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GENDER/018: Brasilien - Mehr Respekt gegenüber Transsexuellen und Transvestiten auf Polizeiwachen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Februar 2012

Brasilien: Mehr Respekt gegenüber Transsexuellen und Transvestiten auf Polizeiwachen in Rio

von Fabiola Ortiz


Rio de Janeiro, 14. Februar (IPS) - Der brasilianische Bundesstaat Rio de Janeiro will sicherstellen, dass künftig deutlich mehr Straftaten gegen Transvestiten und Transsexuelle aktenkundig werden. So tritt im März eine neue Regelung in Kraft, die es den Angehörigen der sexuellen Minderheiten erlaubt, Übergriffe unter den von ihnen selbst erwählten Namen anzuzeigen.

Transvestiten und Transsexuelle fordern seit langem, die Namen führen zu dürfen, die sie sich selbst ausgesucht haben. Sie sind diejenigen sexuellen Minderheiten, die am stärksten Vorurteilen und Diskriminierung ausgesetzt sind - vor allem von Seiten der Polizei, wie Cláudio Nascimento, Koordinator des staatlichen Programms 'Rio ohne Homophobie', erklärte.

Im weltweiten Vergleich ist Brasilien, wo 192 Millionen Menschen leben, sogar das Land mit der größten Zahl von Hassverbrechen gegen sexuelle Minderheiten. Nascimento misst der Neuregelung eine hohe symbolische Bedeutung bei. Sie werde die Bereitschaft der Opfer, gegen sie gerichtete Verbrechen anzuzeigen, erhöhen.

"Wenn man jemandem, der eine andere Geschlechtsidentität annimmt, das Menschsein verweigert, kann das großen Schaden anrichten", meinte Nascimento. Bislang bekamen Transsexuelle und Transvestiten Schwierigkeiten, wenn sie bei der Polizei unter ihrem selbst erwählten Namen Anzeige erstatten wollten.

Im vergangenen Jahr sammelten die drei brasilianischen Menschenrechtszentren, die sich gegen Homophobie engagieren, rund 5.000 Gesprächsprotokolle und 2.000 Strafanzeigen, von denen sich 20 Prozent auf Transvestiten und Transsexuelle bezogen. Obwohl die Gruppe verhältnismäßig klein sei, werde sie am häufigsten angegriffen, berichtete Nascimento.

In den nächsten Wochen wird die Polizei auf die neuen Herausforderungen vorbereitet. Im Rahmen des Programms 'Rio ohne Homophobie' wurden bereits mehr als 5.000 Militärpolizisten und 1.200 zivile Polizeibeamte fortgebildet. Von März an dürfen Transvestiten und Transsexuelle in allen 164 Polizeiwachen des Bundesstaates ihre selbstgewählten Namen angeben.

Diese Menschen, die ohnehin schon viel Leid erführen, dürften nicht noch auf den Polizeiwachen schlecht behandelt werden, meinte Martha Rocha, die Leiterin der Zivilpolizei in Rio de Janeiro. Die in dem Bundesstaat geplante Neuregelung sei einzigartig in ganz Brasilien.

Nascimento hofft, dass andere Bundesstaaten sich daran ein Beispiel nehmen werden. "Die Kosten werden dadurch nicht steigen, der respektvolle Umgang mit Menschen wird gefördert und die öffentliche Verwaltung wird in einen zivilen Rahmen der menschlichen Würde einbezogen", sagte er. "An der Art, wie sexuelle Minderheiten behandelt werden, zeigt sich der Grad der Zivilisation eines Landes."

Nach Untersuchungen der Schwulen-Gruppe von Bahia im Nordosten des Landes wurden im Jahr 2010 etwa 250 Morde mit homophobischem Hintergrund registriert. Alle 36 Stunden komme es zu einem solchen Verbrechen.


Kommission prüft Beschwerden gegen Polizisten

Das neue Registrierungsverfahren für Straftaten gegen Homosexuelle wurde im vergangenen Juli per Dekret vom Gouverneur des Bundesstaates, Sergio Cabral, in Kraft gesetzt. Polizisten, die die neuen Regelungen nicht befolgen, können einer Kommission gemeldet werden, die die Beschwerden überprüft. "Damit werden die Strukturen der Sicherheitsdienste verändert. Künftig haben wir die Möglichkeit, verlässliche Angaben über die Gewalt gegen Schwule zu sammeln und den Betroffenen konkrete Hilfe zu leisten", sagte Nascimento.

Mit Blick auf den Karneval in diesem Monat kündigte Rocha an, dass die Polizei in den traditionellen Hochburgen speziell auf den neuen Umgang mit Homosexuellen vorbereitet werde. Die bekannte Sängerin und Transvestitin Jane di Castro begrüßte die Bestimmungen als Sieg für die Homosexuellen. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.riosemhomofobia.rj.gov.br/programa
http://www.ggb.org.br/welcome_old.html
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=100115
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106723

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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2012