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FRAUEN/394: Somalia - Sportlerinnen kämpfen um soziale Akzeptanz (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. April 2012

Somalia: Mit Frauenpower zu olympischem Ruhm - Sportlerinnen kämpfen um soziale Akzeptanz

von Grit Porsch



Berlin, 20. April (IPS) - Hinter den zerschossenen Mauern des Konis-Stadions von Mogadischu trainieren somalische Leichtathletinnen jeden Samstag auf der 400-Meter-Bahn. Sie kämpfen um die Teilnahme an den diesjährigen olympischen Sommerspielen in London. Einer von ihnen hat Somalias Leichtathletik-Verband bereits eine Fahrkarte an die Themse versprochen. Die übrigen Mädchen und jungen Frauen, die sich hier zum Training treffen, sehen im Sport eine Chance, in ihrem von Warlords und Clans beherrschten Land für sich die Akzeptanz und Freiräume zu reklamieren, die ihnen die Gesellschaft vorenthält.

Die zehnjährige Najma und die 15-jährige Leila sind glücklich, dass sie hier einen Trainingsort gefunden haben. Cheftrainer Ahmed Ali Abikar weiß, wie schwierig es für Sportlerinnen ist, in der somalischen Hauptstadt einen solchen Platz zu finden. "Die Gesellschaft versteht nichts vom Frauensport. Die Mädchen dürfen nicht überall trainieren. Doch sie wissen, was sie wollen, auch wenn sie dort, wo sie antreten, häufig verspottet werden", so Abikar gegenüber den UN-Informationsdienst IRIN.

Najma und Leila haben sich dem Sport verschrieben. Der Vater der zehnjährigen Najma erlaubt ihr zu trainieren und fördert sie, seitdem sich die islamistischen Al-Shabab-Milizen aus Mogadischu zurückgezogen haben. Die 15-jährige Leila ist seit drei Jahren Sportlerin. Früher durfte sie sich nur im Schutz einer Burka in ein Stadion wagen, bevor sie sich hinter den Mauern der Anlage ihr Sportzeug anziehen konnte.

Heute fühlt sie sich mit ihrem Interesse am Sport von Mogadischus Bürgermeister und Somalias Ministerpräsident unterstützt. Beide bekräftigen immer wieder ihre Bereitschaft, den Sport zu fördern. In Mogadischu können Mädchen inzwischen wählen, ob sie Basketball oder Handball spielen oder sich auf die Leichtathletik konzentrieren wollen.

In Somalia sei auch politisch ein Wandel zu verspüren, meint Nick Birnback, Sprecher des politischen Büros der UN für Somalia (UNPOS). "Seitdem es beschlossene Sache ist, in der von der Übergangsregierung angekündigten neuen Verfassung Frauen 30 Prozent der Parlamentssitze einzuräumen, werden wir oft von Frauen um Beratung und Aufklärung in Frauenrechtsfragen gebeten."

Im August endet das Mandat der somalischen Übergangsregierung. Die neue Verfassung soll am 20. August in Kraft treten. Die Vorsitzende des somalischen Frauenverbandes, Asha Omar, warnt allerdings vor der Erwartung, die stärkere parlamentarische Frauenpräsenz werde zu mehr politischem Einfluss der Frauen führen. "Die traditionelle Struktur der Clans kennt für Frauen keine Führungsrolle. Es werden weiterhin Männer sein, die die zur Wahl stehenden Frauen auswählen", stellt sie fest. Die Aktivistin hatte 21 Jahre in Schweden gelebt und war vor zwei Jahren nach Somalia zurückgekehrt.


Ohne tatkräftige Frauenförderung bleibt Parlamentspräsenz eine "Geste"

Skeptisch äußerste sich auch ein Mitarbeiter des Informationsministeriums. Die 30-prozentige Frauenpräsenz im Parlament ist nur eine Geste", stellt er fest. Frauen brauchten wirtschaftliche Förderung, etwa durch eigene Kredite. Man müsse die Schulpflicht für Mädchen durchsetzen, die Gleichberechtigung der Geschlechter auf den Weg bringen und mit einer vernünftigen Neuinterpretation sozialer, traditioneller und religiöser Normen beginnen.

Trainer Abikar hat seine Zweifel, dass die von ihm trainierten Sportlerinnen auf solche Veränderungen warten und im Land bleiben werden, Sie könnten die Chance ergreifen, ins Ausland zu gehen, sagt er. Wie die 200-Meter-Läuferin Samia Yusuf Omar, die er für die Olympischen Spiele 2008 in Peking trainiert hatte. Omar, die im zerbombten Mogadischu mit Mutter und sechs weiteren Familienangehörigen in einer Zwei-Zimmer-Wohnung lebte, nutzte später ihre Auslandskontakte und ging nach Äthiopien. (Ende/IPS/mp/2012)

Links:
http://www.unpos.unmissions.org
http://www.iaaf.org
http://www.irinnews.org/printreport.aspx?reportid=95308

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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. April 2012