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ARBEIT/646: Kitapersonal braucht bessere Arbeitsbedingungen (idw)


Bertelsmann Stiftung - 26.09.2019

Kitapersonal braucht bessere Arbeitsbedingungen


Trotz aller Kraftanstrengungen: Die unzureichende Personalausstattung in deutschen Kitas wird zunehmend zum Problem. Zwar hat sich die Zahl der pädagogischen Fachkräfte durch den Kita-Ausbau deutlich erhöht, doch die Personalschlüssel verbessern sich vielerorts zu langsam. Der Personalmangel belastet nicht nur die Kita-Qualität, sondern auch die Erzieherinnen und Erzieher und erschwert es, mehr Menschen für den Beruf zu begeistern.

Gütersloh, 26.09.2019. Mit dem Kita-Ausbau ist von 2008 bis 2018 die Zahl des pädagogischen Personals um 54 Prozent angestiegen, von 379.146 auf 582.125. Diese enorme Aufstockung des Kitapersonals ist ein erheblicher Erfolg. Zudem zeigt sich seit 2013 - dem Jahr der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz - eine im bundesweiten Durchschnitt verbesserte Personalsituation in den Kitas.

Konkret heißt das: Am 1. März 2013 war eine vollzeitbeschäftigte pädagogische Fachkraft in Krippengruppen rein rechnerisch noch für 4,6 ganztagsbetreute Kinder zuständig. Am 1. März 2018 waren es 4,2 Kinder. Auch in Kindergartengruppen gab es eine Verbesserung: verantworteten Erzieherinnen und Erzieher 2013 die Förderung von 9,6 Kindern, waren es im Jahr 2018 nur noch 8,9 Kinder. Trotz dieser Entwicklung sorgen die Personalschlüssel vielerorts nach wie vor dafür, dass in zahlreichen Kitas nicht kindgerecht betreut werden kann und die Arbeitsbelastung für die Fachkräfte sehr hoch ist. Zu diesen Ergebnissen kommt das diesjährige Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme. Die Bertelsmann Stiftung empfiehlt, dass für eine kindgerechte Betreuung in Krippengruppen maximal drei Kinder auf eine pädagogische Fachkraft kommen und in Kindergartengruppen 7,5.

Bundesweit einheitliche Standards für gleiche Bildungschancen und Arbeitsbedingungen

Die im bundesweiten Durchschnitt verbesserten Personalschlüssel verdecken die unterschiedlichen Entwicklungsdynamiken in den Ländern. So gibt es Länder wie Bremen und Thüringen, in denen sich die Personalausstattung sowohl in Krippen- als auch Kindergartengruppen verschlechtert hat oder stagniert. Andernorts, wie etwa in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Hamburg, haben sich die Personalschlüssel von einem ungünstigen Ausgangsniveau deutlich verbessert. Hervorzuheben ist hier Mecklenburg-Vorpommern, wo bei den Personalschlüsseln der größte Qualitätssprung für die älteren Kinder gelungen ist (von 1 zu 14,9 auf 1 zu 13,2). Baden-Württemberg konnte in beiden Gruppenformen seine bereits günstigen Personalschlüssel sogar weiter ausbauen. Insgesamt hängen die Bildungschancen trotz des Qualitätsausbaus der vergangenen Jahre noch immer stark vom Wohnort ab. So ist in Mecklenburg-Vorpommerns Kindergartengruppen eine Fachkraft rein rechnerisch für 13,2 und in Baden-Württemberg für 7,0 Kinder zuständig. Im Krippenbereich zeigt sich zwischen Sachsen und Baden-Württemberg eine ebenso große Kluft (1 zu 6,2 und 1 zu 3,0). Je nach Land oder auch Kommune muss das Kitapersonal also unter sehr unterschiedlichen Arbeitsbedingungen die Bildung und Entwicklung von Kindern fördern.

Das Betreuungsverhältnis sieht im Kitaalltag sogar noch ungünstiger aus. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass rund ein Drittel der Arbeitszeit einer Erzieherin für Aufgaben außerhalb der pädagogischen Praxis benötigt wird; zum einen beispielsweise für Elterngespräche, Qualitätsentwicklung oder Bildungsdokumentationen, zum anderen für Urlaub und Fortbildungen. In Mecklenburg-Vorpommerns Kindergartengruppen muss dann beispielsweise eine Mitarbeiterin fast 20 Kinder, in Baden-Württemberg hingegen 10,5 Kinder betreuen. Längere Ausfallzeiten durch Krankheit verschlechtern die Betreuungssituation noch weiter, wenn kein Vertretungspersonal zur Verfügung steht.

Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, bedauert: "Das Gute-Kita-Gesetz ist eine vertane Chance. Es fehlen im Gesetz bundesweit einheitliche Standards für die Personalausstattung, damit überall kindgerechte Betreuungsverhältnisse und gleiche Arbeitsbedingungen realisiert werden können."

Personal hat Vorrang: Mindestens 106.500 Fachkräfte notwendig

Dräger sorgt vor allem die angespannte Situation des Kitapersonals: "Der Fachkräftebedarf wird weiter steigen: Für mehr Plätze, eine gute Kitaqualität und den Ausbau der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder brauchen wir mehr Erzieherinnen und Erzieher. Diese können wir nur gewinnen und halten, wenn die Arbeitsbedingungen gut und attraktiv sind. Kindgerechte Personalschlüssel sind dafür eine wichtige Stellschraube." Insgesamt brauche es, so Dräger, fast 106.500 zusätzliche Fachkräfte, um die Empfehlungen der Bertelsmann Stiftung zu realisieren.

Um neue Fachkräfte zu gewinnen, fordert er zudem Verbesserungen im Ausbildungssystem für Erzieherinnen und Erzieher: bundesweit kostenfreie Ausbildung, eine angemessene Ausbildungsvergütung sowie Renten- und Sozialversicherungspflicht für alle Ausbildungsgänge. Zudem sollen die derzeit entstehenden unterschiedlichen Wege in den Beruf - beispielsweise für Quereinsteiger - keine Absenkung des bisherigen formalen Qualifikationsniveaus nach sich ziehen.


Zusatzinformationen
Grundlage des jährlich aktualisierten Ländermonitorings Frühkindliche Bildungssysteme sind Auswertungen von Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder aus der Kinder- und Jugendhilfestatistik und weiteren amtlichen Statistiken. Stichtag für die Datenerhebung war der 15. März 2008 und jeweils der 1. März 2013 und 2018. Die Berechnungen für 2018 wurden von dem LG Empirische Bildungsforschung der FernUniversität in Hagen durchgeführt. Die aktuellen Daten und Fakten zu den frühkindlichen Bildungssystemen finden Sie unter www.laendermonitor.de sowie in den Länderprofilen unter www.laendermonitor.de/laenderprofile.

Der Personalschlüssel ist ein zentrales strukturelles Qualitätsmerkmal von Kitas. Nach Empfehlung der Bertelsmann Stiftung sind für eine gute Kita auch Standards für eine professionelle Leitungsausstattung, berufsbegleitende Beratung sowie Aus-, Fort- und Weiterbildung der Fachkräfte und eine gute Mittagsverpflegung wichtig. Zusammenfassende Darstellung der wissenschaftlichen Studien zu den Arbeitszeitanteilen verschiedener Aufgabenbereiche von Fachkräften vgl. Viernickel und Schwarz (2009).


Weitere Informationen unter:
http://www.laendermonitor.de/laenderprofile
http://www.laendermonitor.de
http://www.bertelsmann-stiftung.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution605

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Bertelsmann Stiftung, 26.09.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. September 2019

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