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FRAUEN/400: Myanmar - Aung San Suu Kyis langer Schatten verdeckt den Blick auf den Frauenalltag (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. Mai 2012

Myanmar: Aung San Suu Kyis langer Schatten verdeckt den Blick auf den Frauenalltag

von Roberto Tofani



Yangon (Rangun), Myanmar, 8. Mai (IPS) - Die ganze Welt kennt Aung San Suu Kyi und verfolgt dank des anhaltend großen internationalen Medieninteresses seit Jahrzehnten den Kampf der burmesischen Polit-Ikone für Demokratie in ihrem Land. Doch diese mediale Aufmerksamkeit verstellt den Blick auf das, was viele ihrer mehr als 20‍ ‍Millionen Mitbürgerinnen während der Militärdiktatur erlitten und an politischer Arbeit geleistet haben.

"Suu Kyi ist ein großartiges Vorbild für alle Frauen Myanmars", sagte die Ärztin Ma Thida IPS. Sie leitet auch die Redaktion der Wochenzeitung 'Myanmar Independent', die in Yangon erscheint. 1993 war Ma Thida wegen ihrer politischen Arbeit zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Die Anklage warf ihr vor, den öffentlichen Frieden zu gefährden, verbotene Literatur verteilt zu haben und Kontakte zu illegalen Organisationen zu haben. Nach fünf Jahren im berüchtigten Insein-Gefängnis kam sie frei.

Nach Angaben der unabhängigen Gefangenenhilfsorganisation 'Assistance Association of Political Prisoners' mit Sitz in der thailändischen Grenzstadt Mae Sot sind in Myanmar noch heute 18 der 473 politischen Gefangenen Frauen.

Auf dem Papier haben Frauen in Myanmar die gleichen bürgerlichen Freiheiten wie Männer. Obgleich das südostasiatische Land das UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) ratifiziert hat, entspricht die Verfassung von 2008 nicht ganz diesen guten Absichten. So etwa haben Männer bei der Vergabe von Jobs im öffentlichen Dienst die Nase vorn, "wenn sich die Position nur für Männer eignet", wie es heißt.


Frauenproteste gegen Staudammprojekt

"Derzeit können wir nicht offen über Gleichberechtigung oder Gender-Diskriminierung sprechen", meinte eine auf Anonymität bestehende Menschenrechtsaktivistin. Sie hatte sich an einer Kampagne gegen den inzwischen gestoppten Bau des Myitsone-Staudamms am Irrawaddy beteiligt.

Es waren vor allem Frauen, die die Proteste gegen das Mega-Kraftwerkprojekt unterstützt hatten. Doch als das Staatsfernsehen anrückte, um die Regierungsvertreter zu filmen, die schließlich einen Baustopp verfügt hatten, mussten sich Aktivistinnen auf Geheiß der Kameraleute aus dem Bild ducken. "Frauen sind überall in unserer Gesellschaft präsent, doch offiziell bleiben sie unsichtbar", kritisierte die Aktivistin.

Das gilt auch für Myanmars politisches Leben, an dem sich Frauengruppen seit Jahren hinter den Linien aktiv beteiligen und sich dennoch bei der Verteilung von Führungspositionen mit den hinteren Plätzen bescheiden müssen.

"In unserer von Männern dominierten buddhistischen Gesellschaft begnügt sich der Großteil der Frauen mit ihrer Familienrolle und glaubt, daran lasse sich nichts ändern", sagte die Schriftstellerin und Frauenrechtsaktivistin Mon Mon Myat. "Zahlreiche kulturelle Barrieren schränken ihr Auftreten und ihre Funktionen ein."


Suu Kyi, die Tochter eines Nationalhelden

Anders Suu Kyi. Als Tochter des als Nationalheld verehrten Generals Aung San, der offen gegen die damalige britische Kolonialmacht antrat, wurde sie zu Zeiten der Militärdiktatur mit ihrem Engagement für Demokratie zur politischen Ikone. Bestraft wurde sie mit Haftstrafen und jahrelangem Hausarrest. "Obwohl sie eine Frau ist, gilt sie in unserem Land als ein Symbol für Frieden und Demokratie", stellte Mon Mon Myat fest. "Das lässt sich schon daran erkennen, dass sie von Männern, auch vielen Mönchen, unterstützt wird."

Zahllose Frauenrechtsaktivistinnen und Journalistinnen zahlten für ihren Widerstand gegen die Junta einen hohen Preis. Viele wurden von Armeesoldaten, die in den von den Ethnien der Shan, der Kachin und der Karen besiedelten Bundesstaaten gegen Rebellen kämpften, systematisch gefoltert, vergewaltigt oder ermordet.

2002‍ ‍trat das 'Shan Women's Action Network' erstmals mit einem Bericht über die systematischen Vergewaltigungen durch burmesische Streitkräfte an die Öffentlichkeit. Darin kamen erstmals auch Frauen zu Wort, die es wagten, eigene Erfahrungen zu schildern.

"Es ist immer noch nicht möglich, darüber zu sprechen, dass burmesische Soldaten in diesen entlegenen Gebieten Frauen ethnischer Minderheiten vergewaltigt haben", kritisierte Mon Mon Myat. "In Myanmar gilt eine Vergewaltigung eher als ein selbstverschuldetes Schicksal, über das betroffene Familien lieber schweigen. Deshalb ist es für die Opfer schwierig, vor Gericht Gerechtigkeit zu finden", berichtete sie.

Die pro-demokratische, im thailändischen Chang Mai ansässige 'Women's League of Burma' engagiert sich für einen besseren Frauenstatus in einer friedlichen und gerechten Gesellschaft.

Die ehemalige Schauspielerin und Aktivistin Grace Swe Zin Htaik rechnet nicht so bald damit, dass sich in Myanmar die Gleichberechtigung der Geschlechter durchsetzt. "Die dazu notwendige allgemeine Bewusstseinsänderung wird wohl noch lange auf sich warten lassen", sagte sie. (Ende/IPS/mp/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2012