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FRAUEN/574: Argentinien - Frauen im Polizeidienst zunehmend anerkannt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. März 2015

Argentinien: Frauen im Polizeidienst zunehmend anerkannt

von Fabiana Frayssinet



Bild: © Fabiana Frayssinet/IPS

Polizistinnen in Argentinien sind kein ungewöhnlicher Anblick mehr
Bild: © Fabiana Frayssinet/IPS

Buenos Aires, 27. März (IPS) - Als sie sich zu Polizistinnen ausbilden ließen, gehörten Marina Faustino und Silvia Miers zu einer kleinen Minderheit. Sie haben es in ihrem Beruf weit gebracht - trotz aller Schwierigkeiten, sich in einer männerdominierten Welt zu behaupten. Inzwischen stehen Frauen im Polizeidienst wirksame Waffen im Kampf gegen Sexismus und Vorurteile zur Verfügung, und die Zahl weiblicher Sicherheitskräfte wächst.

Wie die 39-jährige Faustino berichtet, träumte sie schon als Teenager davon, zur Polizei zu gehen. Doch ihr Vater, selbst Polizist, riet ihr entschieden davon ab. "Die Polizei sei eine sexistische Institution, ich würde dort leiden und als Frau nicht respektiert, warnte er. Und wie ich gelitten habe, als ich mit 20 meine zweijährige Ausbildung begann. Das war kein Zuckerschlecken."

"Polizistinnen mussten damals jahrelang um Respekt und Anerkennung kämpfen", bestätigt die Menschenrechtsanwältin Natalia Federman, die erste Menschenrechtsbeauftragte im Sicherheitsministerium. In dieser Funktion hatte sie von 2010 bis 2014 Gleichstellungsstrategien entwickelt.


Zugangshürden für Frauen abgeschafft

Der entscheidende Durchbruch für Frauen im Polizeidienst kam 2010, als Staatspräsidentin Cristina Fernández Nilda Garré zur ersten Sicherheitsministerin des Landes ernannte. Garré schaffte für Frauen alle Zugangsbeschränkungen zu den vier Polizeibereichen und -akademien ab. Inzwischen dürfen auch Transvestiten und Transsexuelle nicht mehr ausgeschlossen werden.

Die von Federman erarbeitete Strategie zum Aufbau von Institutionen, die die Rechte von Frauen respektieren, wurde 2014 vom UN-Entwicklungsprogramm lobend erwähnt. Sie regelt Eltern- und Stillzeiten weiblicher Beschäftigter. Gewalt aus Gründen der Geschlechtszugehörigkeit wurde in jener Zeit erstmals als zentrales Sicherheitsproblem wahrgenommen. 2011 befasste sich Federmans Team auch mit dem Problem, das weiblichen Polizistinnen bestimmte Aufgaben vorenthalten wurden. Die Mitarbeiter fanden heraus, dass in Argentinien 37,7 Prozent der Frauen und 55,1 Prozent der Männer der Überzeugung waren, dass Männer geeigneter sind, Protestdemonstrationen unter Kontrolle zu halten.

Silvia Miers, die bei der Luftwaffe anfing und es inzwischen zur stellvertretenden Inspektorin der Flughafen-Sicherheitspolizei PSA gebracht hat, hatte ebenfalls schwer mit Vorurteilen zu kämpfen. Heute ist die PSA die Abteilung mit dem höchsten Frauenanteil (38 Prozent).


Bild: © Fabiana Frayssinet/IPS

Silvia Miers (l.) und Marina Faustino (r.)
Bild: © Fabiana Frayssinet/IPS

Zu Beginn von Miers Laufbahn bot sich allerdings ein völlig anderes Bild. "Um überhaupt eine Chance zu haben, bemühte ich mich damals, extrem ernst, streng und rüde aufzutreten. Den meisten Kollegen dürfte ich als fieseste weibliche Polizeibeamtin im Gedächtnis geblieben sein", sagt sie. "Wenn eine Frau zu freundlich auftrat, hieß es gleich, sie sei für jeden zu haben. Frauen, die befördert wurden, unterstellte man, sich die Karriereleiter hoch zu schlafen."


Sexuelle Belästigung durch Vorgesetzte

Aus der Untersuchung geht weiter hervor, dass 13,8 Prozent der befragten Frauen im Polizeidienst Erfahrungen mit sexueller Belästigung meist durch männliche Vorgesetzte gemacht haben. Acht Prozent trauten sich, den Vorfall zu melden. Inzwischen können sich die Opfer sexueller Übergriffe und Diskriminierung an spezielle Beschwerdezentren wenden.

Laut Miers, die zwei Kinder hat und derzeit in Scheidung lebt, war der Weg nach oben auch aus anderen Gründen sehr beschwerlich. "Wenn ich spät von der Arbeit kam, war man Mann schlecht gelaunt. Auch gefiel ihm nicht, dass ich es vorwiegend mit Männern zu tun habe."


'Gläserne Decke' für Beförderungen durchstoßen

Faustino erinnert sich noch gut daran, wie 2010 die erste Frau zur Polizeiinspektorin ernannt wurde. Inzwischen steht eine Frau, Mabel Franco, an der Spitze der Bundespolizei. "Die Gleichstellung hat erst eine Chance, wenn sie von Frauen aktiv und entschlossen vorangetrieben wird", meint dazu die amtierende Sicherheitsministerin Cecilia Rodríguez. "Bei der Beförderung von Frauen gibt es keine 'gläserne Decke' mehr."

Faustino hat nach eigenen Aussagen viel im Umgang mit Fußball-Rowdys gelernt. Zwölf Jahre lang war sie in Stadien im Einsatz. "Damals machte ich die Erfahrung, dass sie uns respektieren, wenn wir sie wie Gentlemen behandeln, sie freundlich anlächeln und ihnen zuhören", sagt sie. "Sehr oft treten wir als Vermittlerinnen auf. Wir vermeiden Konfrontationen. Mit einer Mischung aus Höflichkeit und entschiedenem Auftreten lässt sich viel erreichen." (Ende/IPS/ck/2015)


Link:

http://www.ipsnoticias.net/2015/03/hacerse-las-malas-para-ganar-respeto-como-policias-en-argentina/
http://www.ipsnews.net/2015/03/acting-tough-to-earn-respect-as-policewomen-in-argentina/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 27. März 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. März 2015

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