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INTERVIEW/458: Rojava - sozial und an das Klima denken ...    Deniz Celik im Gespräch (SB)


Deniz Celik ist Stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft und im Arbeiter- und Jugendverein Hamburg e.V. (DIDF Hamburg) organisiert. Während der Demonstration gegen den türkischen Angriff auf Rojava am 12. Oktober in Hamburg [1] beantwortete er dem Schattenblick einige Fragen.


Schattenblick (SB): Herr Celik, finden Sie, daß die Linkspartei genug dafür tut, um die Fortsetzung des türkischen Krieges gegen Rojava zu verhindern?

Deniz Celik (DC): Wir als Linke haben eine klare Forderung an die Bundesregierung: Sofortiger Stopp von Waffenexporten in die Türkei und die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Türkei sofort beenden. Wir machen Druck, aber natürlich haben wir als Oppositionpartei unsere Grenzen. Was wir brauchen, ist eine gesellschaftliche Opposition. Das kann nicht die Linke allein, sondern wir brauchen ein Bündnis verschiedener fortschrittlicher Kräfte. Wir müssen weiter Druck ausüben, damit die Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und der türkischen Regierung so schnell wie möglich beendet wird.

SB: Dabei stellt sich auch die Frage des Verhältnisses von Parlament und Straße. Ich sehe bis auf Ihre hier kaum Fahnen der Linkspartei.

DC: Da kommen noch welche. Wir sind weiter hinten im Block und schon einmal nach vorne gelaufen. Zudem haben wir viele Mitglieder, die in verschiedenen Organisationen aktiv sind, so wie ich bei DIDF. Insofern sind die Mitglieder der Linken nicht immer sofort zu erkennen.

SB: Bei Parlamentswahlen kratzt Die Linke fast schon an der Fünf-Prozent-Hürde. Wie kann Ihre Partei die Gefahr abwenden, daß sie womöglich auf Bundesebene oder in einzelnen Bundesländern an der Sperrklausel scheitert? Sollte die Partei sich eher radikalisieren, oder ist der Reformkurs der erfolgversprechendere?

DC: Ganz wichtig ist, daß wir in der sozialen Frage konsequente Oppositionspolitik machen, daß wir als Friedenspartei und als klare Alternative zu diesem neoliberalen Einheitsbrei erkennbar sind. Da müssen wir uns eindeutig profilieren. Aber genauso wichtig ist, daß wir Antirassismus als wichtiges Thema vorantreiben und etwas gegen die Rechtsentwicklung tun. Mir geht es darum, diese Themen zu verbinden, so die soziale Frage mit der Klimafrage und mit antirassistischen Kämpfen. Da müssen wir klare und konsequente Politik machen und auch unterscheidbar von allen anderen sein. Wenn wir den Menschen Hoffnung auf eine bessere Lebens- und Arbeitsperspektive machen, dann wird Die Linke, denke ich, auch als Alternative wahrgenommen. Wir müssen uns auf den Weg machen, dann können wir auch wieder bei den Wählerstimmen zulegen.

SB: Wie würde das konkret aussehen? Die soziale Frage ist historisch immer unabgegolten geblieben und müßte jetzt um so dringlicher gestellt werden, denn ohne grundsätzlich andere gesellschaftliche Verhältnisse läßt sich der Klimawandel wohl kaum aufhalten.

DC: Für uns ist Klimapolitik eine Klassenfrage. Für uns ist wichtig, jetzt nicht darauf zu schauen, wo man bei den Verbrauchern verschiedene Steuern einführt und hofft, daß die Menschen ihren Lebensstil ändern. Das wird das Problem nicht lösen, wir müssen an die Produktion ran. Wir müssen an der fossilen kapitalistischen Wirtschaftsweise ansetzen, wir müssen über die Rekommunalisierung der Energieproduktion unter demokratischer Kontrolle sprechen, wir brauchen auch für die Produktion Rahmenbedingungen und ordnungspolitische Maßnahmen anstatt mit Steuern und marktwirtschaftlichen Instrumenten wie dem Emissionshandel zu hantieren. Das wird nicht dazu führen, daß wir eine Wende herbeiführen können. Aber das ist eine Systemfrage.

SB: Wäre es nicht gerade jetzt eine gute Gelegenheit, zum Beispiel AktivistInnen von Fridays for Future anzusprechen, indem man die ökologische Qualität des Experimentes Rojava herausstreicht?

DC: Ja, auf jeden Fall. Ich habe aber auch gehört, daß Fridays for Future angesprochen worden sind, um mitzudemonstrieren. Ich finde, das ist ein richtiger Ansatz, den man nur unterstützen kann.

SB: Herr Celik, vielen Dank.


Fußnote:

[1] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/report/prbe0351.html

17. Oktober 2019


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