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ARBEIT/576: Pakistan - Haushaltshilfen hoffen auf Arbeitsrechte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Februar 2015

Pakistan: Haushaltshilfen hoffen auf Arbeitsrechte

von Zofeen Ebrahim



Bild: © Zofeen Ebrahim/IPS

Aasia Riaz ist eine von 8,5 Millionen Haushaltshilfen Pakistans. Die 24-Jährige verdient rund 82 US-Dollar im Monat
Bild: © Zofeen Ebrahim/IPS

Karachi, 10. Februar (IPS) - Sumaira Salamat arbeitet als Haushaltshilfe in Lahore, der Hauptstadt der pakistanischen Provinz Punjab. Jeden Tag pendelt die dreifache Mutter zwischen drei Arbeitsplätzen hin und her. Der Monatslohn für viereinhalb Stunden Arbeit pro Tag: 3.000 Rupien beziehungsweise 29 US-Dollar.

Salamat ist eine von 8,5 Millionen pakistanischen Haushaltshilfen, die dafür sorgen, dass es in den Wohnungen ihrer Arbeitgeber sauber ist und bleibt. Ihr Arbeitspensum ist meist klar definiert, doch das lässt sich über ihre Arbeitsrechte nicht unbedingt sagen. Nur die wenigsten haben feste Arbeitszeiten, einen Arbeitsvertrag und Rentenansprüche oder können auf Urlaubsgeld oder andere Leistungen zählen. Stattdessen häufen sich Übergriffe, während die Gesetze schwammig bleiben.

Doch allmählich bahnt sich ein Wandel an. Nach der jüngsten Gründung der ersten pakistanischen Gewerkschaft steht nun die Verabschiedung eines neuen Gesetzes bevor, das die Betroffenen auf bessere Arbeitsbedingungen hoffen lässt.

Wie Salamat im Telefongespräch mit IPS berichtet, versucht sie seit vier Jahren, für sich und ihre Kolleginnen günstigere Beschäftigungsverhältnisse durchzusetzen. "Doch ist es gerade einmal eineinhalb Jahre her, dass die Frauen erkannt haben, wie wichtig es ist, an einem Strang zu ziehen", berichtet sie. "Wir wollen, das unsere Leistungen mit denen von Fabrikarbeitern und Krankenpflegern gleichgesetzt werden. Wir wünschen uns eine Altersabsicherung und vor allem bessere Löhnung und feste Arbeitszeiten."

Es sind insbesondere die schlechten Arbeitsbedingungen, die den Haushaltshilfen zusetzen. Oft werden sie mit der Aussicht auf ein besseres Leben und einen guten Verdienst aus den Dörfern in die Städte gelockt. Sind sie erst einmal da, müssen sie nur allzu oft erkennen, dass man ihnen falsche Tatsachen vorgespiegelt hat.


Rasche Ernüchterung

Eine Erfahrung, die auch Sonam Iqbal machen musste. Die 22-Jährige arbeitet bereits seit ihrem 15. Lebensjahr als Haushaltshilfe. "In den Bewerbungsgesprächen wird uns das Blaue vom Himmel versprochen. Doch haben wir unsere Stelle erst einmal angenommen, steigt das Arbeitspensum, und wir können uns noch nicht einmal dagegen wehren."

Lange Arbeitstage und niedrige Löhne sind nicht die einzigen Schwierigkeiten, mit denen die Haushaltshilfen zu kämpfen haben. Wenn irgendetwas fehlt, sind immer sie die ersten, die dafür verantwortlich gemacht werden.

Verlässliche Angaben, wie viele Menschen in Pakistan in Privathaushalten schuften, gibt es nicht. Der Leiter der zuständigen Behörde, Tahir Manzoor, will noch nicht einmal eine ungefähre Schätzung wagen. "Diese Arbeitskräfte sind weitgehend unsichtbar und isoliert", erläutert er.

Dem pakistanischen Statistikamt zufolge sind 74 Prozent der arbeitenden Bevölkerung des Landes in der Schattenwirtschaft beschäftigt, davon die Mehrheit - Frauen, Männer und Kinder - als Haushaltshilfen. Experten stimmen jedoch darin überein, dass es sich bei dem Gros der Haushaltshilfen um ungebildete Frauen aus ländlichen Gebieten handelt, von denen immer weitere nachströmen.

Ihre Hoffnungen auf ein besseres Leben sind nach ihrer Ankunft in den Familien rasch zerstoben. Stattdessen müssen sie erkennen, dass ihr Verdienst in Provinzen wie dem 30 Millionen Einwohner zählenden Sindh sogar den Mindestlohn von 10.000 Rupien (rund 97 Dollar pro Monat unterschreitet.

Im letzten Monat hat das pakistanische Ministerium für interprovinzielle Zusammenarbeit das Mindestlohn-Gesetz für ungelernte Arbeiter 2015 vorgelegt. Wird es verabschiedet, haben ungelernte Kräfte in allen Provinzen des südasiatischen Landes Anspruch auf einen Monatslohn von 116 Dollar - 19 Dollar mehr als bisher.

Allerdings kann nicht garantiert werden, dass die Haushaltshilfen davon profitieren werden, da es an entsprechenden Kontrollmechanismen fehlt. Tatsächlich mangelt es an einem spezifischen Gesetz zum Schutz der Rechte von Haushaltshilfen, wie Zeenat Hisam vom Pakistanischen Institut für Arbeitsbildung und Forschung (PILER), einer lokalen Nichtregierungsorganisation, erklärt.


Vernachlässigter Bereich

Seit 1965 verfügt das Land über die Provinzielle Sozialversicherungsverordnung für Arbeitgeber. Sie schreibt vor, dass Arbeitnehmer ihren Haushaltshilfen ermöglichen müssen, sich medizinisch behandeln zu lassen. Dann gibt es noch das Gesetz für Mindestlöhne aus dem Jahre 1961, von dem allerdings nur angestellte Haushaltshilfen profitieren. Hisam moniert, dass sich die Regierung in den letzten 53 Jahren nie auf Minimallöhne für Haushaltshilfen festgelegt habe.

Im Dezember 2014 hat der Pakistanische Arbeiterverband jedoch die erste Gewerkschaft für Haushaltshilfen gegründet. 225 der derzeit 235 Mitglieder sind Frauen. Die Gewerkschaft ist beim Register für Gewerkschaften in Lahore und wurde im Rahmen des Gleichberechtigungsfördergesetzes GE4DE der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) eingerichtet. "ILO und Pakistan sind bestrebt, die Gesetze und Bestimmungen mit der ILO-Konvention von 2011 für Haushaltshilfen in Einklang zu bringen", erläutert Razi Mujtaba Haider, ein ILO-Programmmitarbeiter.

Von 17 Staaten ratifiziert, garantiert die Übereinkunft den Haushaltshilfen grundlegende Rechte wie das Recht auf würdige und sichere Arbeit. Sie regelt ein Beschäftigtenheer aus weltweit 52,6 Millionen Menschen (2010), die weltweit als Haushaltshilfen im Einsatz sind.

Um die Einhaltung internationaler Standards gewährleisten zu können, ist die Arbeitsbehörde nach Aussagen von Manzoor in verschiedenen Bereichen aktiv. So bemühe man sich um den Aufbau von Kapazitäten, die die Haushaltshilfen benötigten, um ihre Verhandlungspositionen zu stärken.

Viele Haushaltshilfen sind Kinder, nach pakistanischem Recht 'Personen unter 14 Jahren'. Manzoor zufolge wird das Parlament in Punjab in Kürze ein Gesetz verabschieden, dass die Beschäftigung von Kindern in Privathaushalten verbieten soll.


Kinder zu Tode gequält

Unter Berufung auf zahlreiche Medienberichte erklärte Hamza Hasan von der Forschungs- und Kommunikationsabteilung der Gesellschaft für den Schutz der Rechte der Kinder (SPARC), dass zwischen 2010 und 2013 insgesamt 51 Fälle von Folter an Kinderhaushaltshilfen bekannt wurden. 24 der Opfer starben. Allein 2013 seien acht Kinder gestorben, die in Haushalten gearbeitet hätten - wahrscheinlich an Überarbeitung oder Missbrauch.

Sowohl Arbeitsrechtsexperten als auch die Haushaltshilfen selbst warten nun auf die Veränderungen, die derartige Missstände beenden sollen. Doch bis die erforderlichen Gesetze verabschiedet und ratifiziert sind, geht die Ausbeutung erst mal weiter. (Ende/IPS/kb/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/02/pakistans-domestic-workers-long-for-low-pay-and-overwork-to-be-a-thing-of-the-past/

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IPS-Tagesdienst vom 10. Februar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Februar 2015

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