frauensolidarität - Nr. 136, 2/16
Recht auf Rad
Diskriminierung von Frauen im Sport
von Nadine Mittempergher
Überall auf dieser Welt fahren Menschen Fahrrad. Für manche ist das selbstverständlich, für andere ein Traum. Dass Frauen Fahrrad fahren dürfen ist erstens ein hart erkämpftes Recht, und zweitens gilt dies durchaus nicht für alle Länder.
Sexistische Segregation im Sport hat eine lange Tradition.
Anstrengung und Sport galten zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als die
Olympischen Spiele der Neuzeit eingeführt wurden, als unweiblich. Als
Vorwand für den Ausschluss von Frauen wurden hygienische, ästhetische
und gynäkologische Vorurteile verwendet - so auch beim Radsport. Um
Geschlechterparität im Sport zu erreichen, muss an vielen Fronten
gekämpft werden. Am Beispiel der DDR hat sich gezeigt, dass auch
dann, wenn eine sehr hohe Anzahl an Sportlerinnen in einem Land aktiv
ist, nicht davon ausgegangen werden kann, dass sexistische
Diskriminierungen aufhören.
Männliche Dominanz in Sportorganisationen herrscht bis heute vor, nur wenige Frauen besetzen Führungspositionen. Das bedeutet: Männer entscheiden nach wie vor über Frauensport. Internationale Frauenorganisationen fordern daher im Hinblick auf die Olympischen Sommerspiele 2016 Sanktionen für Nationen, die Frauen im Sport diskriminieren. Eine Forderung, die bereits 1996 vom Internationalen Olympischen Komitee als unzulässige Einmischung in die innere Organisationsstruktur abgelehnt wurde.
Sportliche Diskriminierungen von Frauen bestehen. Wirklich akzeptiert werden Frauen oft nur in sogenannten weiblichen Sportarten wie Geräteturnen. In der Olympia-Disziplin Boxen ist Frauen zum Beispiel erst seit 1995 die Teilnahme erlaubt. Im heutigen Afghanistan stehen Fahrradfahrerinnen mit einem Bein im Gefängnis. Wenn die afghanische Frauen-Fahrradmannschaft in Radlerhosen auf den Sattel steigt, wird sie immer wieder beschimpft und bedroht. Statt im Velodrom trainieren die Frauen daher in abgelegenen Kreisverkehren und in der Wüste, angespornt vom Traum, irgendwann bei Olympia teilnehmen zu dürfen. Mit jedem Tritt in die Pedale erkämpfen sie sich ein Stück Freiheit.
Das Fahrrad ist nämlich nicht nur ein Sportgerät, es ist ein Symbol der Unabhängigkeit, mit dem weite Strecken zurückgelegt werden können. Finanziell ist es auch für ärmere Menschen attraktiv. Daher gibt es immer mehr Initiativen, Frauen und Mädchen auch im Alltag aufs Rad zu bringen. Die pakistanische Aktivistinnengruppe "Girls at Dhabas" kämpft gegen die Diskriminierung von Frauen im öffentlichen Raum. Mit #GirlsOnBikes erobert sie Tritt für Tritt die Straßen Lahores. Und auch im internationalen Fahrradsport tut sich etwas: Mit Jean D'Arc Girubuntu fährt 2016 erstmals eine schwarze [1] Frau aus Afrika für das ruandische Team. Ein afghanischer Mann sagte in einem Arte-Interview: "Wenn Frauen Rad fahren, geht es mit unserer Gesellschaft bergab." Wenn das nicht ein Ansporn ist? Rauf auf den Sattel!
Zur Autorin: Nadine Mittempergher lebt in Wien und hat
Internationale Entwicklung studiert.
Anmerkung:
[1] Schwarz sein ist eine soziale Konstruktion.
Im heutigen neoliberalen, neokolonialen und patriarchalen Setting
bestimmt das Zusammenspiel von Rasse, Klasse und Geschlecht noch
immer die Machtverhältnisse.
Lesetipp: Angelis, G./Pitzen, M. (2008): Frauen bei Olympia. Bonn: Verlag Frauenmuseum.
Webtipp: Arte-Reportage (2015): The Queens of Kabul.
http://www.arte.tv/guide/en/030273-553-A/arte-reportage?country=AT
*
Quelle:
Frauensolidarität Nr. 136, 2/2016, S. 19
Medieninhaberin und Herausgeberin:
Frauensolidarität im C3 - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen
Sensengasse 3, A-1090 Wien,
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org,
http://www.frauensolidaritaet.org
Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
Einzelpreis: 5,- Euro plus Porto
Jahresabo: Österreich 20,- Euro;
andere Länder 25,- Euro.
veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2016
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang