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FRAUEN/308: Hidschab ist eine Kopfbedeckung - Entpolitisierung der Kopftuchdebatte gefordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. April 2011

Frauen: Hidschab ist eine Kopfbedeckung - Entpolitisierung der Kopftuchdebatte gefordert

Von Sabine Clappaert

Kopftuch oder Schal? Modeschau in Antwerpen - Bild: © Carmen de Vos/IPS

Kopftuch oder Schal? Modeschau in Antwerpen
Bild: © Carmen de Vos/IPS

Brüssel, 20. April (IPS) - Eine Entpolitisierung der Kopftuchdebatte haben sich zwei Unternehmerinnen zum Ziel gesetzt. Sie bieten ihren Kundinnen in Ihrer Edelboutique Noor d'Izar Kopftücher an, die sich sowohl zu einem Hidschab als auch zu einem lässigen Schal im Stil der 1970er Jahre umfunktionieren lassen. Die gesellschaftliche Integration und Emanzipation muslimischer Frauen werde sicher nicht am Kopftuch scheitern, sind sie überzeugt.

Fatima Rafiy ist Muslima, Inge Rombauts Nicht-Muslima. Dennoch ist beiden eines gemein: Sie wollen sich nicht an der Kopftuchdebatte beteiligen, sondern sie vielmehr hinterfragen. "Frauen mochten es schon immer, sich in Tücher zu hüllen, sagt die Unternehmerin Rombauts und verweist auf die Millionen Frauen, die Saris und Sarongs tragen.

"Wir sollten muslimische Frauen, die ein Kopftuch oder einen Kopf und Hals verhüllenden Hidschab tragen, nicht isolieren. Schließlich isolieren wir ja auch keine Krebspatientinnen, die durch die Chemotherapie ihr Haar verloren haben und ihre Blöße unter einem Tuch verbergen", meint Rombauts. "Uns geht es darum, das Kopftuch aus der politischen Debatte zu holen und Frauen unabhängig davon, ob sie muslimisch sind oder nicht, zu einem neuen zeitgenössischen Look verhelfen."

Das Gespräch mit den beiden Boutiquebesitzerinnen am Rande einer Modenschau im Zentrum von Antwerpen macht schnell deutlich: Hier haben wir es mit zwei Frauen zu tun, die eine Mission verfolgen. "Es ist mir ein Rätsel, wie sich Menschen von einem Kopftuch bedroht fühlen können. Ich für meinen Teil bin weder gegen den Hidschab noch dafür. Menschen sollten ihre eigene Wahl treffen dürfen."

In ihrer Nähe sitzen zwei Models, die sich rasch als die Töchter der beiden Boutiquenbesitzerinnen herausstellen. Die eine präsentiert den klassischen Hidschab, die andere hat ihren Schal so um Kopf und Hals geschlungen, wie dies bereits in den 1970er Jahren Mode war.


Kompromisslösung gefordert

Fatima Rafiy bringt die Kopfbedeckung der der beiden Mädchen mit geübten Griffen in Ordnung. "Wäre es nicht wunderbar, wenn wir, statt in der Kopftuchdebatte extreme Positionen einzunehmen, eine Lösung fänden, die für die Gegner und Befürworter des Kopftuchs akzeptabel wäre?"

"Viele Leute denken, dass muslimische Männer ihre Frauen dazu zwingen, den Hidschab zu tragen, oder dass das Tragen des Kopftuchs im Koran festgeschrieben ist. Doch dass ist nicht wahr", erläutert Rafiy. "Die Entscheidung für oder gegen das Kopftuch ist eine sehr persönliche Angelegenheit."

Rafiy hat sich im Alter von 24 Jahren für den Hidschab entschieden, als ihr erstes Kind unterwegs war. Möglicherweise wird es ihr die 17-jährige Tochter Yassira irgendwann gleichtun - oder auch nicht. "Egal, wie die Entscheidung ausfällt, ich werde sie akzeptieren", so die Unternehmerin.

Rombauts springt der Partnerin bei. "Gibt es Männer, die von ihren Frauen verlangen, den Hidschab zu tragen? Ich bin sicher, dass es sie gibt, ebenso wie es andere Männer gibt, die von ihren Frauen oder Freundinnen erwarten, dass sie ein sexy Kleid und hochhackige Schuhe tragen. Der Kampf zwischen den Geschlechtern ist nicht eine Frage der Religion oder Kultur, sondern vollzieht sich auf individueller Ebene."

Selbst Feministinnen tun sich mit der Kopftuchdebatte schwer. Die Befürworterinnen des Kopftuchverbots argumentieren, die Tücher seien Ausdruck weiblicher Unterdrückung durch den Mann. Die Gegnerinnen wiederum argumentieren, dass sich Emanzipation wohl kaum an Kopftüchern festmachen lässt.

Die belgische Frauenorganisation VOK vertritt die Meinung, dass Religions- und Redefreiheit fundamentale demokratische Werte sind, für die es keine Einschränkungen geben sollten. dazu gehört ihrer Meinung nach auch, dass Mädchen und Frauen auch in der Kopftuchfrage ihre eigenen Entscheidungen treffen sollten. (Ende/IPS/kb/2011)


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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. April 2011