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ARBEIT/391: Rund 28.000 Betriebe würden durch FDP-Forderung ihre Betriebsräte verlieren (idw)


Hans-Böckler-Stiftung - 16.10.2009

Beschäftigte in rund 28.000 Betrieben würden durch FDP-Forderung ihre Betriebsräte verlieren


Die Forderung der FDP, wonach Betriebsräte erst in Betrieben mit mindestens 20 statt bisher fünf Beschäftigten gebildet werden können, stellt die Existenz der Betriebsratsgremien in rund 28.000 Betrieben in Frage. Sollten die Pläne umgesetzt werden, stünden rund 300.000 Beschäftigte künftig ohne ihre gewählten, mit gesetzlichen Rechten ausgestatteten Vertretungen da, zeigen Daten aus dem Betriebspanel des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Ein weiteres Vorhaben der FDP zielt darauf, Freistellungen von Betriebsräten in Betrieben mit 200 bis 500 Beschäftigten abzuschaffen. Dadurch würden etwa 8100 voll oder teilweise freigestellte Betriebsräte wegfallen, ergibt eine Auswertung der aktuellen Betriebsr äte-Befragung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung. Darunter würde der professionelle Umgang zwischen Management und Arbeitnehmervertretung leiden, warnt Dr. Martin Behrens. Der WSI-Experte für industrielle Beziehungen hat zusammen mit seinem WSI-Kollegen Wolfram Brehmer untersucht, wie sich die Einschränkung der betrieblichen Mitbestimmung auswirken würde.

"Zahlreiche wissenschaftliche Studien haben mittlerweile den Nachweis erbracht, dass sich die Existenz eines Betriebsratsgremiums vorteilhaft oder zumindest neutral auf den wirtschaftlichen Erfolg von Betrieben der privaten Wirtschaft auswirkt", sagt Wissenschaftler Behrens. "Es nützt also ganz offenbar nicht nur den Beschäftigten, wenn in einem Betrieb ein Betriebsrat existiert. Und gerade in diesen Monaten beobachten wir viele Beispiele dafür, wie Betriebsräte dazu beitragen, die Krise zu bewältigen, ohne die Interessen der Arbeitnehmer aus den Augen zu verlieren."

Es gebe auch keine stichhaltige Begründung dafür, warum die Beschäftigten in Klein- und Mittelbetrieben weniger Beteiligungsrechte haben sollten als jene in Großbetrieben, erklärt der WSI-Experte. So sei zwar in vielen Kleinbetrieben das Verhältnis zwischen Belegschaften und Geschäftsführung direkter und oft auch persönlicher. Im Falle von Interessenkonflikten erweist sich aber auch hier - so haben zahlreiche Studien belegt - der Betriebsrat als ein wesentliches Instrument des Interessenausgleichs.

Der Wegfall von 8100 voll oder teilweise freigestellten Betriebsräten würde wiederum in vielen mittelgroßen Betrieben die Voraussetzungen für kooperative Arbeitsbeziehungen verschlechtern, fürchtet Behrens. Seit der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes im Jahr 2001 haben Betriebsräte in Betrieben ab 200 Beschäftigten das Recht, ein Mitglied ihres Gremiums von der beruflichen Tätigkeit freistellen zu lassen. "Dort, wo es in diesen Betrieben Betriebsräte gibt - und das sind immerhin 78 Prozent der Betriebe mit 200 bis 500 Beschäftigten - haben Freistellungsmandate in erheblichem Maße zur Versachlichung der Beziehungen zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat beigetragen", hat der Industriesoziologe beobachtet. "Freistellungsmandate stellen ein wichtiges Instrument dar, um die Arbeit des Betriebsrates zu professionalisieren, und somit der Geschäftsleitung einen kompetenten Partner an die Seite zu stellen."

Untersuchungen wie die regelmäßige WSI-Betriebsrätebefragung zeigen, dass gerade in den vergangenen Jahren der Professionalisierungsdruck auf Betriebsräte gestiegen ist. "Schließlich ist es zu einer massiven Ausweitung des Aufgabenspektrums gekommen", erklärt Behrens. Neben der Dezentralisierung der Tarifpolitik bedeuteten auch der Ausbau betrieblicher Rentenversicherungssysteme sowie die Begleitung von betrieblichen Restrukturierungsmaßnahmen eine erhebliche Mehrbelastung der Betriebsräte. Gerade vor diesem Hintergrund wirke eine Einschränkung der Mitbestimmung kontraproduktiv und widersprüchlich, betont Behrens: "Man kann nicht gleichzeitig immer mehr Aufgaben auf die betriebliche Ebene verlagern und einen radikalen Abbau bei denen in die Wege leiten, die diese Aufgaben zu schultern haben." Die nächsten Betriebsratswahlen finden im Frühjahr 2010 statt.

Weitere Informationen unter:
http://www.boeckler.de/320_98644.html
- PM mit Ansprechpartnern
http://www.boeckler-boxen.de/1523.htm
- Mehr Forschungsergebnisse zur Mitbestimmung

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Hans-Böckler-Stiftung, Rainer Jung, 16.10.2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Oktober 2009