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FRAUEN/416: Côte d'Ivoire - Wehrlose Frauen, Gesetz gegen Gewalt in der Familie bleibt unwirksam (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Juli 2012

Côte d'Ivoire: Wehrlose Frauen - Gesetz gegen Gewalt in der Familie bleibt unwirksam

von Fulgence Zamblé



Abidjan, 20. Juli (IPS) - Über mangelnden Zulauf kann sich das Sozialzentrum in Treichville, einem Stadtteil im Süden von Abidjan, nicht beklagen. Hier, in dem Viertel der größten Stadt Côte d'Ivoires, finden Frauen vorübergehend Schutz vor ihren gewalttätigen Partnern. Viele kommen immer wieder.

"Seit der Krise im Anschluss an die Wahlen sind Männer gegenüber ihren Familien gewalttätiger geworden", stellt Gladys Marie-Angela Asso Bally fest. "Heute kommen täglich Dutzende von Frauen zu uns, früher waren es nur zwei oder drei."

"In den vergangenen drei Monaten ist kein Tag vergangen, an dem mein Mann mich nicht beleidigt, bedroht oder geschlagen hat", berichtete die 28-jährige Habiba Kanaté (Name von der Redaktion geändert). "Er ist beleidigt, wenn ich nicht mit jeder seiner Entscheidungen einverstanden bin", klagte die dreifache Mutter.

Auch die junge Frau, die sich Céline Konan nennt, ist vor ihrem gewalttätigen Mann ins Sozialzentrum von Treichville geflohen. Ihr Gesicht zeigt noch die Spuren der Schläge, denen sie innerhalb einer Woche zweimal ausgesetzt war. Sie sucht hier nicht zum ersten Mal Schutz. Zuvor hatten Sozialarbeiter bei Hausbesuchen vergeblich versucht, Konans Ehemann von seinen gewalttätigen Übergriffen abzubringen.

Auch Juliette Téo (Name von der Redaktion geändert) taucht immer wieder im Sozialzentrum auf. "Jedes Mal, wenn mein Partner mich ins Gesicht schlägt, verliere ich mindestens zwei Zähne", berichtete sie. "Als ich ihm seine Untreue vorwarf, meinte er, er sei schließlich das Familienoberhaupt, und wenn ich ihm eine Szene machte, müsste ich dafür büßen", sagte sie.

Im Juni veröffentlichte die Nichtregierungsorganisation 'International Rescue Committee' einen Bericht über häusliche Gewalt in Côte d'Ivoire, Liberia und Sierra Leone. Er bekräftigt die Erfahrungen, über die die misshandelten Frauen im Treichville berichten. "In diesen drei westafrikanischen Ländern sind Übergriffe auf Frauen wie Verbrennungen, Schläge, Vergewaltigung und psychische Gewalt an der Tagesordnung", heißt es darin. Und weiter: "Dort waren mehr als 60 Prozent der Frauen der Gewalttätigkeit von Männern ausgesetzt, meist der ihrer Partner."

Das Sozialzentrum in Treichville bietet seinen Besucherinnen auch psychologische Beratung und juristische Hilfe an. "Allerdings machen es uns kulturellen und religiösen Wertvorstellungen der Betroffenen schwer, die Geißel der Gewalt zu bekämpfen", räumte Asso Bally ein. "Viele Frauen wollen nicht als Zeuginnen auftreten. Sie fürchten, ihre Ehemänner könnten im Gefängnis landen oder aus dem Haus gejagt werden."

Kanaté gehört zu den Frauen, die nicht gegen ihre Männer aussagen wollen. "Was würde denn aus mir werden, wenn mein Mann im Gefängnis sitzt? Und die Verwandtschaft würde mir die Schuld daran geben", meinte sie.


Bevölkerung in den Kampf gegen häusliche Gewalt einbinden

Nach Ansicht der Zentrumschefin Asso Bally ist das 1981 erlassene einschlägige Gesetz gegen familiäre Gewalt nicht wirklich hilfreich. "Eine Klage wird nur zugelassen, wenn Frauen unwiderlegbare Beweise vorweisen können oder wenn ein prügelnder Mann in flagranti überführt wird", erklärte sie.

Anfang Juli hatte Sarah Fadiga Sako, die erste Vizepräsidentin der Nationalversammlung Côte d'Ivoires, angekündigt, bei der nächsten Revision des Zivil- und Familienrechtes werde der Kampf gegen häusliche Gewalt entschiedener geführt.

Doch Fanta Coulibaly, Vorsitzende der nationalen Kommission zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen und Kindern, bleibt skeptisch. "Strengere Gesetze allein richten nichts aus. Die gesamte Bevölkerung muss gegen dieses alarmierende Ausmaß an häuslicher Gewalt vorgehen", sagte die Regierungsbeamtin und forderte eine umfassende Aufklärungskampagne. (Ende/IPS/mp/2012)


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http://www.rescue.org/
http://www.ipsnews.net/2012/07/cote-divoire-law-offers-battered-women-little-protection/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juli 2012