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ARBEIT/412: Schneller juristischer Erfolg der Klage gegen Lidl (ECCHR)


European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR)

Schneller juristischer Erfolg der Klage gegen Lidl

Juristische Hintergrundinformationen - 21. April 2010 (*)


Eine Koalition zwischen dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), der Verbraucherzentrale Hamburg (VZ) und der Kampagne für Saubere Kleidung (CCC) hat einen juristischen Erfolg gegen einen der marktführenden deutschen Discounter Lidl errungen.

Das ECCHR hat zusammen mit der CCC eine am 6.4.2010 von der Verbraucherzentrale Hamburg eingereichte Klage gegen Lidl unterstützt. In dieser Klage wird Lidl vorgeworfen, in irreführender Weise mit der Einhaltung von Sozial- und Arbeitsstandards in Zulieferbetrieben zu werben. Hierdurch täusche Lidl die Verbraucher und verschaffe sich einen unlauteren Wettbewerbsvorteil. Mit dieser Klage wird zum ersten Mal in Deutschland ein deutschen Unternehmen wegen schlechten Arbeitsbedingungen in Zulieferbetrieben verklagt.

Bereits 10 Tage nach Klageeinreichung lenkt Lidl nun ein. Das Unternehmen hat die Unterlassungserklärung abgegeben, die beanstandeten Werbeversprechen bezüglich weltweit fairer Arbeitsbedingungen bei Textilzulieferern in Bangladesch. Damit hat Lidl die in der Klage gemachten Vorwürfe faktisch zugegeben.


Im Programm Wirtschaft und Menschenrechte, mit der Programmdirektorin Dr. Miriam Saage-Maaß, bekämpft das ECCHR die Sanktionslosigkeit von Unternehmensunrecht. Die krasse Waffenungleichheit zwischen den Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen durch ökonomische Akteure einerseits und transnationalen Unternehmen andererseits soll durch professionelles juristisches Vorgehen und Kooperation mit Menschenrechtsorganisationen zumindest verringert werden. Drei Themenbereiche sind hierbei besonders relevant: Beteiligung von Unternehmen an Völkerstraftaten (Beispiele: Militärdiktatur Argentinien, Apartheidssystem Südafrika), massive Arbeitsrechtsverletzungen (wie in den Zulieferbetrieben von Lidl oder der Baumwollproduktion in Unsbekistan) und die Verletzung von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten im Zusammenhang mit Infrastrukturprojekten oder in den extraktiven Industrien.
Um einen Überblick über die bisher gegen Unternehmen geführten Verfahren in Europa zu erlangen, wertete das ECCHR 69 Fälle von Unternehmensunrecht in Europa systematisch aus. Parallel hierzu stellten unsere Mitarbeiterinnen gezielte Recherchen zu Klagemöglichkeiten gegen Unternehmen, unter anderem dem in der Lidl-Klage relevanten Verbraucher- und Wettbewerbsrecht an. Die im Herbst 2008 veranstaltete Konferenz zum Thema "Transnationale Unternehmen und Menschenrechte" brachte Menschenrechtlerinnen und Anwältinnen aus Europa, den USA, Lateinamerika, Asien und Afrika zusammen und diente als Grundlage des mittlerweile weltweiten Netzwerkes des ECCHR. Über 230 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus mehr als 30 Ländern diskutieren über Möglichkeiten transnationaler Zusammenarbeit bei der Haftbarmachung von Unternehmen wegen Menschenrechtsverletzungen. Der dort angestoßene Diskussionsprozess wird von uns in regionalen Seminaren in Zusammenarbeit mit Misereor und Brot für die Welt fortgesetzt.


Menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in Zulieferbetrieben von Lidl in Bangladesh

Auf die Diskussion über die Verantwortung der europäischen Unternehmen für die Arbeitsbedingungen in ihren Zulieferbetrieben und den Druck der Kunden reagieren viele Unternehmen mit Initiativen freiwilliger Selbstverpflichtung. Auch Lidl ist seit 2006 Mitglied einer solchen Initiative, um "Corporate Social Responsibility" (CSR) zu demonstrieren: der Business Social Compliance Initiative (BSCI). Diese internationale Initiative des Einzelhandels hat zum erklärten Ziel, die Arbeitsbedingungen entlang der Lieferketten zu verbessern. Der BSCI-Verhaltenskodex enthält unter anderem Regelungen zur maximalen Arbeitszeit, zu Löhnen, zur Diskriminierung und zur Gewerkschaftsfreiheit, in Anlehnung an die Arbeitsrechtskonventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO).

Lidl erweckt bei Verbrauchern den Eindruck, dass die Arbeitsnormen, auf die sich der BSCI ausdrücklich bezieht, nicht nur als Zielvorstellung in der Zukunft erreicht werden sollen, sondern bei den Zulieferern Lidls bereits tatsächlich nachhaltig verbessert seien. So erklärt das Unternehmen Lidl, es ,,bestehe" als wesentliche Entscheidung beim Warenkauf auf diese Einhaltung bei seinen Zulieferern. Auch habe es dem BSCI-Kodex entsprechende Sozialstandards gegenüber den Zulieferern verbindlich (,,mandatory") gemacht und überprüfe deren Einhaltung. Wenn Lidl weiterhin auf der Unternehmens- Webseite von der ,,Sicherstellung von sozialen Mindeststandards" spricht, dann beschreibt dies Arbeitsbedingungen, die schon bestehen und durch Maßnahmen - wie z.B. der Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) - nur noch gesichert werden.

Um diese Aussagen Lidls zu überprüfen, hat das ECCHR zusammen mit der Clean Clothes Campaign eine Untersuchung in Auftrag gegeben, bei der Beschäftigte der Lieferanten von Lidl in Bangladesch befragt wurden. Dabei wurden gerade solche Zulieferbetriebe ausgewählt, die an den Trainingsprogrammen von Lidl bereits teilgenommen haben oder diesen Prozess gerade durchlaufen. Es handelt sich also um ,,Vorzeigefabriken", deren Management in Sozialstandards aus- und weitergebildet wurde.

Die Ergebnisse der Recherche, die erst kürzlich unter dem Titel ,,Die Schönfärberei der Discounter" veröffentlicht wurde, zeichnen ein erschreckendes Bild: überlange Arbeitszeiten, Lohnabzüge als Strafmaßnahmen, Verhinderung von Gewerkschaftsarbeit und Diskriminierung von Frauen verstoßen gegen die ILO-Konventionen, gegen die Standards des BSCI-Verhaltenskodex und gegen die Selbstverpflichtung Lidls.

Die Arbeitszeiten sind in vielen Fällen von 8 bis 22 Uhr an 7 Tagen in der Woche; dies ergeben zusätzlich zu den 48 Stunden regulärer Wochenarbeitszeit Überstunden von bis zu 35 Stunden pro Woche. Obwohl nach internationalen Standards wie auch dem Code of Conduct des BSCI Arbeitnehmer nicht zu Überstunden gezwungen werden dürfen, sind die täglichen Überstunden in den untersuchten Betrieben in keinem Falle freiwillig. Freiwillig würde bedeuten, dass eine Arbeiterin Überstunden ablehnen kann, ohne Repressalien wie Beleidigungen, Lohnabzug oder Entlassung befürchten zu müssen. Genau diese Maßnahmen werden jedoch in aller Regel bei der Weigerung, Überstunden zu leisten, von den Arbeitgebern ergriffen. Urlaub wird nicht gewährt, bereits das Gesuch um Urlaub wird mit Beschimpfungen und Einschüchterungen bis hin zu Lohnabzügen geahndet. Wer wegen Krankheit nicht zur Arbeit erscheint, wird für diese Zeit nicht bezahlt. Der durchschnittliche Monatslohn liegt - je nach Stellung der Arbeiter im Betrieb - zwischen 1600 und 3000 Taka (ca. 16,80-31,50 EUR) und wird häufig nicht vollständig ausgezahlt. Ein Lohn, der in vielen Fällen nicht ausreicht, um eine Familie zu versorgen, wie die Arbeiterinnen immer wieder betonen. Jeder Lohnabzug ist also ein existenzieller Einschnitt für die Arbeiterinnen und ihre Familie.

Jeder Versuch, eine Gewerkschaft zu initiieren, wird im Keim erstickt, mit Drohungen und Gewalt, sowie mit Entlassungen. Daher gibt es nicht ohne Grund in keiner der Fabriken bisher eine Gewerkschaft. In allen untersuchten Fabriken werden Erfahrungen mit Schlägertrupps geschildert. Jedes Gespräch zwischen Arbeitern ist generell unter Strafe gestellt. Wer bei der Arbeit oder in den Pausen spricht, wird der Agitation bezichtigt.

Auf die Schutzbedürfnisse schwangerer Frauen wird keine Rücksicht genommen. Sie müssen Überstunden bis spät in die Nacht hinein leisten wie ihre Kolleginnen und Kollegen. Der gesetzlich vorgesehene Mutterschutz von vier Monaten bei vollem Lohnausgleich wird oft nicht gewährt. Wer ihn einfordert, riskiert seinen Job. Glücklich schätzen sich die Frauen, die - ohne Bezahlung - freigestellt und nicht entlassen werden. Weiterhin kommen sexuelle Übergriffe des Managements gegen Arbeiterinnen regelmäßig vor.


Vor allem Arbeiterinnen sind Betroffene des "Discountering" - Lidl ist nur ein Beispiel
Rund 85 % der Beschäftigten der Bekleidungsindustrie in Bangladesch sind Frauen. Daher sind insbesondere Arbeiterinnen den unwürdigen Arbeitsbedingungen ausgesetzt. Auch wenn Frauen in Bangladesch zunehmend erwerbstätig sind, spielen tradierte Geschlechternormen bei der Marktintegration von Frauen eine ambivalente Rolle und prädestinieren Frauen durch ihre Rolle als "Zuverdienerin" für Niedriglohnjobs und prekäre Beschäftigung. Wnn überhaupt arbeiten erwerbstätige Frauen in ganz Südasien in unsicheren Beschäftigungen (vulnerable employment) (84 % im Jahr 2009 laut ILO). Dabei ist gerade der Zugang zu angemessen bezahlter Lohnarbeit ein wichtiger Schritt zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit und Selbstbestimmung der Frauen. Durch den Ausbau der Produktion im globalen Süden durch Firmen wie Lidl wird nicht nur gegen absolute Mindeststandards verstoßen, diese Praxis unterstützt vielmehr die anhaltende marktökonomische Diskriminierung von Frauen weltweit.



2. Die Klage:

Unternehmen wie Lidl lagern die Last der Produktionskosten und -risiken aus. Gleichzeitig gehen sie Selbstverpflichtungen ein, mit denen Kundinnen und Kunden suggeriert wird, das betreffende Unternehmen nehme seine soziale Verantwortung wahr und sorge dafür, dass die angebotene Ware unter Einhaltung der internationaler Sozialstandards produziert werde. Nicht nur die Arbeiterinnen haben ein Recht auf Achtung ihrer Würde und ihrer Rechte. Auch europäische Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Recht zu wissen, was genau sie einkaufen und wofür sie bezahlen. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass die Angaben des Verkäufers über die Herkunft und Herstellung des Produkts richtig und unmissverständlich sind.

Mit einer Klage nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sollte eingeklagt werden, dass Unternehmen rechtlich an das gebunden sind, was sie in ihrer Werbung unter Verweis auf ihre Selbstverpflichtungen versprechen. Dies, so die Argumentation der Klage, ist aber nicht der Fall bei Lidl: Unter Hinweis auf die BSCI und deren Verhaltenskodex wirbt Lidl mit der nachhaltigen Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei den Zulieferern - die Kundinnen und Kunden bekommen den Eindruck,

dass die Einhaltung von Sozialstandards von den Lieferanten verbindlich eingefordert wird,
dass Lidl seinen Einkauf beim Hersteller von der Einhaltung der Standards abhängig macht, so dass der Verbraucher sich darauf verlassen kann, dass die ihm angebotenen Waren ohne die Verletzung der internationalen Arbeitsnormen hergestellt worden sind,
dass die Einhaltung der Sozialstandards nachhaltig gesichert ist und
dass wenn es hier zu Mängeln kommen sollte, dies durch Kontrollsysteme auch tatsächlich festgestellt und Abhilfe geschaffen wird.

Demgegenüber zeigt aber die genannte Studie, dass trotz Audits und Trainings massive arbeitsrechtliche Verstöße in allen untersuchten Zulieferbetrieben weiter an der Tagesordnung sind. Ein Kunde von Lidl kann sich also keineswegs darauf verlassen, dass gekaufte Textilien ohne die Verletzung von Arbeitsrechten hergestellt worden sind oder, dass zumindest in dem Herstellerbetrieb sichtbare Verbesserungen im Gange sind.



3. Der Erfolg im juristischen Verfahren:

Lidl muss Werbung zurückziehen

Lidl gibt eine Unterlassungserklärung ab. In dieser erklärt Lidl, künftig den Verbrauchern nicht mehr zu suggerieren, dass die Mitgliedschaft in der Business Social Compliance Initiative zur Einhaltung von Sozialstandards verbindlich verpflichte und Lidl dieser Verpflichtung auch tatsächlich nachkomme.


Situation der Arbeiterinnen in Zulieferbetrieben deutscher Unternehmen wurde der deutschen Öffentlichkeit vor Augen geführt

Ziel dieser Klage war es nicht allein gegen die Schönfärberei Lidls vorzugehen und die deutschen Verbraucher vor irreführender Werbung durch Lidl zu schützen. Es ging dem ECCHR insbesondere auch darum, die katastrophalen Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen in Bangladesh vor Gericht zu bringen und zu verbessern.

Durch die enorme Presseresonanz (siehe Medienspiegel unter http://www.ecchr.eu/lidl-klage.html) konnte die Klage verdeutlichen, dass die bisherigen Methoden, mit denen Unternehmen ihrer so genannten sozialen Verantwortung (corporate social responsibility, CSR) gerecht werden wollen, ineffektiv sind. Deutsche Verbraucher profitieren nach wie vor auf Kosten der Arbeiterinnen in Bangladesch und anderen Ländern des globalen Südens von den Schäppchen-Angeboten der Discounter. Von den Unternehmen vorgegebene Standards und Trainings ändern nichts an den Arbeitsbedingungen, so lange nicht mehr für die Waren gezahlt wird und die Unternehmen das lokale Management wie auch die Arbeiter zusammenbringt und mit diesen Verbesserungen von Arbeitsbedingungen aushandelt. Ob Klagen wie die nun erhobene Wettbewerbsklage dauerhaft zu Verhaltensänderungen bei Unternehmen und zu einer Verbesserung der Situation der Arbeiterinnen in Bangladesch führen, hängt aber wesentlich von den Reaktionen von Politik und Gesellschaft ab.

Ob sich nun unmittelbar verändern werden, ist fraglich. Lidl kann auf diese Klage reagieren und allein seine Werbetexte ändern, um damit zukünftige Klagen nach dem UWG zu verhindern. Lidl kann aus demselben Grund auch die freiwilligen Standards, denen sich das Unternehmen verpflichtet hat, verwässern. Sollte dies der Fall sein, würde die Schwäche aller CorporateSocialResponsibility (CSR)-Maßnahmen, aller Maßnahmen, mit denen Unternehmen freiwillig ihrer sozialen Verpflichtung nachkommen wollen, offensichtlich. Zum einen ist es die Freiwilligkeit all dieser Initiativen und der damit einhergehenden Beliebigkeit problematisch: Wird es unangenehm, kann das Unternehmen jeder Zeit von den verbrieften Standards Abstand nehmen. Zum anderen wird deutlich: diese Initiativen und Maßnahmen im Rahmen der CSR orientieren sich letzten Endes an den Interessen der Unternehmen. Sie sind allein vom Unternehmen und seinen Bedürfnissen ausgedacht. Die Perspektive der betroffenen Arbeiterinnen und Arbeiter wird nicht berücksichtigt. Ihre Interessen an Standards, auf die sie sich berufen können und die sie einfordern können, werden völlig übergangen.


Das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG): Innovatives juristisches Vorgehen gegen unwürdige Arbeitsbedingungen
Angesichts der wenigen juristischen Instrumente, mit denen in Europa gegen Unternehmen wegen der Verletzung von Menschenrechten vorgegangen werden kann, ist es aus Sicht des ECCHR notwendig, auch neue Rechtswege zu nutzen. Um diese ausschöpfen zu können, stellt das ECCHR umfangreiche Recherchen an und konsultiert juristische Experten zu den verschiedenen Rechtsgebieten.

Auch wenn der gesetzliche Verbraucherschutz nach dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG) primär dem lauteren Wettbewerb und dem Verbraucherschutz dienen soll, bietet es doch eine Möglichkeit, die Verletzung arbeitsrechtlicher Mindeststandards vor Gericht zu bringen.

Das UWG erlaubt - ähnlich wie in anderen EU-Ländern - Verbraucherverbänden gegen Werbemaßnahmen vorzugehen, die den Verbraucher durch Irreführung zum Kauf verleiten. Dabei sind all jene Angaben zu prüfen, die für die Kaufentscheidung erheblich sind. Für den sozial bewussten Verbraucher ist entscheidend, ob die Waren, die er kaufen möchte, unter Verstoß gegen absolute Mindeststandards produziert wurden. Dabei muss der Verkäufer zwar nicht die Einhaltung dieser Standards durch Dritte, die Lieferanten, garantieren. Entscheidend ist aber, dass er diesbezüglich keine irreführenden Angaben macht. Der Verbraucher darf erwarten, dass der Discounter Lidl, wenn er die Einhaltung der Arbeitsnormen nicht sicherstellen kann, darauf hinweist und jedenfalls nicht den fälschlichen Eindruck erweckt, er habe sie sichergestellt oder könne sie sicherstellen. ...

... Vordergründig ist die Klage nach UWG darauf gerichtet, die irreführenden Werbemaßnahmen zu unterlassen. Es wäre allerdings zynisch, würde sich ein Unternehmen, das sich seiner sozialen Verantwortung rühmt, damit begnügen, diese nicht länger zu versprechen. Überzeugen wird ein Unternehmen seine Kunden nur dann, wenn es zeigt, dass unter sozialer Verantwortung einen ehrlichen und transparenten Umgang mit der Situation versteht; wo Trainings und Audits sich als unwirksam erweisen, müssen konkrete Verbesserungen angestrebt werden, die den Näherinnen direkt zugutekommen.

Dieser Weg über die Gerichte leistet einen Beitrag im Kampf um menschenwürdige Arbeitsbedingungen in Zulieferbetrieben europäischer Unternehmen. Mit solchen Gerichtsverfahren kann deutlich gemacht werden, dass die Verletzung elementarer Arbeitsrechte, nicht allein eine Frage freiwilliger unternehmerischer Verantwortung ist. Wenn Unternehmen die Einhaltung von Arbeitsrechten in Kodizes zusichern, schaffen sie mit diesen Selbstverpflichtungen auch rechtlich verbindliche Pflichten.


4. Wie kann die Rechtslage für die betroffenen Arbeiterinnen verbessert werden?

Für die von den unmenschlichen Arbeitsbedingungen betroffenen Arbeiterinnen und Arbeitern gibt es vor deutschen Gerichten keinen Rechtsweg, ihre Ansprüche auf Entschädigung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen direkt durchzusetzen. In Zeiten globaler Wirtschaftstrukturen ist es ein Skandal, dass Unternehmen zwar global agieren können, betroffene Arbeiter und Arbeiterinnen aber keine Möglichkeit haben, rechtlich ihre Interessen gegen ein Unternehmen in seinem Heimatstaat geltend zu machen.

Aus Sicht des ECCHR muß der europäische wie auch der deutsche Gesetzgeber diesem Mangel an Rechtschutz Abhilfe schaffen. Es müssen adäquate Anspruchsgrundlagen geschaffen werden, die es ermöglichen, erlittene Schäden beim europäischen Unternehmen geltend zu machen. Zudem müssen prozessuale Voraussetzungen geschaffen werden, die überhaupt einen gangbare Rechtswege eröffnen.


Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
siehe auch unter
www.schattenblick.de -> Infopool -> Politik -> Wirtschaft
VERBRAUCHERSCHUTZ/400: Lidl muß Werbung zurückziehen - Klage wegen Verbrauchertäuschung hat Erfolg (ECCHR)


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Quelle:
Schneller juristischer Erfolg der Klage gegen Lidl
Juristische Hintergrundinformationen - 21. April 2010
European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) e. V.
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E-Mail: info@ECCHR.eu
Internt: www.ecchr.eu


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2010