric Holder entsprechend instruiert. In der Europäischen Union, wo im Vergleich zu den USA das Argument der "nationalen Sicherheit" nicht gleich alle moralischen und rechtlichen Bedenken aus dem Feld schlägt, sind die Dinge etwas anders gelagert. So berichtete der Publizist Craig Murray am 14. April auf seinem Blog unter der Überschrift "UK Moves to Block US Senate Report to Protect Blair, Straw and Dearlove" mit einer gewissen Schadenfreude von fieberhaften Bemühungen der britischen Regierung, ihren Einfluß bei den Partnern in Washington geltend zu machen, damit der Senatsbericht am Ende nur in sehr stark gekürzter Form erscheint.

Murray wurde 2004 als Botschafter Großbritanniens aus Usbekistan abberufen, nachdem er sich beim Außenministerium in London wiederholt über die Folter von Regierungsgegnern beschwert hatte. Weil die daraus gewonnenen "Erkenntnisse" angeblich dem "globalen Antiterrorkrieg" der USA dienten, deren wichtigster Verbündeter damals der britische Premierminister Tony Blair war, wollte man an der Themse nichts von den Protestnoten und ethischen Bedenken des eigenen Botschafters in Taschkent wissen. Laut Murray hat sich London in den Streit um den Senatsbericht eingeschaltet, weil die Veröffentlichung des Executive Summary für Blair, Ex-Innenminister Jack Straw und Ex-MI6-Chef Richard Dearlove zu peinlichen Anklagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte führen könnte.

Bisher hat die britische Regierung von Gerichten im eigenen Land die Klagen von Opfern des CIA-Folterprogramms, die mit Hilfe des MI6 verhaftet, von deren Mitarbeitern "vernommen", deren Entführung über britische Flughäfen erfolgte oder die zwischendurch in Diego Garcia gelandet waren, mit den Hinweis abgewiesen bekommen, eine juristische Behandlung derlei Fälle würde sich negativ auf die geheimdienstliche Zusammenarbeit mit den USA auswirken. Sollten die Amerikaner jedoch selbst weitreichenden Einblick in den Folterkomplex gewähren, stäche dieses Argument natürlich nicht mehr. Daher die Nervösität und Umtriebigkeit Londons in dieser Angelegenheit - um Schaden von Großbritannien und vor allem von Blair, Straw und Dearlove abzuwenden.

15. März 2014