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INTERVIEW/134: Ecuador offensiv - Der aufrechte Gang (SB)


"Präsident Correa hat Assange Asyl gewährt, bevor seitens der britischen Regierung eine Dummheit begangen werden konnte."

Interview mit S.E. Jorge Jurado an Bord des Segelschulschiffs BAE Guayas im Europahafen Bremen am 31. August 2012


Foto: © 2012 by Schattenblick

S.E. Jorge Jurado, Botschafter Ecuadors in Deutschland
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Ecuador, ein kleines Land Südamerikas, hat sich international in die Schlagzeilen gebracht durch die Entscheidung, dem Wikileaks- Mitbegründer Julian Assange in seiner Londoner Botschaft Aufenthalt und Asyl zu gewähren. Ein solches namentlich gegenüber den USA couragiertes Vorgehen hat dem Andenstaat bei den EU-Mitgliedsländern nicht unbedingt Sympathien eingebracht, berührt doch dieses Vorgehen das Spannungsverhältnis zwischen der in Sachen Humanität und Menschenrechtsschutz beanspruchten Führungsrolle des Westens und seiner tatsächlichen Hegemonialpolitik.

Während sich die britische Regierung noch 1998 aus angeblich "humanitären" Gründen weigerte, den ehemaligen chilenischen Diktator Auguste Pinochet an die spanische Justiz auszuliefern, womit sie die stillschweigende Kooperation des Westens mit dessen früherer Junta, die 1973 den "demokratischen Sozialismus" des gewählten Präsidenten Salvador Allende mit brutalster Gewalt zerstört hatte, fortsetzte, erweisen sich heute Großbritannien wie auch die gesamte EU im Fall Julian Assange als Erfüllungsgehilfen einer US-Politik, durch die die in allen Demokratien der Welt eigentlich geltende Pressefreiheit und insbesondere die in den USA verfassungsrechtlich garantierte Informationsfreiheit vollends ad absurdum geführt werden.

Bezeichnenderweise haben die USA an keiner Stelle und zu keinem Zeitpunkt den Wahrheitsgehalt der von Wikileaks wie auch anderen Medien veröffentlichten Dokumente über die US-Kriegführung im Irak und in Afghanistan sowie das Vorgehen Washingtons in Lateinamerika bestritten, womit sie indirekt zu erkennen geben, daß sie sich in der Position wähnen, diese von ihnen in Anspruch genommene Geheimhaltung mit den denkbar repressivsten Mitteln durchsetzen zu können. Es liegt auf der Hand, daß die darin enthaltene Anmaßung und fundamentale Verletzung international verbriefter Prinzipien früher oder später zu Spannungen und Konflikten vornehmlich mit jenen Regionen, Regierungen und Staatenbündnissen führen würde, deren Emanzipation von ehemals kolonialen Fesseln von den Erben und Nachfahren der einstigen Raub- und Eroberungszüge noch immer nicht vollständig akzeptiert wird.

Ecuador nimmt somit im Fall Assange nicht etwa die Rolle eines Davids ein, der sich gegen Goliath auflehnt, sondern gleicht, wie die massive und einhellige Rückendeckung der übrigen lateinamerikanischen Staaten erkennen läßt, der politischen Speerspitze der Emanzipation einstiger kolonialisierter Völker und Staaten, die mit den einstigen Führungsmächten zwar auf gleicher Augenhöhe zu kooperieren, nicht jedoch sich ihnen zu unterwerfen bereit sind. Nun hat die britische Regierung in der Angelegenheit Assange inzwischen insoweit eingelenkt, daß sie die Unverletzbarkeit der Londoner Botschaft Ecuadors respektiert, was bilaterale Gespräche zwischen London und Quito ermöglicht, doch der zugrundeliegende, am Schicksal des Wikileaks-Mitbegründers entbrannte Konflikt ist damit noch keineswegs ausgestanden.

Am 31. August 2012 kam S.E. Jorge Jurado, der Botschafter Ecuadors in Deutschland [1], nach Bremen, um das Segelschulschiff der ecuadorianischen Marine, die BAE Guayas (B 21), bei seiner Ankunft am Europahafen zu begrüßen. Sinn und Zweck des viertägigen Aufenthalts der Guayas, die sich auf einer achtmonatigen Fahrt durch Europa und Amerika befindet, bestand darin, das Land und seine Kultur und insbesondere auch die Yasuní-ITT-Initiative bekannt zu machen. An Bord des Schiffes, das zu besichtigen dem Schattenblick eine willkommene Gelegenheit war, fand sich Botschafter Jurado bereit, unsere Fragen zum Fall Julian Assange zu beantworten.

Foto: © 2012 by Schattenblick

Die BAE Guayas, das Segelschulschiff Ecuadors, im Bremer Europahafen
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Schattenblick: Wir sind hier an Bord des ecuadorianischen Segelschulschiffs BAE Guayas, das heute nach Bremen gekommen ist, um die Kultur und Gastronomie Ecuadors vorzustellen, aber auch, wie Sie bereits erklärten, um "die Botschaft des Friedens und der Solidarität, einem Charakteristikum des ecuadorianischen Volks", zu überbringen. Nun sind "Frieden" und "Solidarität" stark strapazierte und instrumentalisierte Begriffe, was wohl seinen vorläufigen Höhepunkt in der Behauptung fand, die NATO sei die größte Friedensbewegung der Welt. Können Sie präzisieren, wie sich Ihr Land in den aktuellen internationalen Konflikten positioniert?

S.E. Jorge Jurado: Welche zum Beispiel?

SB: Ich denke an den politischen Richtungsstreit innerhalb Lateinamerikas, aber auch an den Bürgerkrieg in Syrien, den "Atomstreit" mit dem Iran und die instabile Lage im Nahen Osten.

JJ: In Lateinamerika genießen wir im Moment vielleicht die schönsten und interessantesten Zeiten seit langem. Es gibt aktuell keine Konflikte in Lateinamerika. Wir befinden uns auf einem guten Weg und können mit der Arbeit der verschiedenen Regierungen sehr zufrieden sein. Lateinamerika hat jetzt ein großes Wort in der Welt mitzureden, daher kann man meiner Meinung nach auch hier schlecht von einem Konflikt sprechen. In Hinsicht auf die anderen Krisenherde, die Sie genannt haben, haben wir immer eine Position der Unabhängigkeit vertreten und erklärt, daß diesen Ländern die Möglichkeit gegeben werden sollte, ihre inneren Konflikte ohne Einmischung von außen und anderen Staaten zu lösen. Das ist für uns sehr wichtig. Je mehr Mächte sich da einmischen, umso verschiedener sind selbstverständlich auch die Interessen, die dabei vertreten und wahrgenommen werden, und die stimmen nicht unbedingt mit den Interessen der Bevölkerung überein. Für uns ist es sehr wichtig, daß die Bevölkerung ihre eigenen Interessen wahrnimmt und die Zukunft der jeweiligen Länder mitgestaltet.

SB: Nun zu Julian Assange: Inwieweit hat die Drohung des britischen Außenministeriums, Ihre Botschaft in London zu erstürmen, bei der Entscheidung Ihrer Regierung, dem Wikileaks-Mitbegründer Asyl zu gewähren, eine Rolle gespielt?

JJ: Ich habe von Präsident Correa selbst gehört, daß er eigentlich noch etwas mehr Zeit haben wollte, um diese Entscheidung treffen zu können. Aber dann ist da plötzlich jene schriftliche Bedrohung in unserem Außenministerium eingegangen. Ich glaube, er hat dann gesehen, daß das Maß voll war und hat Assange Asyl gewährt, bevor seitens der britischen Regierung eine Dummheit begangen werden konnte. Ich nehme an, daß dieser Faktor zu der Entscheidung beigetragen hat. Doch ob er am Ende ausschlaggebend war, kann ich nicht sagen.

SB: Die Entscheidung, Julian Assange Asyl zu gewähren, ist nicht nur eine humanitäre, sondern auch eine hochpolitische. Tritt Ecuador damit für die Einhaltung bestehender internationaler Rechtsnormen ein, könnte man das so sagen?

JJ: Ja, aber selbstverständlich. Wir haben uns an die verschiedensten internationalen Rechtsnormen gehalten, insbesondere an die Charta und die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen, das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen und mehrere weitere Erklärungen und Abkommen innerhalb Lateinamerikas wie auch außerhalb. Es ist das absolut anerkannte Recht eines souveränen Staates, darüber entscheiden zu können, und dieses Recht haben wir in Anspruch genommen. Wir haben uns immer auf das Prinzip der Menschenrechte, das für uns das höchste Gut eines Menschen ist, bezogen und damit gearbeitet. Wir helfen, dieses Prinzip zu verteidigen in dem Moment, in dem wir sehen oder spüren, daß irgendwelche Menschen gefährdet sind, weil ihre Menschenrechte von anderen Ländern vielleicht nicht richtig wahrgenommen werden. Da springen wir ein.

S.E. Jorge Jurado während des Interviews - Foto: © 2012 by Schattenblick

'Wir haben uns immer auf das Prinzip der Menschenrechte bezogen.'
Foto: © 2012 by Schattenblick

Wir können in dieser Hinsicht auf eine lange Tradition verweisen. In den letzten Jahren hat Ecuador mehr als 56.000mal kolumbianischen Bürgern, die wegen der Bürgerkriegssituation im Nachbarland die Grenze überschritten haben, Asyl gewährt. Diese Menschen sind vor der Gewalt in ihrem Land zu uns geflohen. Bei uns sind sie jetzt in Sicherheit, sie können in unserem Land leben und arbeiten. Wir gewähren ihnen nicht einfach nur Zuflucht. Nein, die Flüchtlinge sind bei uns in Ecuador willkommen und dürfen sich so frei bewegen wie jeder andere Bürger auch.

SB: Sie werden nicht in Lager gesteckt?

JJ. Nein, absolut nicht. Das wäre für uns etwas sehr Schlimmes, wenn wir so etwas machen würden. Ich glaube, das ist das beste Beispiel, um deutlich zu machen, daß wir nicht mit hintergründigen politischen Absichten arbeiten, sondern mit dem Prinzip des Schutzes der Menschenrechte.

SB: Wie bewertet Quito die Haltung Washingtons in der Affäre Assange?

JJ: Wir haben mit großer Sorge die verschiedenen rechtlichen Prozeduren gesehen, die von den US-Behörden ergriffen worden sind, wie zum Beispiel diese geheime Grand Jury in Alexandria, Virginia, die bereits eine Anklageerhebung empfohlen hat, und ähnliches. Das alles macht uns große Sorgen, daß Herr Assange, sollte er ausgeliefert werden, tatsächlich keinen fairen Prozeß zu erwarten hätte.

SB: Verfolgen Großbritannien, Schweden und Australien dabei eigene Ziele oder "tanzen sie einfach nach der Pfeife der USA", wenn man es einmal so überspitzt formulieren darf?

JJ: Dazu möchte ich mich nicht äußern, denn da würde ich mich auf das Gebiet der Spekulation begeben. Ich glaube, daß sich jeder informierte Bürger auf der Welt seine eigene Meinung zu den Geschehnissen der letzten Monate bilden kann und daß sehr viele Menschen zu dieser Angelegenheit auch schon einen ziemlich klaren Standpunkt haben.

SB: Die negative, verurteilende Reaktion des Westens auf die Entscheidung von Präsident Correa war so zu erwarten gewesen. Ist Ecuador aber mit der Solidarität seiner lateinamerikanischen Nachbarländer zufrieden? Man könnte zum Beispiel den Eindruck gewinnen, daß Brasilien sich ein wenig zurückhält, oder irren wir uns da?

JJ: Selbstverständlich hat jedes Land seine eigene Sicht der Dinge und vertritt seine jeweiligen Interessen. Für uns ist vor allem wichtig, daß wir innerhalb der drei verschiedenen Organisationen, die wir dazu aufgerufen hatten, über den Fall Assange zu diskutieren, auf einhellige Unterstützung gestoßen sind. Das betrifft die ALBA-, die UNASUR- und schließlich auch die OAS-Staaten [2]. Das ist uns jetzt sehr wichtig.

SB: In diesem Zusammenhang darf man die Situation Bradley Mannings nicht aus den Augen verlieren. Wie bewerten Sie seinen Fall? [3] Wäre es denkbar, daß Ecuador mit jemandem wie ihm, dem vorgeworfen wird, vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit gebracht zu haben, ähnlich umginge?

JJ: Die Veröffentlichung vertraulicher Informationen wird in verschiedenen Fällen unterschiedlich bewertet, und man handhabt sie in jedem Land anders. Für uns war entscheidend, daß unseren Analysen zufolge ein Mensch - in diesem Fall Herr Assange - aufgrunddessen, was er gemacht hat bzw. was ihm vorgeworfen wird, in der Angst leben muß, von der britischen Justiz nach Schweden ausgeliefert zu werden und daß nicht garantiert wurde, daß er von dort aus nicht doch in die USA überstellt werden würde. Das sind die Hauptpunkte. Darüber, ob er sich etwas hat zuschulden kommen lassen, könnte man später immer noch diskutieren oder vielleicht sogar einen Prozeß führen. Aber es muß die Garantie geben, daß ein solches Gerichtsverfahren fair verläuft. Das ist für uns das Wichtigste.

SB: Wie ist das bei dem Gefreiten Manning, betrachten Sie den Umgang der US-Militärbehörden mit ihm als fair?

JJ: Das ist eine Angelegenheit, zu der wir uns nicht äußern können, weil es ein Fall ist, der uns jetzt nicht direkt betrifft.

Foto: © 2012 by Schattenblick

Der Botschafter Ecuadors mit SB-Redakteur an Bord der Guayas
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SB: Ecuador ist in Verbindung mit dem Fall Assange in der Frage der Pressefreiheit Heuchelei vorgeworfen worden. Dabei wurde zum Beispiel auf den Fall der Zeitung "Vanguardia" hingewiesen, die in den letzten zwölf Monaten, zuletzt Anfang August, zwei Razzien über sich ergehen lassen mußte. Wie ist Ihre Antwort auf diesen Vorwurf?

JJ: Die Fälle dieser Zeitung - es ist eine Wochenzeitung - und anderer beruhen auf verschiedenen Straftaten, die verübt wurden. Bei "Vanguardia" zum Beispiel handelte es sich, wenn ich mich nicht irre, um einen Fall der Steuerhinterziehung. In jedem Staat wird jemand, der Steuern hinterzieht oder nicht zahlt, strafrechtlich verfolgt. So ist es bei "Vanguardia" gewesen. Es gab, so weit ich weiß, auch noch weitere Delikte. Aber wir halten uns immer strikt an das Gesetz. Wenn das vermischt wird und als eine Art Verfolgung oder Verletzung der Meinungsfreiheit aufgefaßt wird, ist das etwas ganz anderes. Da würde ich vielleicht eher einmal darauf hinweisen wollen, daß jeder Mensch in unserem Land die Möglichkeit hat, seine Meinung frei zu äußern.

Wir haben in Ecuador eine sehr starke und große Opposition seitens der verschiedenen privaten Medien. Das können Sie ganz einfach im Internet nachprüfen. Wenn Sie die Nachrichten verfolgen, werden Sie sehen, daß in der schriftlichen Presse, von den Runkfunksendern und auch im Fernsehen ständig sehr starke Kritik an der Regierung geübt wird, und trotzdem wird kein Mensch deswegen verfolgt. In den Fällen, die an die internationalen Presse gelangt sind, ging es um bestimmte Straftaten wie zum Beispiel Anfang des Jahres im Fall der Zeitung "El Universo" [4], in dem Präsident Correa verleumdet wurde, was natürlich auch unter Strafe steht. Ich plädiere in diesem Zusammenhang für eine tiefgehende und genaue Differenzierung, um zu klären, was Unwahrheiten, Lügen und Diffamierungen sind und was durch die Presse- oder Meinungsfreiheit gedeckt ist. Das sind vollkommen verschiedene Dinge. Wir garantieren die Presse- und Meinungsfreiheit.

SB: Wie schätzen Sie persönlich die Bedeutung der Wikileaks- Enthüllungen im Sinne der Meinungsfreiheit und -vielfalt ein?

JJ: Ich glaube, Wikileaks hat einen großen Beitrag geleistet, weil es uns die Aufklärung sehr vieler bekanntgewordener Machenschaften, in die bestimmte Unternehmen sowie Regierungen und ihre verschiedenen Behörden involviert waren, ermöglicht hat. Damit konnte meiner Meinung nach ein Zeichen gesetzt und der Spekulation ein Ende bereitet werden, weil wir plötzlich Tatsachen vor Augen gehabt haben. So schlimm diese auch gewesen sind und so sehr wir auch überrascht wurden durch das, was wir uns in Gedanken vielleicht ausgemalt hatten, waren wir doch nie wirklich sicher, ob so etwas auch geschehen kann und ist. Und plötzlich hat Wikileaks uns da Einblick gewährt. Das war Wikileaks! Die größten und - in Anführungszeichen - seriösesten Zeitungen der Welt aber haben diese Nachrichten von Wikileaks benutzt, um sie über mehrere Wochen hinweg Tag für Tag zu veröffentlichen. Und was geschieht? Wikileaks wird verfolgt und die anderen Medien überhaupt nicht. Da stimmt doch etwas nicht!

SB: Seit unserem letzten Gespräch, in dem Sie uns das Yasuní-Projekt bereits vorgestellt haben [1], sind fast zwei Monate vergangen. Hat es in dieser Zeit Fortschritte auf dem Verhandlungswege gegeben? Konnte auf dem Rio+20-Gipfel in dieser Hinsicht etwas bewegt werden, und gibt es insbesondere hier in Deutschland Anhaltspunkte für die Annahme, die Bundesregierung könnte ihre Haltung, den Schutz des Regenwaldes im Yasuní-Nationalpark im Zusammenhang mit dem REDD-plus- Waldschutzkonzept zu unterstützen, nicht jedoch in den Yasuní-ITT- Treuhandfonds einzuzahlen, noch einmal überdenken?

JJ: Das ist immer noch eine sehr komplexe Frage. Wir haben den Eindruck, daß - vielleicht etwas langsamer, als wir es uns wohl wünschen würden -, die Anerkennung der Yasuní-ITT-Umweltinitiative innerhalb der verschiedenen Regierungen, Institutionen und Organisationen doch vorangeht. Der vielleicht beste Beleg dafür ist, daß wir ständig Grußbotschaften und auch Unterstützung von politischer Seite bekommen. Allerdings ist es so: Wenn es hart auf hart kommt und darum geht, die politische Unterstützung in eine finanzielle zu überführen, hapert es. Dann stoßen wir nach wie vor auf Schwierigkeiten. Es ist selbstverständlich nicht leicht, dabei einen Durchbruch zu erzielen, aber wir hoffen immer noch sehr, daß diese Initiative in den verschiedenen Ländern auf offene Ohren stößt. Ecuador ist nach wie vor hochmotiviert, dieses Projekt weiter voranzutreiben. Der politische Wille, der bei uns dahintersteht, ist ungebrochen. Allerdings ist es inzwischen nicht mehr ein 100-Meter- Lauf, bei dem es auf Geschwindigkeit ankommt, sondern eher ein Marathonlauf, der länger dauert und größere Anstrengungen erfordert.

SB: Ein gutes Schlußwort. Vielen Dank, Herr Botschafter, für dieses Gespräch.

Das Segelschulschiff Guayas bei Nachthimmel am Kai - Foto: © 2012 by Schattenblick

Ein Segelschulschiff als Bote internationaler Solidarität
Foto: © 2012 by Schattenblick


Fußnoten:
[1] Siehe auch im Schattenblick in INFOPOOL → UMWELT → REPORT:
INTERVIEW/026: Stark in der Not - S.E. Jorge Jurado, Botschafter Ecuadors in Deutschland (SB)
www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0026.html
BERICHT/017: Stark in der Not - Rio+20 angeregt - Umwelt- und Wasserpolitik Ecuadors (SB)
www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0017.html

[2] Die "Bolivarische Allianz für die Völker unseres Amerikas" (ALBA) hatte am 18. August 2012 in der ecuadorianischen Stadt Guayaquil in einer einstimmig verfaßten Erklärung die britische Regierung vor ernsthaften Konsequenzen gewarnt, sollte sie die territoriale Integrität der Botschaft von Ecuador in London verletzen, und die Vereinten Nationen zu Beratungen über die Unverletzlichkeit diplomatischer Vertretungen aufgefordert. Die 12 Mitgliedstaaten der "Union Südamerikanischer Staaten" (UNASUR) hatten nach einer Dringlichkeitssitzung ihrer Außenminister in einer Sieben-Punkte-Erklärung das britische Vorgehen ebenfalls verurteilt, ihre Solidarität zu Ecuador bekundet und London aufgefordert, das Recht auf Asyl zu respektieren. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hatte sich auf einer zweitägigen Dringlichkeitssitzung zunächst nicht auf die Einberufung eines Außenministertreffens einigen können. Gleichwohl solidarisierte sie sich mit Ecuador und verabschiedete am 23. August mit 32 von 34 Stimmen eine Erklärung, in der alle Staaten zur Respektierung der diplomatischen Immunität von Botschaften sowie Großbritannien und Ecuador aufgefordert wurden, die Frage der Asylgewährung an Julian Assange im bilaterialen Dialog zu lösen. Nach Angaben der ecuadorianischen Nachrichtenagentur ANDES hatten lediglich die USA und Kanada dieser Resolution nicht zugestimmt.

[3] Der US-amerikanische Obergefreite Bradley Manning befindet sich seit Mai 2010 in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, jener "Whistleblower" zu sein, der 2009 die Enthüllungsplattform Wikileaks mit als vertraulich klassifizierten Informationen versorgt hat. Nach sieben Monaten, die er in verschärfter Isolationshaft im Gefängnis der US-Marine auf dem Stützpunkt Quantico, Virginia, verbringen mußte, hat die Militärstaatsanwaltschaft Anfang 2011 22 Anklagepunkte gegen ihn erhoben, unter anderem auch "Unterstützung des Feindes". Letzterer kann mit der Todesstrafe bestraft werden. Am 30. August 2012 hat das Militärgericht in Fort Meade, Maryland, in der 7. vorgerichtlichen Anhörung den Beginn der Hauptverhandlung auf den 4. Februar 2013 festgelegt und damit die gegen den 24-Jährigen verhängte Untersuchungshaft abermals verlängert.

[4] Am 20. Juli 2011 wurden die Direktoren der ecuadorianischen Tageszeitung "El Universo", die Brüder Carlos, César und Nicolás Pérez, sowie der ehemalige Leitartikler Emilio Palacio wegen Beleidigung und Verleumdung zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe und 40 Millionen US-Dollar Schadenersatz an Präsident Rafael Correa verurteilt. Dabei ging es um einen im Februar 2011 in der Zeitung erschienenen Kommentar Palacios, in dem Präsident Correa als "Diktator" bezeichnet wurde, der die Vorgänge vom 30. September 2010 selbst inszeniert hätte. An diesem Tag hatte es einen Putschversuch gegeben, in dessen Verlauf zehn Menschen getötet und über 200 verletzt worden waren. Correa, der den Putschversuch selbst nur knapp überlebt hatte, wurde in dem Kommentar für die bei dem Versuch, ihn aus der Hand der Putschisten zu befreien, getöteten Soldaten verantwortlich gemacht. Am 16. Februar 2012 bestätigte der Nationale Gerichtshof Ecuadors die gegen die Verantwortlichen von "El Universo" verhängten Urteile. Kurz darauf wurde jedoch entschieden, auf die Vollstreckung zu verzichten. Präsident Correa hatte um diesen Schritt gebeten, weil ihm der juristische Beweis, daß er verleumdet worden war, genügte. Emilio Palacio hält sich, um der Strafverfolgung zu entgehen, seit August 2011 in Miami im US-Bundesstaat Florida auf. Inzwischen hat die US-Regierung in Reaktion auf die Entscheidung Ecuadors, Julian Assange Asyl zu gewähren, Palacio als politischen Flüchtling anerkannt.

5. Oktober 2012